An einem sonnigen Donnerstag, dem 20. Juli, um sieben Uhr morgens startet Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg vom Flugplatz Rangsdorf bei Berlin aus ins Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ bei Rastenburg in Ostpreußen. Mit dabei: sein Adjutant, Oberleutnant Werner von Haeften. Eigentlich sollen die beiden die immer schwieriger werdende Lage an der Ostfront mit dem Reichskanzler Adolf Hitler und seinen Getreuen besprechen – doch sie haben andere Pläne. Im Gepäck: zwei Pakete Sprengstoff. Das Ziel: Hitler ausschalten und die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft beenden.
Der Entschluß dazu stand lange fest. „Das Attentat muß erfolgen, koste es, was es wolle. Sollte es nicht gelingen, so muß trotzdem der Staatsstreich versucht werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, daß die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat.“ Mit diesen Worten appellierte Generalmajor Henning von Tresckow im Juni 1944 an Stauffenberg, die Umsturzpläne des militärischen Widerstands in die Tat umzusetzen. Einen Monat später war es so weit – und die Operation „Walküre“ konnte beginnen. Die JUNGE FREIHEIT dokumentiert deren Ablauf Minute für Minute als Ticker.
21. Juli 1944
10 Uhr: Noch in der Nacht hat Generalmajor Henning von Tresckow vom Scheitern des Attentats erfahren. Um bei der erwarteten mit Folter verbundenen Untersuchung keine Kameraden zu verraten, entschließt er sich zum Suizid. Am Morgen des 21. Juli läßt er sich in die Nähe des polnischen Dorfes Ostrów Mazowiecka an die Front bringen, fährt später weiter ins Niemandsland hinter die feindlichen Linien. Heiter plaudert er mit seinem Fahrer, dann steigt er aus dem Wagen aus und geht in ein Waldstück. Es fallen Schüsse. Wenige Sekunden später detoniert eine Granate. Damit endet der letzte große Versuch, die NS-Diktatur von innen zu beenden.
Henning von Tresckow war einer der führenden Köpfe des 20. Juli. Getrieben war der Offizier von preußischen Tugenden. Das Attentat auf Hitler wollte er um jeden Preis. Von Konrad Adam. #Stauffenberg #20juli #20juli1944 https://t.co/n2YvcjJmwY
— Junge Freiheit (@Junge_Freiheit) July 20, 2019
1 Uhr: In der „Schanze“ trifft der aus dem 90 Kilometer entfernten Königsberg angeforderte Übertragungswagen des Großdeutschen Rundfunks ein. Hitler wendet sich an die Öffentlichkeit: „Eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich unvernünftiger, verbrecherisch-dummer Offiziere hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu beseitigen und mit mir den Stab praktisch der deutschen Wehrmachtführung auszurotten.“
0.10 Uhr: Die jungen Offiziere vollstrecken Fromms Urteil. Ein Sonderkommando exekutiert Olbricht, Haeften, Mertz von Quirnheim und Stauffenberg im Hof des Bendlerblocks. Stauffenberg stirbt mit dem Ruf: „Es lebe das heilige Deutschland!“
20. Juli 1944
23.55 Uhr: Kurz vor Mitternacht stirbt Generaloberst Beck. Er hatte versucht, sich selbst zu erschießen; als dies nicht gelingt, wird ihm der „Gnadenschuß“ gegeben.
22.30 Uhr: Der Putsch bricht zusammen. Ein bewaffneter Gegenstoß im Bendlerblock beginnt. Die beteiligten Offiziere fragen Olbricht: „Herr General, sind Sie für oder gegen den Führer?“ Das Wachbataillon besetzt Teile des Gebäudes, nur wenige können fliehen. Der nun befreite Generaloberst Fromm verurteilt Stauffenberg, Haeften, Olbricht und Mertz von Quirnheim wegen Hochverrats standrechtlich zum Tode.
22 Uhr: In Paris werden die Polizei- und SS-Verbände widerstandslos entwaffnet. Nach dem Scheitern des Putsches wird dies als „Übung“ dargestellt. Stülpnagel wird nach Berlin befohlen.
21.15 Uhr: Der Großdeutsche Rundfunk kündigt an, Hitler werde in Kürze eine Ansprache halten. Dieser bleibt vorerst in der „Schanze“.
20.20 Uhr: Aus der „Wolfsschanze“ kommt der Befehl an alle Wehrkreisbefehlshaber: SS-Chef Himmler ist neuer Befehlshaber des Ersatzheeres, nur seinen Befehlen ist Folge zu leisten.
