Der Sohn des Amsterdamer Fraktionsvorsitzenden der liberalen VVD, Mart van der Burg, gibt der Politik die Schuld an der Situation. Am 5. Juni wurde auch seine Wohnung in einem alten Bürogebäude in Amstelveen, einer Randgemeinde bei Amsterdam, von der Gruppe „We Are Here“ besetzt. „Eine Gruppe Krimineller, die normale Amsterdamer aus ihren Häusern jagen“, faßte eine Amsterdamer Zeitung die Stimmung der Anwohner zusammen. Es geht um etwa 60 männliche Asylsuchende aus Afrika, deren Asylanträge längst abgelehnt wurden und die die ihnen angebotenen Unterkünfte verweigern.
Ihr Sprecher Khalid Jone (34), ein Sudanese mit Rastalocken, der sich gerne öffentlich inszeniert, posiert lachend auf Fotos mit dem amtierenden Bürgermeister von Amsterdam, Jozias van Aarsten (VVD). Dieser ist nicht der Meinung, daß von Unruhen geredet werden könne. Jone fordert in Zeitungen „Information“ und „Freiheit“. In den eigentlich für Asylbewerber vorgesehenen „Bett-Bad-Brot“-Unterkünften müßte er um neun Uhr aufstehen und raus und das gefällt ihm nicht.
Seit 2012 besetzt „We Are Here“ in Amsterdam alte Schulgebäude, Läden, Bürohäuser und Wohnungen und sorgt für viel Unruhe. Viele Amsterdamer und ihre Wohnungsbauvereinigungen sind es leid, daß nichts passiert, aber der Bürgermeister und der neugewählte linke Stadtrat greifen nicht ein – trotz der großen Medienaufmerksamkeit und der immer dreisteren Forderungen von „We Are Here“.
Hausbesetzungen sind seit 2010 eigentlich verboten
In den Niederlanden sind Hausbesetzungen seit 2010 gesetzlich verboten, weil sie „eine Form von Selbsthilfe sind und das Eigentumsrecht auf unzulässige Form angetastet wird“, erklärten die damaligen Befürworter der Gesetzreform damals.
Aber dieses Gesetz wird kaum angewandt. Die Richter in Amsterdam beschlossen im April, daß „We Are Here“ nach ihrem illegalen Einzug in zig Wohnungen im Ortsteil Watergraafsmeer bis Ende Mai bleiben durften, „bis sie etwas anderes gefunden haben“.
In aller Regel kündigen die überwiegend afrikanischen Männer von „We Are Here“ ihr Kommen an, die Bewohner verlassen dann „freiwillig“ ihre Häuser und Vermieter dulden dies. Vor der Kamera erzählte etwa eine Studentin aus Watergraafsmeer, daß sie „dann halt eine Weile bei ihren Eltern unterkommt“. Eine Wohnung wurde besetzt, während die Mieterin dort unter der Dusche stand. Menschen hingen Zettel an die Türen: „Hier wohnt jemand“. Diese Zustände sorgten schließlich für eine Konfrontation zwischen der einwanderungskritischen Gruppe „Identitair Verzet“ und Hausbesetzern sowie Linksradikalen. Auch dabei wurde nicht eingegriffen. Mit der Aktion demonstrierte „Identitair Verzet“ gegen die Anwesenheit der abgelehnten Einwanderer.
„Illegal ist kriminell“
Sie schwangen ihre Flaggen und hängten ein Transparent mit dem Text „Illegal ist kriminell“ auf. Daraufhin wurden die Scheiben der – übrigens legal gemieteten Wohnung – von den Hausbesetzern und der linksextremen Antifa eingeworfen, die Haustür demoliert und „Nazis“ skandiert. Auch Umstehende, die sich mit der Aktionsgruppe solidarisch zeigten oder sich kritisch über „We Are Here“ äußersten, wurden bepöbelt. Die anwesende Polizei griff nicht ein.
Die Kosten der Randale, die die Besetzer verursacht haben, zahlt die Wohnungsbauvereinigung, der die Wohnungen gehören: Matratzen auf der Straße, kaputte Scheiben, Farbe und Graffiti auf den Wänden. Sie zahlen auch die Kosten der privaten Wachleute, die angeheuert werden, um die Gegend zu bewachen.
