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„Operation Uranus“: Schukows List

„Operation Uranus“: Schukows List

„Operation Uranus“: Schukows List

Straßenkämpfe in Rostow am Don – bald schon sollte "Operation Uranus" die Wehrmacht in den Kessel von Stalingrad treiben
Straßenkämpfe in Rostow am Don – bald schon sollte "Operation Uranus" die Wehrmacht in den Kessel von Stalingrad treiben
Straßenkämpfe in Rostow am Don – bald schon sollte „Operation Uranus“ die Wehrmacht in den Kessel von Stalingrad treiben Foto: picture-alliance / akg-images | akg-images
„Operation Uranus“
 

Schukows List

Nicht nur überlegene Stärke, vor allem ein Strategiewechsel ermöglichte den sowjetischen Erfolg 1942. Vor allem ein Täuschungsmanöver des sowjetischen Generals Schukow trieben die deutsche Truppenverbände in den verhängnisvollen Kessel von Stalingrad.
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Cato, Weidel, Exklusiv

Diesmal wurde der „Stählerne“ weich. Die dramatische Lage erforderte es. Bei der Lagesitzung der Stawka, dem Hauptquartier des Kommandos des Obersten Befehlshabers, beratschlagte Stalin als Oberbefehlshaber der Roten Armee am 12. September 1942 mit seinen höchsten Offizieren, dem Chef des Generalstabs Alexander Wassilewski und seinem Stellvertretenden Oberbefehlshaber Georgi Schukow, die weitere Strategie gegen die siegreich vordringende Wehrmacht.

Diese hatte im August nach ihrem Sieg in der Kesselschlacht von Kalatsch gegen verbissen kämpfende Sowjets über den Don setzen können und stand nun im Begriff, Stalingrad einzunehmen und damit die Kontrolle über den wichtigen sowjetischen Nachschubweg, vor allem von Öl über die untere Wolga zu bekommen.

Wie in unzähligen Krisensitzungen zuvor einigte man sich zuerst auf die übliche Strategie: gestützt auf die quantitative Überlegenheit der Roten Armee hartnäckigen Widerstand leisten und die Deutschen immer wieder mit Gegenangriffen zermürben. Das paßte so recht ins Konzept Stalins, der seit Beginn des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion im Juni 1941 gern auf Masse setzte.

Fanatische Politkommissare dezimierten die Rote Armee

Immerhin hatte die Rote Armee zu Beginn des „Unternehmens Barbarossa“ bei etwa gleicher Anzahl von Soldaten mit der Wehrmacht und deren verbündete Italiener, Rumänen, Ungarn oder Finnen den Vorteil auf ihrer Seite: dreimal soviel Panzer, die den deutschen in der Regel sogar überlegen waren, dreimal soviel Flugzeuge und darüber hinaus vier- bis fünfmal soviel Artillerie. Vorangetrieben wurde die unerbittliche Vorneverteidigungstaktik in der Truppe von meist militärisch ahnungslosen, aber dafür um so fanatischeren Politkommissaren, die jeden Armeebefehl abzusegnen hatten und bei Zurückweichen oder Ausweichen schnell mit Massenexekutionen reagierten, die auch vor hohen Offizieren nicht haltmachte.

Als brutalster und rücksichtslosester dieser Politkommissare kann wohl Lew Mechlis gelten, der sogar das Ausheben von Schützengräben untersagte, „um den Offensivgeist der Truppen nicht zu lähmen“ und auf dessen Konto allein im ersten Kriegsjahr über 150.000 Erschießungen von „Deserteuren und Feiglingen“ in der eigenen Armee ging.

Der verzweifelte Stalin ließ nun andere Lösungen zu

Das absurde an diesem auf Kadavergehorsam ruhenden Konzept war auch: es funktionierte nicht. Zwar mußten die Deutschen bis dahin ungewohnt hohe Verluste in Kauf nehmen, die eigenen waren dafür aber katastrophal. Allein 1941 war ein Drittel der Roten Armee gefangengenommen worden oder gefallen. Die Materialverluste konnte selbst die 1942 auf Hochtouren laufende Kriegsproduktion – allein in diesem Jahr produzierte die Sowjetunion mit 25.000 Panzern fünfmal soviel wie das Deutsche Reich – nicht auffangen.

Dem strategisch überlegenen deutschen Generalstab, der zudem in der Truppe auf die bei den Deutschen eintrainierte geschmeidige Auftragstaktik vertrauen konnte, kam das starre und berechenbare Handeln der Russen sogar entgegen. Nur 1941 vor Moskau klappte die sowjetische Strategie, aber daran hatte wohl „General Winter“ mit minus 40 Grad den entscheidenderen Anteil.

