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Immobilienmarkt: Der Gebäudetyp E ist nur ein Feigenblatt

Immobilienmarkt: Der Gebäudetyp E ist nur ein Feigenblatt

Immobilienmarkt: Der Gebäudetyp E ist nur ein Feigenblatt

Ein Arbeiter in Sicherheitskleidung klettert eine Leiter hoch, um auf einem Dach zu arbeiten, bei sonnigem Wetter, Dachsanierung, Hausbau, Pforzheim, Deutschland, Europa. Gebäudetyp E löst die Probleme nicht.
Ein Arbeiter in Sicherheitskleidung klettert eine Leiter hoch, um auf einem Dach zu arbeiten, bei sonnigem Wetter, Dachsanierung, Hausbau, Pforzheim, Deutschland, Europa. Gebäudetyp E löst die Probleme nicht.
Ein Bauarbeiter arbeitet an einem Wohnhaus: Gebäudetyp E hat nur kosmetische Effekte. Foto: picture alliance / imageBROKER | Manuel Kamuf
Immobilienmarkt
 

Der Gebäudetyp E ist nur ein Feigenblatt

Der Gebäudetyp E soll die Baukosten erheblich senken und den überhitzten Immobilienmarkt abkühlen. Doch das Vorhaben greift zu kurz, denn die Probleme liegen woanders.
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In den Brennpunkten des Wohnungsbedarfs ist die Lage so verzweifelt, daß Jungwähler das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Politik verlieren und sich der Linkspartei zuwenden. Die will den Mißstand „sozialistisch“ beseitigen – mit Mietendeckel und Vergesellschaftung. Wenn wir das Problem mit marktwirtschaftskonformen Mitteln lösen wollen, dann braucht es dafür eine deutliche Steigerung der Neubaufertigstellungen. Doch das ist angesichts des gewaltigen Anstiegs der Hypothekenzinsen und Baupreise seit 2021 alles andere als eine leichte Aufgabe.

Eine Entlastung könnte von seiten der regulatorisch bedingten Baukosten kommen. Seit 2000 haben sich die Gestehungskosten für Mehrfamilienhäuser von 2.200 auf 4.500 Euro je Quadratmeter verdoppelt. Knapp 30 Prozent dieser Kostensteigerung gehen direkt auf Gesetzesänderungen, neue DIN-Normen und kommunale Auflagen in den Bereichen Brandschutz, Schallschutz und Energieeffizienz zurück. Auf eine 60-Quadratmeter-Wohnung gerechnet bedeutet das ein regulatorisch bedingtes Baukostenplus von etwa 45.000 Euro, was bei den heutigen Zinsen die Mieter mit über 200 Euro Miete zusätzlich im Monat belastet.

DIN-Normen sind de facto verpflichtend

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesarchitektenkammer den „Gebäudetyp E“ für einfaches Bauen ins Spiel gebracht. Branchenkenner sehen dabei ein Einsparpotential zwischen fünf und zehn Prozent der Baukosten. Das einfachere Bauen soll ermöglicht werden, indem bei Vertragsschluß von den nicht gesetzlich vorgegebenen Komfort-, Detail- und Ausstattungsvorgaben abgewichen werden kann. Damit sind Hunderte von einschlägigen „DIN-Normen“ angesprochen, die das Bauen immer teurer machen. Sie betreffen die Abdichtungen von Feuchträumen, die Bauwerksabdichtung, Entwässerung, Fensterluftdichtheit, Mauerwerksspaltmaße, den Schallschutz und tausend andere Dinge. Wie beim Bau eines Mercedes in den 70er Jahren gelten überall technische Höchststandards. Nötig sind aber auch erschwingliche Volkswohnungen.

DIN-Normen sind eigentlich private, grundsätzlich freiwillig anzuwendende, empfohlene technische Regeln des Deutschen Instituts für Normung. Dieses Institut ist keine Behörde, sondern ein privatrechtlicher, gemeinnütziger Verein, der sich unter anderem aus Zuwendungen des Bundes finanziert. Es operiert ohne verpflichtende Kostenfolgeabschätzung und ist in den Normungsausschüssen stark von Industrievertretern geprägt und weniger von Handwerkern und Freiberuflern. Gerichte werten die DIN-Normen am Bau dennoch als „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ und setzen sie als beweisrechtliche Richtschnur ein.

