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Bernd Zimniok, Demografie, Massenmigration

Schwarzer Tag der Luftwaffe vor 60 Jahren: Man kann sich „eines Gefühls der Überlegenheit nicht erwehren“

Schwarzer Tag der Luftwaffe vor 60 Jahren: Man kann sich „eines Gefühls der Überlegenheit nicht erwehren“

Schwarzer Tag der Luftwaffe vor 60 Jahren: Man kann sich „eines Gefühls der Überlegenheit nicht erwehren“

Düsenjäger des Typs Starfighter F-104 der deutschen Luftwaffe im Übungsflug über Kalifornien
Düsenjäger des Typs Starfighter F-104 der deutschen Luftwaffe im Übungsflug über Kalifornien
Düsenjäger des Typs Starfighter F-104 der deutschen Luftwaffe im Übungsflug über Kalifornien Foto: picture-alliance/ dpa
Schwarzer Tag der Luftwaffe vor 60 Jahren
 

Man kann sich „eines Gefühls der Überlegenheit nicht erwehren“

Am 19. Juni 1962 stürzen vier „Starfighter“ der noch jungen Bundeswehr ab. Alle Piloten kommen ums Leben. Einen Tag später hätten sie mit einem Formationsflug an der feierlichen Einführung dieses neuen Düsenjägers in die deutschen Streitkräfte teilnehmen sollen.
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Dreimal schon hatten sie alle ihre Flugmanöver geübt. Als sie am Nachmittag des 19. Juni 1962 bei guten Wetterbedingungen mit donnerndem Nachbrenner von der Startbahn des zwischen Köln und Aachen gelegenen Fliegerhorsts Nörvenich abhoben, wollten sie die Generalprobe absolvieren – für ihre Vorführung, das „Flying Display“, am nächsten Tag, bei der großen Feier des Geschwaders im Beisein des Bundesverteidigungsministers.

Wie Pfeile sahen sie aus mit ihren Stummelflügeln, und pfeilschnell schossen sie durch die Luft, die vier Maschinen des Typs Lockheed F-104 „Starfighter“. Nach dem Abheben formierten sich die Piloten des Schwarms wie vier Finger einer Hand: Leicht versetzt links und rechts hinter dem Anführer, dem „Lead“ Captain Jon Speer von der amerikanischen Air Force, die beiden Oberleutnants der Luftwaffe Heinz Frye und Bernd Kuebart, dahinter folgte Oberleutnant Wolfgang von Stürmer.

Nach einer sogenannten Faßrolle, bei der sich die Düsenjäger im Horizontalflug schraubenförmig drehten, zogen sie in einer Rechtskurve steil nach oben. Dabei flogen sie in die auf etwa 600 Meter Höhe beginnenden Wolken und waren für einige Augenblicke nicht mehr zu sehen. Als sie im steilen Abwärtsflug wieder auftauchten, um zu einer Kehre anzusetzen, waren sie offenbar zu schnell und hatten eine zu hohe Sinkrate.

Getötete gehörten zur Elite in der Luftwaffe

Alle vier Starfighter stürzten im kurzen Abstand voneinander in eine Braunkohlengrube im Tagebau Berrenrath-West nordöstlich des Örtchens Türnich ab. Der Pilot der hinteren Maschine hatte offenbar noch versucht, sie abzufangen und war dadurch in einem weniger steilen Winkel auf den Boden aufgeschlagen.

Auf dem Fliegerhorst Nörvenich wartete zu diesem Zeitpunkt ein fünfter Pilot in seinem Starfighter, der nach der Viererformation eine Solovorführung darbieten sollte. Major Thomas Perfili, auch er ein amerikanischer Luftwaffen-Berater, sah die Rauchwolke in etwa acht Kilometer Entfernung. Keiner seiner vier Kameraden hatte den Schleudersitz betätigt, keiner den Absturz überlebt.

Alle tödlich verunglückten jungen Männer waren unter 30 Jahre alt. Captain Speer aus Los Angeles, Vater von drei Kindern, war 29. Er hatte über 1.800 Flugstunden auf der F-104 absolviert.  Seine deutschen Kameraden waren die erfahrensten jungen Flugzeugführer der Luftwaffe. Der 27jährige Oberleutnant Heinz Frye war Fluglehrer bei der Waffenschule der Luftwaffe 10. Dort diente als Staffelkapitän der 2. Staffel auch Oberleutnant Bernd Kuebart, Oberleutnant Wolfgang von Stürmer war Fluglehrer in der 3. Staffel der Waffenschule. Er gehörte mit Kuebart zu den ersten sechs Piloten der Bundeswehr, die 1960 im kalifornischen Palmdale auf das neue Flugzeugmuster umgeschult worden waren (gemeinsam mit Günther Rall, dem dritterfolgreichsten deutschen Jagdflieger des Zweiten Weltkriegs und späteren deutschen militärischen Vertreter bei der Nato).

