Die Wikinger verbreiteten seit dem Ende des 8. Jahrhunderts an den Küsten der Nord- und Ostsee Angst und Schrecken. Schon bald nach dem Überfall auf das Kloster Lindisfarne am 8. Juni 793 auf der gleichnamigen Insel vor der Nordostküste Englands eilte ihnen ihr Ruf voraus. So betete man: „Herr, bewahre uns vor dem Wüten der Nordmänner.“ Doch auch im europäischen Binnenland waren die Menschen des Mittelalters nicht vor den Raubzügen der Skandinavier sicher.
Die zeitgenössischen Quellen berichteten von den Schrecken, die sie verbreiteten. „Inzwischen überfielen dänische Seeräuber von der Nordsee aus durch den Kanal fahrend Rouen, wüteten mit Raub, Schwert und Feuer, schickten die Stadt, die Mönche und das übrige Volk in den Tod oder in Gefangenschaft, verheerten alle Klöster, sowie alle Orte am Ufer der Seine oder ließen sie, nachdem sie sich viel Geld hatten geben lassen, in Schrecken zurück“, heißt es in den Annales Bertiniani.
Diese Erfahrung mußte auch der westfränkische König Karl der Kahle (823-877) machen, als ein Wikingerheer am 28. März 845 Paris plünderte, nachdem es zuvor seine Truppen geschlagen hatte. Es war der erste große Angriff der heidnischen Krieger auf die Hauptstadt des Westfrankenreiches, weitere sollten 856, 865 und 866 folgen. Dabei kam den Wikingern zugute, daß es Karl nicht gelang, eine effektive Verteidigungsstrategie zu entwickeln. Mit ihren Drachenschiffen fuhren sie wiederholt die Seine hinauf, raubten und verwüsteten die Klöster und Dörfer, die sie vorfanden. Wie tief sie bisweilen vordrangen, verdeutlicht ihre Plünderungstour durch den Raum Aachen 881.
Wikingerkönig oder Sagengestalt?
Die Nordmänner erkannten, welch lohnende Beute Paris ihnen bot. So beendeten sie ihren ersten Überfall auf die Seine-Metropole erst, nachdem ihnen ein Lösegeld von 7.000 Pfund Silber gezahlt wurde. Der Anführer dieses Wikingerheeres war ein König, der in lateinischen Quellen Reginheri genannt wird. Laut der Annalen von Xanten soll er noch im gleichen Jahr getötet worden sein.
Dabei könnte es sich um den berühmten dänischen Herrscher handeln, der in nordischen Überlieferungen Ragnar Lodbrok heißt. Allerdings ist seine historische Existenz unter Forschern nicht unumstritten, einige sehen in ihm nur eine literarische Vorbildfigur aus den nordischen Sagen. Angelsächsische Chronisten beschreiben ihn und seinen Sohn Ivar jedenfalls als Heldengestalten. Wie auch die TV-Serie „Vikings“, die den Berichten über Ragnar und seine Söhne noch jede Menge fiktive Elemente hinzufügte.
Nordmänner schützen den Kaiser von Byzanz
Die zeitgenössische skandinavische Dichtung zeigt, was für einen Krieger aus dem hohen Norden erstrebenswert war. „Meine Mutter sagte/ Mir gebühre ein Kriegsschiff/ Bald mit rüstigen Männern/ Raub zu holen als Wikinger. Stehen müßt ich am Steven/ Steuern kühn den Meerkiel: Heldengleich im Hafen/ Hieb ich auf die Männer.“
Die Wikinger waren für Jahrhunderte gefürchtete Räuber, die auf ihren Fahrten nicht nur Nordamerika entdeckten und wegen ihrer Kampfkraft zeitweise in der Leibgarde der byzantinischen Kaiser dienten. Sie eroberten Kiew und errichteten ein weitverzweigtes Handelsnetzwerk. Ein wichtiger Stützpunkt war die Siedlung Haithabu im heutigen Schleswig-Holstein. Doch primär ging es ihnen darum, Beute zu erringen. Die Einwohner von Paris bekamen das im 9. Jahrhundert gleich mehrmals zu spüren.