Schulbücher müssen schwuler werden, forderte die Bild-Zeitung im Juni in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit Olivia Jones, bekannt als Drag-Queen, neuerdings wohl auch Hobby-Bildungsratgeberin. Damals hatte die niedersächsische Landesregierung angekündigt, jetzt auch die Schüler zwischen Harz und Nordsee mit „sexueller Vielfalt“ im Unterricht zu beglücken. SPD und Grüne arbeiten derzeit an einer Gesetzesvorlage, damit Homosexualität, Bisexualität, Transsexualität und Intersexualität an Schulen „verbindlich thematisiert“ werden.
Wenn der Landtag zustimmt, werde der Unterricht schon 2015 „bunter“, frohlockte dazu die Bild. Spontan stellt sich die Frage, seit wann „bunt“ eigentlich ein Qualitätsurteil für Bildung geworden ist? Man darf gespannt sein, wie die konkreten Vorstellungen im Gesetzesentwurf sein werden. Unter anderem sollen verschiedene sexuelle Orientierungen zukünftig in den Schulbüchern sichtbar sein, um der gesellschaftlichen Realität näher zu kommen, was zumindest die Schulbuchverlage erfreuen wird. Zudem hat man sich das nordrhein-westfälische Projekt „Schule der Vielfalt – Schule ohne Homophobie“ zum Vorbild genommen.
Kritik kommt in die „homophobe“ Strafecke
Damit ist auch gleich klar, wo die Gegner dieser Gesetzesänderung hingesteckt werden – in die „homophobe“ Strafecke. Leider zeigt es auch, daß nicht einmal Bildungsexperten den Unterschied zwischen einer krankhaften und somit therapiebedürftigen Phobie und der Ausübung des Rechtes auf Meinungsfreiheit, dem Erziehungsrecht der Eltern oder gar Religionsfreiheit unterscheiden können.
Mit der gleichen Argumentation hatte es ja auch die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg versucht, als dort die Proteste gegen den Bildungsplan immer größer wurden. Über 200.000 Menschen haben dort die Petition dagegen unterschrieben. Alles Homophobe? Oder einfach nur Eltern, die besorgt sind; Eltern, die ihre Verantwortung in der Erziehung wahrnehmen wollen? Unter den Unterzeichnern waren übrigens auch Tausende Muslime, der Protest kam also auch nicht allein aus christlichen, sondern allgemein bürgerlichen Kreisen, er kam aus der Mitte der Gesellschaft.
Wollten die Grünen nicht mehr Bürgerbeteiligung? Jetzt haben sie sie
Und dieser Protest hält bis heute an, im Oktober wird erneut in Stuttgart demonstriert, als ständige Mahnung an die Landesregierung: „Wir sind noch immer da.“ Wollten die Grünen nicht mehr Bürgerbeteiligung? Jetzt haben sie sie. Der Widerstand in Baden-Württemberg hat sich gelohnt. Zwar ist der Bildungsplan noch nicht vom Tisch, aber es ist bereits als großer Erfolg zu werten, daß sich eine Landesregierung trotz einer Mehrheit im Parlament nicht traut, ihren eigenen Bildungsplan zu verabschieden und ihn stattdessen faktisch zurückzieht.
Zudem geht von den Protesten in Baden-Württemberg Signalwirkung aus, entsprechend sind heute in Niedersachsen die Gegner sofort organisiert. Elterninitiativen sind gegründet, eine Petition ist im Gange, und an zahlreichen Schulen erheben die Elternvertreter ihre Stimme zum Protest. Das wäre noch vor einigen Jahren kaum möglich gewesen.
Neu ist in Niedersachsen, daß sich die politische Opposition im Parlament sofort zu Wort meldete. Daran fehlt es bis heute in Baden-Württemberg. Zwar gibt es einzelne Politiker oder auch Unterverbände, die sich gegen den Bildungsplan positioniert haben, die Opposition im Landtag übt sich aber noch in Toleranz durch Schweigen.
Vorwurf der Homophobie nutzt sich ab
In Hannover hat sich hingegen die Schulexpertin der CDU-Landtagsfraktion, Karin Bertholdes-Sandrock, öffentlich eingemischt. Offenbar hat die Union hier schneller begriffen, daß man breite Bevölkerungsteile nicht diskreditieren und beschimpfen, sondern politisch vertreten sollte, zumal wenn sie aus klassischen Stammwähler-Kreisen kommen.
Der Vorwurf der Homophobie wird außerdem inzwischen derart inflationär gebraucht, daß er sich offenbar bereits abgenutzt hat und so schnell keinen mehr erschreckt. Und so warnte die CDU-Frau vor einer Überforderung der Kinder in dieser Thematik. Auch sollten von außen eingeladene Personen für diesen Unterricht niemals mit den Kindern alleine gelassen werden. Allein mit dieser Aussage hat Bertholdes-Sandrock gute Chancen auf einen der oberen Ränge auf der Haßliste der sogenannten „Queer“-Lobby. Wie recht die CDU-Politikerin damit hat, zeigen die vielen Beispiele von einem bereits jetzt schon völlig aus dem Ruder laufenden Sexualkundeunterricht an vielen deutschen Schulen.
Eltern sind nicht mehr bereit, alles hinzunehmen, was als „Unterricht“ verkauft wird
Nicht selten wird er an externe Referenten ausgelagert. Jüngst erst berichtete mir eine Mutter aus Hessen, daß die Klasse ihres 12jährigen Sohnes als Hausaufgabe eigenständig ohne Begleitung von Erwachsenen Kondome kaufen sollte; um die Scham abzulegen und sich „ein bißchen locker“ zu machen. Auf Nachfrage der Eltern bei der Klassenlehrerin stellte sich heraus: Sie hatte keine Ahnung, was im betreffenden Unterricht vor sich ging, und diese Ahnungslosigkeit wiederum teilte sie mit der Schulleiterin …
Kommt man mit Eltern von schulpflichtigen Kindern ins Gespräch, haben fast alle die eine oder andere Geschichte beizusteuern. Der Unterschied zu früher ist: Jetzt machen viele Eltern den Mund auf. Die Vorgänge in Baden-Württemberg haben viele ermutigt, Aufmerksamkeit für das Thema Sexualkunde geschaffen. Eine wachsende Zahl von Erziehungsberechtigten ist nicht mehr bereit, alles hinzunehmen, was man ihren Kindern als „Unterricht“ verkauft. In Anlehnung an den scheidenden Bürgermeister von Berlin möchte man fast ausrufen: Und das ist auch gut so.
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Birgit Kelle ist Publizistin (unter anderem: „Dann mach doch die Bluse zu“, Adeo-Verlag 2013)
JF 40/14