So sind die DIN-Normen de facto verbindliche Mindeststandards geworden und das DIN-Institut zu einem Ersatzgesetzgeber. Mit dem Gebäudtyp E soll zumindest der zusätzliche Aufwand durch die Beachtung derjenigen DIN-Normen begrenzt werden, die nur Komfort- und keine Sicherheitsstandards regeln. Um hier aber Rechtssicherheit zu schaffen, müßte das BGB so geändert werden, daß zumindest fachkundige Bauherren nicht DIN-konforme Ausführungen nicht ohne weiteres als Mängel reklamieren können. Nur so entfiele die dauernde Haftungsangst, die Planer und Bauunternehmen dazu bringt, sämtliche Normen akribisch zu befolgen, selbst wenn das Ergebnis für die Nutzer kaum einen Mehrwert bietet.

Die Bürokratie ist ein Problem

Bislang existiert kein Bundesgesetz zum Gebäudetyp E, sondern lediglich der seinerzeit im Ampel-Kabinett beschlossene Regierungsentwurf. Danach sollten reine Komfort- und Ausstattungsstandards ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht mehr als Sachmangel gelten. Der Gebäudetyp E läuft gegen einen endlosen Normierungsprozeß an, in dem neue Standards eher komplex als praxisnah ausfallen. Vielversprechend wäre ein Kompromiß aus Selbstregulierung und Kontrolle: Kleinere Planbüros und Handwerksbetriebe sollten stärker an der Normsetzung beteiligt werden, und jede Normnovelle sollte künftig eine verbindliche unabhängige Kostenfolgeabschätzung durchlaufen. Wenn das nicht hilft, könnte das gesamte DIN-Regelgeflecht für den Bau durch ein schlankes, gesetzliches Regelwerk ersetzt werden.

Abgesehen von den DIN-Normen sind es aber vor allem hoheitliche Bestimmungen – etwa die 16 Landesbauordnungen mit unterschiedlichen Vorgaben unter anderem zu Brandschutz und Barrierefreiheit (in NRW muß jede Neubauwohnung barrierefrei sein, in Schleswig-Holstein nur ein Geschoß) sowie das detailverliebte Gebäudeenergiegesetz –, die die Gestehungskosten für neuen Wohnraum maßgeblich erhöhen. Der Gebäudetyp E allein kann diese Kernregulierungen nicht aufbrechen. Auch die Baunutzungsverordnung, das Erschließungsbeitragsrecht und die verbindlichen Honorarvorgaben für Architekten und Ingenieure bleiben davon ebenso unberührt wie das Immissionsschutzgesetz und die kostentreibenden Stellplatzsatzungen der Kommunen. Spürbare Kostensenkungen in diesen Bereichen erfordern weitergehende legislative Reformen.

Gebäudetyp E kratzt nur an der Oberfläche

Der Gebäudetyp E allein kratzt also nur an der Oberfläche: Wirklich drastische Kostensenkungen erfordern eine radikale Entschlackung des gesamten Regelsystems. Ein zehnjähriges Moratorium für neue Bauvorschriften würde den ewigen Nachrüst- und Aufrüstzyklus verhindern, während verbindliche Ergebnisziele (Wärmebedarf, Brandschutzwerte etc.) die Flut von Detailnormen ersetzen könnten. Parallel könnte das Prinzip „eine Regel rein – eine Regel raus“ dafür sorgen, daß jede neue Vorschrift nur im Gegenzug zur Streichung einer bestehenden in Kraft tritt, und die Genehmigung per Stillschweigen könnte langwierige Prüf- und Widerspruchsschleifen eliminieren.

Ergänzt durch eine „Regulatory Sandbox“ für experimentelle Projekte in Pilotregionen, ein digitales Halbe-Verzichts-Tool zur punktgenauen Reduktion von Nachweispflichten und ein einheitliches „Zoning by Right“ ohne Bebauungsplan und Einzelgenehmigung, ließen sich die Baukosten langfristig um 20 bis 30 Prozent drücken. Jetzt liegt es an Politik, Verwaltung und der Immobilienbranche, solche fundamentalen Reformen anzustoßen und entschlossen anzugehen – für einen erschwinglichen und zukunftsfähigen Wohnungsbau.

In dem Text geht es um Gebäudetyp E.

Aus der JF-Ausgabe 29/25.

Ein Bauarbeiter arbeitet an einem Wohnhaus: Gebäudetyp E hat nur kosmetische Effekte. Foto: picture alliance / imageBROKER | Manuel Kamuf
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