Die abgestürzten Maschinen waren zweisitzige Trainerversionen (F-104F), die als Schulflugzeug erworben worden war. Sie waren unter anderem wegen der fehlenden Bordkanone über 200 Kilogramm leichter als die in Deutschland eingeführte Serienversion F-104G. Bei gleicher Triebwerkleistung war die F-Version daher der schnellste Starfighter.

In den Wolken die Orientierung verloren

Was genau zu der Katastrophe führte, ist offiziell nie veröffentlicht worden. Als Absturzursache gilt menschliches Versagen. Hatten sich, wie es in den ersten Presseberichten danach hieß, wirklich die Flugzeuge in der Luft berührt? „Go away!“ soll Captain Speer in sein Funkgerät gerufen haben. Und dann „My God!“ Man nimmt an, daß der Formationsführer in der Wolke kurz die Orientierung verlor und überdrehte, so daß die Maschinen in einen sogenannten High-Speed-Stall gerieten, also einen Strömungsabriß, den die Piloten nicht mehr korrigieren konnten.

Einige Soldaten des Geschwaders waren bei der Generalprobe schon im Großen Dienstanzug für den Vorbeiflug der Formation auf dem Fliegerhorst angetreten. Als die Düsenjäger nicht kamen, sondern die Rauchsäule in der Ferne aufstieg, mußten sie wieder ihren Kampfanzug anziehen und wurden zum Aufräumen an die Absturzstelle gefahren. Schrecklich sei es gewesen, so ein Zeitzeuge später; lauter Krater mit verbrannten Trümmerteilen.

Die Feier am nächsten Tag – zum fünfjährigen Bestehen des Jagdbombergeschwaders 31 „Boelcke“ und zur Einführung des Starfighters in dieser Einheit – mußte abgesagt werden. Statt einer Fest- mußte Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) eine Trauerrede halten.

Nur zwei Monate vorher hatte der Politiker dem nun tödlich verunglückten amerikanischen Fliegerhauptmann Speer eine goldene Uhr als Geschenk überreichen lassen: zum Dank und zur Anerkennung für dessen fliegerische Meisterleistung, mit der er einen durch Blitzschlag schwer beschädigten Starfighter sicher hatte landen können.

Seitdem ist Kunstflug verboten

Außer Minister Strauß, der die jungen Offiziere würdigte, sie seien mitten im Frieden für die Freiheit der westlichen Welt gestorben, sprachen noch Luftwaffeninspekteur Josef Kammhuber und zwei Militärgeistliche. Ein Musikzug spielte „Ich hatt’ einen Kameraden“, dann überflogen sieben Starfighter den Fliegerhorst Nörvenich. Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) sandte ein Beileidstelegramm. Das Verteidigungsministerium war sichtlich bemüht, das Ganze als Unfall im normalen Flugbetrieb herunterzuspielen. Auf jeden Fall sollte der Eindruck vermieden werden, es habe sich um Kunstflug gehandelt.

Der amerikanische Major Thomas Perfili, der als Soloflieger auf der Startbahn wartend vom Unglück seiner vier Kameraden erfahren mußte, stürzte zwei Jahre später, 1964, während einer Flugvorführung mit einem Starfighter des Jagdgeschwaders 71 „Richthofen“ bei Bremerhaven ab und starb. Insgesamt verlor die Luftwaffe 292 der als „Witwenmacher“ verschrieenen Starfighter. 116 Piloten fanden dabei den Tod. Die F-104 blieb bis 1987 im Dienst.

Die Zeitschrift Die deutschen Luftstreitkräfte im Einsatz hat kürzlich ein bei Recherchen entdecktes, undatiertes Manuskript veröffentlicht. Darin schildert Oberleutnant Bernd Kuebart die Eigenschaften und Besonderheiten der F-104. Wer vorher andere Muster geflogen sei, müsse sich erheblich umstellen. Und der Fluglehrer schwärmt: „Jeder Kondensstreifen, der sich am Himmel blicken läßt, kann in kürzester Zeit angeflogen werden.“

Und wenn man bei doppelter Schallgeschwindigkeit einen älteren Flugzeugtypen locker einhole, der mit Mühe zu entkommen versuche, „kann man sich eines Gefühls der Überlegenheit kaum erwehren“. Nicht umsonst nannten die Amerikaner den Starfighter kurz „the Fighter’s Dream“, schloß Kuebart seinen Bericht. Nicht ohne zuvor zu erwähnen, was dem Autor später, am 19. Juni 1962, dem „schwarzen Tag der Luftwaffe“, zum Verhängnis werden sollte: daß das sensible Waffensystem keine Fehler bei der fliegerischen Handhabung verzeihe …

Die wahrscheinlich langfristigste Folge dieses schrecklichen Unfalls: Bis heute ist Kunstflug in der deutschen Luftwaffe verboten. Die Bundeswehr hat keine Formation wie die „Red Arrows“ der britischen Royal Air Force, die „Patrouille de France“, die italienische „Frecce Tricolori“ oder die „Blue Angels“ der Amerikaner.

 

Düsenjäger des Typs Starfighter F-104 der deutschen Luftwaffe im Übungsflug über Kalifornien Foto: picture-alliance/ dpa
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