19.13 Uhr: Der Befehlshaber von Prag, Panzergeneral Ferdinand Schaal, spricht mit Stauffenberg. Der erklärt: „Der Führer ist tot, ich bin selbst dabei gewesen. Bisheriges und weitere Kommuniqués des Rundfunks sind falsch. Befohlene Maßnahmen gegen den Sicherheitsdienst sind beschleunigt durchzuführen!“
19 Uhr: Remer meldet sich bei Goebbels, der den Offizier telefonisch mit Hitler verbindet. Dieser wird Hitler persönlich unterstellt und erhält den Befehl, den Putsch niederzuwerfen.
18.28 Uhr: Nun meldet sich der Großdeutsche Rundfunk zu Wort. Nach einem Attentatsversuch habe Hitler „unverzüglich seine Arbeit wieder aufgenommen“, meldet das reichsweite Sendenetzwerk.
18 Uhr: In Wien geht das erste Fernschreiben zu „Walküre“ ein. Befehl zur Festnahme der führenden NS-Parteifunktionäre sowie der höheren SS-Führer.
16.30 Uhr: Im Bendlerblock herrscht inzwischen regelrechtes Chaos. Stauffenberg begibt sich dort nun mit General Olbricht zu Generaloberst Fromm. Auf den Einwand Fromms, Keitel habe berichtet, der Führer sei gar nicht tot, erwidert Stauffenberg: „Der Feldmarschall Keitel lügt, wie immer, ich habe selbst gesehen, wie man Hitler tot hinausgetragen hat.“ Olbricht setzt Fromm darüber in Kenntnis, daß er und Stauffenberg das Stichwort für innere Unruhen an die stellvertretenden Generalkommandos gegeben haben. Fromm ist außer sich vor Wut. Nachdem er den Verschwörern seine Unterstützung entzieht, nehmen diese den Generaloberst in Schutzhaft und sperren ihn in seinem Dienstzimmer ein.
16 Uhr: Nur wenige Stunden nach dem Attentat trifft sich Hitler mit Mussolini in der „Schanze“.
15.50 Uhr: Der bisher zögerliche General Olbricht löst mit dem Stichwort „Deutschland“ die Alarmmaßnahmen nach dem „Walküre“-Plan aus. Der zum Widerstand gehörende Stadtkommandant von Berlin, Generalleutnant Paul von Hase, erteilt dem Kommandeur des Wachbataillons, Major Otto Ernst Remer, den Befehl, das Regierungsviertel abzusperren und Propagandaminister Joseph Goebbels zu verhaften. Fromm telefoniert unterdessen mit Keitel im Führerhauptquartier, um die Gerüchte über den Tod Hitlers zu überprüfen. Und erhält die Antwort: „Was soll denn los sein? Es ist alles in bester Ordnung. Der Führer ist nur unwesentlich verletzt!“ Tatsächlich erlitt Hitler nur leichte Verletzungen am Bein.
15.15 Uhr: Stauffenberg und Haeften landen in Rangsdorf bei Berlin. Haeften gibt telefonisch die Nachricht „Hitler ist tot“ an die Verschwörer in der Bendlerstraße durch. „Eine gewissenlose Clique frontfremder Parteiführer hat es unter Ausnutzung dieser Lage versucht, der schwerringenden Front in den Rücken zu fallen und die Macht zu eigennützigen Zwecken an sich zu reißen. In dieser Stunde höchster Gefahr hat die Reichsregierung zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung den militärischen Ausnahmezustand verhängt und mir zugleich mit dem Oberbefehl über die Wehrmacht die vollziehende Gewalt übertragen“, heißt es darin.
15 Uhr: Die ersten Gerüchte, das Attentat sei mißlungen, verursachen im Bendlerblock allgemeine Unruhe. General Friedrich Olbricht will den Staatsstreich einleiten, wird aber von Generaloberst Friedrich Fromm zurückgehalten. In Paris trifft die Nachricht vom Attentat auf Hitler und von der Bildung einer Regierung unter den Widerstandskämpfern Ludwig Beck und Carl Goerdeler ein. Oberbefehlshaber General Carl-Heinrich von Stülpnagel nimmt die Dinge energisch in die Hand: Um 23 Uhr soll die Führung der SS und des Sicherheitsdienstes in Paris verhaftet werden.
