Heulen und Zähneklappern herrscht bei der politisch-medialen Klasse nach der Volksabstimmung am vergangenen Sonntag in der Schweiz. Mit knapper Mehrheit haben die Schweizer ein von der konservativen SVP initiiertes Referendum gegen Masseneinwanderung angenommen. „Die spinnen, die Schweizer“, twitterte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner und dokumentierte damit die unverschämte Arroganz der EU-Nomenklatura, die Demokratie nur noch als lästiges Übel ansieht.
Demokratie wird schon länger als eine von hauptamtlichen Regisseuren sich gegenseitig abstützender etablierter Parteien dirigierte Inszenierung verstanden. Europa hat gefälligst auf eine kontinuierliche, immer stärkere Konzentration zuzulaufen. Wer diesem Dogma eines auf einer schiefen Ebene, irreversibel zu erreichenden europäischen Bundesstaates widerspricht, wird in orwellscher Umkehrung zum „Antidemokraten“, „Europafeind“ und „Rechtspopulisten“ gestempelt.
Die Nervosität ist groß
Der Schweizer Publizist Roger Köppel brachte es am Montag bei Frank Plasberg kurz und knackig auf den Punkt: „Demokratie heißt: Das Volk ist der Chef!“ – eine in ihrer Einfachheit verblüffende Feststellung, die Berufspolitikern hierzulande offenbar als Majestätsbeleidigung vorkommt.
Die Nervosität ist groß, daß das Schweizer Beispiel Schule machen könnte. Die „Grenzdebilen Europas“ (taz) könnten sich bei der anstehenden Europawahl beflügelt fühlen, „Europas Rechte jubilieren“ (Süddeutsche Zeitung). Unerhört, daß sich Demokratie als Wahl zwischen echten Alternativen herausstellen könnte und nicht nur als von oben zu kommandierende Akklamation zu einem von selbsternannten Eliten ersonnenen Kurs. Die Schweiz ist der demokratische Stachel im Fleisch eines immer autokratischere Züge annehmenden Superstaats EU, der dabei ist, die Souveränitätsreste seiner Mitgliedsstaaten mit aggressiver zentralistischer Gewalt aufzusaugen. Wollen wir hoffen, daß sich die Eidgenossen auch weiterhin den Erpressungsversuchen der EU und der eigenen „Eliten“ widersetzen.
Großkonzerne profitieren von Masseneinwanderung
In wessen Interesse werden eigentlich alle Türen souveräner Nationalstaaten eingetreten? Wem dient das Einreißen letzter Hemmnisse für freien Güter- und Personenverkehr? Viel ist davon die Rede, daß dies „der Wirtschaft“ diene. Tatsächlich sind es vor allem international operierende Großkonzerne, die durch Masseneinwanderung vom Lohndumping profitieren. Und wenn die Einschränkung der Freizügigkeit tatsächlich das Wirtschaftswachstum bremsen sollte – warum nicht? Für das Leben der Menschen und die Qualität einer Gemeinschaft ist das nicht der allein entscheidende Faktor. Die Bürger eines Staates sollten frei darin sein, die Prioritäten und Bedingungen selbst zu wählen, unter denen sie leben wollen. Das versteht man übrigens unter Demokratie.
JF 8/14