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Joachim von Hassel: Unter keinem guten Stern

Joachim von Hassel: Unter keinem guten Stern

Joachim von Hassel: Unter keinem guten Stern

Starfighter
Starfighter
Trümmer eines 1984 abgestürzten Starfighters im Kreis Schleswig-Flensburg Foto: picture alliance/dpa
Joachim von Hassel
 

Unter keinem guten Stern

Vor 50 Jahren stürzte Oberleutnant Joachim von Hassel vom Marinefliegergeschwader 2 mit seinem Starfighter ab. Der Sohn des Bundestagspräsidenten und früheren Verteidigungsministers war nicht das erste und nicht das letzte Opfer, den der 1960 in der Bundeswehr eingeführte Düsenjäger forderte. Denn die „Rakete mit Sitz“ verzieh nicht den kleinsten Pilotenfehler. Von Christian Vollradt.
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Die drei Düsenjäger befanden sich auf dem Rückflug zu ihrem Fliegerhorst im schleswig-holsteinischen Eggebek, unweit von Flensburg. Gerade hatten sie ihre Mission erfüllt: Einmal Dänemark umrunden und den Luftkampf üben, im Tiefflug, etwa 850 Stundenkilometer schnell. Einer der drei Piloten simulierte dabei den Angriff auf seine beiden Kameraden.

Während die Starfighter des Marinefliegergeschwaders 2 („Die Luft über See gehört dem MFG!“) an diesem 10. März 1970 nachmittags bei diesigem Wetter zur Basis zurückkehrten, bemerkte der Schwarmführer, daß das Seitenruder Probleme macht. Sein Flügelmann setzte sich hinter ihn und bestätigte per Funk, das Leitwerk des Vorausfliegenden schlage jeweils einige Zentimeter in beide Richtungen aus.

Also setzte der Schwarmführer als erster zum Landeanflug an, zur Sicherheit blieb sein Kamerad etwas hinter ihm; und als die Maschine mit dem technischen Problem wohlbehalten in Eggebek aufgesetzt hatte, startete der Flügelmann durch, um noch eine Runde zu drehen und seine einstrahlige RF 104 G – das R steht für die Aufklärerversion (Reconnaissance) – etwas später auf dem Fliegerhorst zu landen.

Probleme am Triebwerk

Joachim von Hassel 1965 während seiner Ausbildung zum Düsenjet-Piloten in der USA 1965 Foto: picture alliance/dpa – Bildarchiv

Doch die Kameraden in der Staffel warteten vergeblich auf seine Rückkehr. Die Maschine mit dem taktischen Kennzeichen 21+28 stürzte ab und zerschellte in einem Waldstück bei Obdrup, südöstlich von Flensburg. Der Pilot, noch keine 30 Jahre alt, war sofort tot. Er hinterließ seine junge Ehefrau und zwei kleine Kinder. „Räumliche Desorientierung während des bodengestützten Instrumentenanflugs“ wird später offiziell als Absturzursache angegeben. In einem geheimen Gutachten heißt es, der Flugzeugführer habe möglicherweise einen Schwächeanfall aufgrund von Unterzuckerung erlitten.

Das allein wäre, so hart es klingen mag, noch keiner besonderen Erwähnung wert. Schon 56 andere Piloten waren zuvor durch Unfälle mit dem „Sternenkrieger“ ums Leben gekommen. Bereits seine Einführung in der Bundesrepublik 1962 stand unter keinem guten Stern, als eine Formation aus vier Maschinen des Typs bei einer Kunstflugübung kollidierten und alle Besatzungen starben.

Doch der an diesem 10. März vor 50 Jahren getötete Oberleutnant zur See heißt Joachim von Hassel und ist der Sohn des – protokollarisch – zweiten Mannes im Staat, des Bundestagspräsidenten Kai-Uwe von Hassel (1913–1997). Der CDU-Politiker aus Schleswig-Holstein war eine Legislaturperiode zuvor unter Kanzler Ludwig Erhard Verteidigungsminister; amtierte somit, als die „Starfighter-Affäre“ ihren Höhepunkt erreichte.

Probleme am Triebwerk ließen die Maschinen unvermittelt absacken, tragischerweise erwiesen sich sogar die Schleudersitze häufig als tödliche Falle. Das Lockheed-Flugzeug mit seinen Stummelflügeln, eine „Rakete mit Sitz“, brach zwar als erstes Rekorde in Geschwindigkeit wie bei der Steigrate, doch es verzieh nicht den kleinsten Pilotenfehler.

„Mit gewissen Verlusten ist zu rechnen“

Vor allem aber stellte sich heraus, daß die Bundesrepublik zu schnell zu viele Maschinen geordert und für zu viele verschiedene Aufgaben (Jäger, Aufklärer, Jagdbomber und zur Bekämpfung von Seezielen) vorgesehen hatte. Es fehlte häufig an den notwendigen Hangars und Wartungseinrichtungen; sowohl Mechaniker als auch Flugzeugführer mußten in zu kurzer Zeit ausgebildet oder umgeschult werden.

Die ob der hohen Absturz- und Opferzahlen aufgeschreckte sowie empörte Öffentlichkeit verlangte nicht nur, daß die Mißstände abgestellt werden, sondern suchte auch nach einem Schuldigen. Den meinte die SPD-Opposition im Verteidigungsminister von Hassel gefunden zu haben. Doch der wehrte die Attacken auf sich und sein Amt ab.

Trotz des häufig lähmenden Gegeneinanders von Wehrbürokratie und Militär, gab der Minister dem von ihm neu berufenen Luftwaffeninspekteur Johannes Steinhoff – selbst ein äußerlich schwer von seinem Unfall mit einem Düsenjäger am Ende der Krieges gezeichneter Ex-Pilot – die notwendigen Vollmachten und unterstellt ihm den „Systembeauftragten für das Waffensystem F 104“ direkt.

Politisch hatte die Bundesregierung die Krise dank solcher Entscheidungen glimpflich lösen können. Doch die nüchternen Worte des Verteidigungsministers von Hassel im Bundestag 1966 sollten sich für ihn als Vater keine vier Jahre später mit dem Fliegertod seines Sohnes schicksalhaft bewahrheiten: „Jede Luftwaffe der Welt muß bereits im Frieden mit einer gewissen Verlustrate rechnen. Unfälle werden sich nicht verhindern lassen.“

Fast 300 Starfighter – und damit etwa ein Drittel sämtlicher deutscher Maschinen dieses Typs – verlieren Luftwaffe und Marine insgesamt durch Unfälle, bis sie 1991 endgültig ausgemustert werden. 116 Piloten kamen dabei ums Leben. 56 vor und 59 nach Joachim von Hassel.

Trümmer eines 1984 abgestürzten Starfighters im Kreis Schleswig-Flensburg Foto: picture alliance/dpa
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