14 Uhr: Oberst Albrecht Ritter Mertz von Quirnheimalarmiert auf eigene Initiative die „Walküre“-Truppen in Krampnitz (Panzertruppenschule) und Döberitz (Infanterieschule). Zur gleichen Zeit erfährt der SS-Reichsführer Heinrich Himmler vom Anschlag. Aus der „Schanze“ fordert er den Chef der Reichskriminalpolizei Arthur Nebe auf, Ermittlungen einzuleiten. Anschließend erteilt er dem Gestapo-Chef Heinrich Müller den Befehl, Stauffenberg unverzüglich verhaften zu lassen.
13.15 Uhr: Nachdem Alarm ausgelöst worden ist, wird Stauffenberg an der Außenwache des Sperrkreises in der „Schanze“ festgehalten. Erst nach einem Telefonat mit der Kommandantur darf er passieren. Anschließend hebt die Maschine nach Berlin mit Stauffenberg und Haeften an Bord ab.
13.05 Uhr: Reichspropagandaminister Joseph Goebbels erfährt vom Attentat. Ob Hitler tatsächlich ums Leben gekommen ist, gilt noch als ungewiß.
12.45 Uhr: Wenige Minuten später chauffiert Leutnant Erich Kretz Stauffenberg mit seinem Adjutanten zur Torwache des Sperrkreises I. Aus dem fahrenden Wagen hat Stauffenberg den Eindruck: „Als ob eine 15-cm-Granate eingeschlagen hat! Da kann kaum noch jemand am Leben sein.“ Daß er zuvor gesehen hat, wie ein Schwerverletzter mit dem Mantel Hitlers bedeckt wurde, bestärkt ihn in seiner Hoffnung.
12.42 Uhr: Die Bombe explodiert. Der Stenograf Heinrich Berger ist sofort tot, während die übrigen 23 Personen in der Baracke verletzt werden. Drei davon, Generalleutnant Rudolf Schmundt, Oberst Heinz Brandt und General Günther Korten, erliegen im Laufe der darauffolgenden Tage bzw. Monate ihren Verletzungen.
12.35 Uhr: Die Lagebesprechung beginnt. Während General Adolf Heusinger die Offensive der Roten Armee erklärt, stellt Stauffenberg die Aktentasche unter dem Eichentisch. Allerdings kann er sie nicht direkt neben Hitler platzieren, da im Raum viel Gedränge herrscht. Dann verläßt er den Raum mit dem Vorwand, telefonieren zu müssen.
12.30 Uhr: Die Mitverschwörer – Hauptmann Ulrich-Wilhelm Graf Schwerin von Schwanenfeld, Generaloberst Erich Hoepner sowie der Vize-Oberpräsident von Schlesien Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, Oberregierungsrat Peter Graf Yorck von Wartenburg, Eugen Gerstenmaier und Marineoberstabsrichter Berthold Schenk Graf von Stauffenberg – treffen im Bendlerblock, dem Sitz des Befehlshabers des Ersatzheeres im Oberkommando des Heeres, ein.
Der 20. Juli 1944 – #Gedenken & #Mahnung#Gedenkstätte #Deutscher #Widerstand – im Bendlerblock, Stauffenbergstr., Berlin pic.twitter.com/bEGE1Ue4x7
— LuisenstadtFoto_Berlin (@BerlinImBild) July 20, 2024
12.15 Uhr: Kurz vor der Lagebesprechung bittet Stauffenberg um einen separaten Raum, um sich vor dem Treffen mit Hitler umzuziehen. Er holt dabei Haeften und nutzt die Zeit, um eine der Bomben scharfzumachen und in seiner Aktentasche zu verstecken. Bald ruft ein Offizier nach den beiden: „Herr Führer wartet!“ So bleibt Haeften mit dem zweiten Sprengsatz zurück.
11.30 Uhr: Stauffenberg meldet sich beim Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel. Hier erfährt er, daß die Lagebesprechung nicht wie üblich um 13.00 Uhr, sondern aufgrund des erwarteten Besuches des Anführers der Italienischen Sozialrepublik, Benito Mussolini, bereits um 12.30 Uhr beginnt. Zudem findet sie im sogenannten Teehaus statt, nicht im üblichen Bunker.
10.15 Uhr: Nach einem langen Flug landen Stauffenberg und Haeften auf dem Flugplatz Rastenburg-Wilhelmsdorf. Von dort aus fahren sie in die sechs Kilometer entfernte „Wolfsschanze“.
7.00 Uhr: Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg und sein Adjutant, Oberleutnant Werner von Haeften besteigen ein Kampfflugzeug vom Typ Heinkel He 111, um damit nach Ostpreußen zu fliegen, wo Hitler derzeit in seinem Hauptquartier „Wolfsschanze“ weilt.