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„Linke Heuchler“ – wie unerwartet

„Linke Heuchler“ – wie unerwartet

„Linke Heuchler“ – wie unerwartet

 

„Linke Heuchler“ – wie unerwartet

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Soso. Der sich selbst als „Altlinken“ apostrophierende Reinhard Mohr, Frankfurter Soziologe (oh, oh) und Ex-Sponti (war klar) hat im Zuge seiner mäandernden publizistischen Karriere quer durch alles, was gedruckte Wort an den Mann bringt, das Spießertum des linksliberalen Wohlfühlmenschentums aufs Korn genommen.

Bei Facebook und anderswo sind die Leute ganz aus dem Häuschen, dutzendweise raunt es „Hast Du DAS schon gelesen?“ durch das Internet, und doch schmeckt das Ganze nur wie eine von unzähligen Zigaretten auf einer Abschiedsfeier, die nicht in Gang kommen will.

Nun ist es vielleicht mal was anderes, daß er damit in der FAZ gelandet ist. Bevor der Gute nun aber erwartungsgemäß durch diverse Talkshows gereicht und überall zum Interview geladen wird und davon deutlich besser lebt, als von seinen bislang vor allem auf 68er-Nostalgie gründenden Büchern, ist immerhin noch ein wenig Zeit, um den Jubel wieder etwas herunterzuschrauben.

Leere Worthülsen

Zuerst einmal ist Mohrs persönliche „Wendung“ an sich keineswegs eine Neuigkeit: Schon seit viereinhalb Jahren schreibt Mohr Glossen, bei denen dem durchschnittlichen großstädtischen Grünen-Wähler glatt der lactosefreie Fairtrade-Macchiato aus der Hand fällt.

Und auch Deutschlandradio Kultur hat sich bereits mehrfach mit seiner geradezu revolutionären Hinwendung zur wahrnehmbaren Realität hin beschäftigt – obgleich von Mohrs scheinbarem Reaktionärsdasein (aufgrund der Erkenntnis, daß heutiges Protestlertum eine unwürdige Geisterbahn ist) hin zum albernen Gehampel um Sprachregelungen doch eine deutliche Verflachung festzustellen ist. Ich gönne es ihm; so was regelt sich eben über das Verhältnis von Angebot und Nachfrage.

Was nun aber Mohrs „Heuchler“-Beitrag (im mehrfachen Wortsinn) angeht, so geht es darin mitnichten darum, das grundsätzlich Falsche und die Schlechtigkeit linker Anschauungen anzuprangern – aufzudecken bräuchte er sie ohnehin nicht mehr. Vielmehr ist der Text an sich ein Aufschrei gegen das Zurücksinken eines „echten“ linken Gestus in Alltagsverrichtungen und leere Worthülsen.

Bürgerliche Wohlstandsgelangweite

Gerade jetzt, wo mal wieder „die halbe Welt voller Erwartung nach Europa schaut“, wobei die angebliche Verantwortung für alles und jeden unmittelbar mit „der Demokratie“ verkoppelt wird, als ob letztere einen absoluten Wert für sich darstellte. Hinzu kommt dann noch Mohrs ganz eigene ideologische Altersblindheit: Seine persönliche „Demokratie“ ist per se „links“, daran kommt gar kein Zweifel auf, und daraus rührt für ihn auch die „Demokratieverachtung“ der von ihm ausgemachten Heuchler.

Daß deren „offenkundige Verbürgerlichung der eigenen Existenz“ zum größten Teil daher rührt, daß sie immer schon nichts weiter als bürgerliche Wohlstandsgelangweite auf der Suche nach einem kleinen Kick waren, liegt scheinbar hinter dem Erkenntnishorizont eines Epigonen der reinen Lehre.

Langweiliger Buchstabenhaufen

„Linke Heuchler“ ist, um es ganz klar zu sagen, nichts weiter, als die zum x-ten Mal aufgewärmten Ressentiments und der Alarmismus „progressiver“ Autoren seit Ende der siebziger Jahre – und an der Internetadresse zeigt sich, daß die Überschrift ursprünglich „Demokratieverachtung des spießigen linken Mainstreams“ lautete, was dann aber wohl der FAZ zu heikel war. Spätestens beim Schwadronieren unter der Unterüberschrift „‘Anti’ ist jetzt rechts“ äußert sich ganz ohne Phrasenfassade der abgehängte alte Rebell, der nun nichts besonderes mehr und deswegen enttäuscht ist.

Darüber kann man vielleicht Schadenfreude empfinden (auch angesichts linker Beißreflexe in der moralisch wie finanziell bankrotten FR), aber einen anderen Anlaß, diesen langweiligen Buchstabenhaufen unter vielen mit mehr als einem Achselzucken zur Kenntnis zu nehmen, gibt es nicht. Besser als der Feigenblattkonservative Fleischhauer oder der in der Wolle gefärbte Linksliberale Broder ist das keinesfalls.

Wo Mohr bzw. der FAZ-Layouter im „neuen“ Spießer mit Stefan Zweig einen „Kaffeehaus-Komplotteur“ sieht, hätte ein Wilhelm Stapel von „Trümmergehirnen in den Literatencafés“ gesprochen – und Recht behalten.

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