Das schwante mittlerweile selbst Stalin, als die Stawka-Sitzung am 12. September zum gewohnten Ergebnis kam. Deshalb stutzte er, als seine Generale sich noch etwas von einer anderen Lösung zuraunten. Er ließ sich diese erklären, und endlich gab der Verzweifelte seinem Chefstrategen grünes Licht. Schon in der folgenden Woche konnte Schukow konkrete Pläne vorstellen. Bisher hatte sich dieser mit seinen Ideen einer beweglichen Kriegführung, mit welcher der Panzerstratege schon im Sommer 1939 im fernen Osten gegen die Japaner Erfolg hatte (Schlacht am Chalchin Gol), eher bedeckt gehalten.

Als einer der wenigen fähigen hohen Offiziere, der Stalins blutige „Säuberungen“ in der Generalität 1938 überstehen konnte, wagte Schukow kaum Widerspruch gegen den Diktator. Die hilflose Lage Stalins, der unter keinen Umständen das wichtige, seinen Namen tragende Industriezentrum an der Wolga verlieren wollte, ließ ihn nun aber zur Entfaltung kommen, Stalin sagte ihm sogar alle notwendigen militärischen Mittel zu.

Schukow trotzt Stalin Zugeständnisse ab

Innerhalb der folgenden fünf Wochen zog er über 900.000 Soldaten, Tausende Panzer und Flugzeuge zusammen, die durch die nur schwach mit rumänischer Infanterie gesicherte Flanke zwischen Woronesch am Don und Stalingrad etwa 300 Kilometer nach Süden vorstoßen und mit den aus der Kalmückensteppe nach Westen vordringenden Divisionen zusammentreffen sollten. Schukow gelang es sogar, Stalin etwas Fundamentales abzutrotzen. Damit übereifrige Fanatiker das Unternehmen nicht durch Eigenmächtigkeiten störten, wurde ab Mitte Oktober allen Politkommissaren die Vollmacht entzogen, in die Befehlsgewalt der Militärs einzugreifen.

Die seit Mitte September in Stalingrad kämpfende deutsche 6. Armee (General Friedrich Paulus) und 4. Panzerarmee (General Hermann Hoth) wähnte sich derweil der gewohnt zähen Verteidigungstaktik gegenüber. Und in der Tat erfüllten die unter dem Befehl Wassili Tschuikows stehenden Einheiten, die mit dem Rücken zur Wolga zuletzt im Häuserkampf um jeden Block kämpften, die Rolle eines Köders, der die Sowjets den Blutzoll von etwa 400.000 Opfern kosten sollte. Am 8. November 1942, als Hitler im Münchner Löwenbräukeller vor alten Parteigenossen spricht, verkündet er bereits den strategischen Sieg: „Es kommt kein Schiff mehr die Wolga hoch.“ Für die endgültige Eroberung spiele daher Zeit keine Rolle, der Feind behaupte ohnehin „nur noch ein paar ganz kleine Plätzchen“.

Gehlen fällt auf Ablenkungsmanöver herein

Da Schukow die strenge Geheimhaltung der vorbereiteten Einkesselung Stalingrads („Operation Uranus“) nicht bereits durch sein persönliches Mitwirken gefährden will, gibt der alte Fuchs sogar das Kommando an die Generale Andrej Jeremenko und Konstantin Rokossowski ab. Die Abläufe im Süden immer im Blick behaltend, reißt Schukow die Planung der gleichzeitig zur Stalingradoffensive angesetzten „Operation Mars“ an sich, die nördlich von Moskau schlagkräftige Wehrmachtseinheiten binden soll.

Und tatsächlich geht diese Finte auf. Insbesondere die Abwehr unter Reinhard Gehlen ist geradezu fixiert auf Schukow, der als versiertester Stratege der Roten Armee eingeschätzt wird. Selbst als Hitler Anfang November in der Wolfsschanze bei einer Lagebesprechung auf die bedrohlich schwach besetzte nördliche Flanke bei Stalingrad hinweist, tut Gehlen den Hinweis damit ab, daß Schukow im Raum Moskau „etwas Größeres im Schilde“ führe.

Als am 19. November die sowjetische „Operation Uranus“ beginnt und bereits drei Tage später die Einkesselung von 270.000 deutschen Soldaten vollendet, ist das Entsetzen groß. Wie General Walter Warlimont den Eintrag im Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht kommentiert, sei eine russische Offensive an der Donfront „seit langem – und nicht nur vom Führer – erwartet worden“. Dennoch bedeute der Ansturm der Roten Armee „nach Zeitpunkt und Kräfteaufgebot letzten Endes doch eine höchst peinliche Überraschung“.

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Hat Ihnen dieser Geschichtsartikel gefallen? Lesen Sie auch die neue JF-Serie „Schlachtorte der Ukraine im Zweiten Weltkrieg“. Hier geht’s zur ersten Folge „Kesselschlacht bei Uman: mit den Verbündeten weiter nach Osten“.

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