„Bitte, macht hier nicht mit“, bat ein aufgebrachter Van der Burg beim jüngsten Hausbesetzungsversuch am 4. Juni die vielen Journalisten, die durch den Seiteneingang in das Gebäude gelangt waren.
„We Are Here“ folgt nur den Empfehlungen der Richter
„We Are Here“ macht aber genau das, was die Richter empfohlen haben: Etwas anderes finden. Van der Burg hat die Eindringlinge an seiner Vordertür – einer schweren Drehtür – alleine aufgehalten. Die Polizei beobachtet das Ganze aus sicherem Abstand. „Sie haben Verstärkung angefordert“, sagte Van der Burg vor laufender Kamera. Auf die Frage, warum sie das Haus eingenommen haben, reagiert einer der Besetzer: „Dieses Haus gehört jetzt ‘We Are Here’“. Daß die Besetzung illegal ist, interessiert ihn nicht. „Fuck you“, ruft er böse.
Da die Hausbesetzung dieses Mal außerhalb von Amsterdam geschieht, ist die Reaktion des amtierenden Bürgermeisters von Amstelveen, Herbert Raat, etwas anders: „Das ist keine gute Sache für Amstelveen und das ist keine gute Sache für die betroffenen Menschen. Ich hoffe, daß die Besetzer die Hilfe, die es in den Niederlanden nun mal gibt, annehmen.“ Die Hausbesetzer gehen letztendlich freiwillig, in den Medien wurde von einem „Versehen“ gesprochen.
Inzwischen ziehen Nachbarn um oder trauen sich nicht mehr raus, um Einkäufe zu erledigen, sobald „We Are Here“ sich rührt. Die Polizei macht Überstunden, aber kann das Problem nicht lösen. Die Hausbesetzer halten sich für unantastbar. Die Richter benennen die Einschüchterungen und die angerichteten Schäden zwar, aber das Mitleid mit den Hausbesetzern wiegt schwerer. Daß die Besetzer keine Duldung haben und diese auch niemals erhalten werden, ändert im niederländisch politisch- korrekten Klima nichts. Linkradikale und Autonome gewinnen dadurch immer stärker an Einfluß.
„We Are Here“ wird zu „We Are Here To Stay“
Die christliche Partei CDA ist deutlich gegen das Besetzen, genauso wie die rechten Parteien: Die PVV von Geert Wilders und das in den Umfragen schnell wachsende „Forum für Demokratie“ von Thierry Baudet, das mit einem weiblichen Spitzenkandidaten jüngst in Amsterdam drei Sitze errungen hatte. Sie besuchte die Hausbesetzer einige Male, wurde aber bereits auf der Straße beleidigt.
Die im März gewählte extrem linke Koalition in Amsterdam scheint nicht die Absicht zu haben, die Sorgen der Bürger ernst zu nehmen. Politiker, Führungskräfte und Richter in den Niederlanden wollen offenbar „We Are Here“ eigenhändig und gezielt in ein „We Are Here To Stay“ verwandeln. Mit ihrer Taktik des „Teetrinkens“ mit Illegalen – so wie rechte Medien das Phänomen nennen – verschlechtert sich die Lebenssituation in Amsterdam in einem schnellen Tempo vor allem für Bewohner von Problembezirken. Und Mietwohnungen sind ohnehin schwierig zu bekommen.
Landesweit nehmen Politiker, unter ihnen auch die christlichen Parteien, dankbar dieses Thema auf und fordern, daß Hausbesetzer „hart angefaßt werden müssen“. Aber auch in Den Haag kann man die Sackgasse, in die man gelangt ist, nicht mehr leugnen. Minderheiten und linksradikale Gruppen haben ihre Kräfte im Kampf um linke Narrative vereinigt: Offene Grenzen, Vorrang für Minderheiten und ein Ende des Kapitalismus.
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Sietske Bergsma ist Juristin und arbeitet seit 2016 als Journalistin unter anderem für die niederländische Zeitung The Post Online.