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Vor 75 Jahren: Die letzte militärische Kapitulation

Vor 75 Jahren: Die letzte militärische Kapitulation

Vor 75 Jahren: Die letzte militärische Kapitulation

Angehörige der Waffen-SS
Angehörige der Waffen-SS
Angehörige der Waffen-SS an der Ostfront Foto: Wikimedia/gemeinfrei
Vor 75 Jahren
 

Die letzte militärische Kapitulation

Am 12. Mai vor 75 Jahren ging die letzte Schlacht des Zweiten Weltkriegs in Mitteleuropa bei der Siedlung Sliwitz (Slivice) nahe der Gemeinde Milin in Mittelböhmen zu Ende. Hier lag die zwischen Amerikanern und Russen vereinbarte Demarkationslinie, die zu überschreiten das Ziel Zehntausender deutscher Soldaten war. Doch die Amerikaner wiesen die Deutschen ab.
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Sturmbannführer Kurt Nezzel sollte die Kapitulationsverhandlungen mit den Amerikanern nicht überleben. Auf einer Bahre wird der Offizier aus der Mühle von Rakowitz (Rakovice) herausgetragen. Der Offizier habe wohl Arsen genommen, notiert Müllerin M. Díková in ihrem Tagebuch. Zuvor hatte er noch seine Unterschrift unter die Kapitulationsurkunde gesetzt. Anschließend empfangen die Alliierten den zweiten deutschen Kommandeur: Generalleutnant der Waffen-SS Carl Friedrich Graf von Pückler-Burghauss, Freiherr von Groditz. Der 58jährige gebürtige Schlesier ist nicht nur Kampfkommandant sondern auch Befehlshaber Waffen-SS im Protektorat Böhmen und Mähren. Es ist der 12. Mai 1945, neun Uhr morgens.

Die letzte Schlacht des Zweiten Weltkriegs in Mitteleuropa ist gerade zu Ende gegangen. Geschlagen bei der Siedlung Sliwitz (Slivice) nahe der Gemeinde Milin in Mittelböhmen, wenige Kilometer westlich der Moldau. Hier liegt die zwischen Amerikanern und Russen vereinbarte Demarkationslinie, die zu überschreiten seit Ende April das Ziel Zehntausender deutscher Soldaten ist.

Doch seit dem 8. Mai weisen die Amerikaner die Deutschen ab. So ballen sich zwischen den Dörfern Sliwitz, Milin und Tschimelitz (Cimelice) tschechischen Quellen zufolge 70.000 Deutsche, darunter 35.000 Angehörige der Waffen-SS – deutsche Quellen sprechen von einer „großen Anzahl“ – unter dem Kommando von Pückler-Burghauss. Auf der einen Seite der Straße stehen die Amerikaner, auf der anderen die Deutschen, dazwischen tschechische Partisanen.

Unvermeidliche Kapitulation

Es sind vor allem Einheiten der Kampfgruppe „Wallenstein“, die als 44. Panzergrenadierdivision der Waffen-SS vor allem aus Angehörigen der SS-Pionier-Schule 4 Hradischko und der SS-Junkerschule Prag besteht, und gerade noch gegen den Aufstand in Prag bekämpft hat. Aber auch ungarische, slowakische, ukrainische und russische Soldaten sind auf der Flucht.

Pückler-Burghauss setzt einen Befehl der Heeresgruppe Mitte um. Deren Befehlshaber, Generalfeldmarschall Ferdinand Schörner, ist von Hitler-Nachfolger Karl Dönitz beauftragt worden, seine Divisionen unter Zurücklassung aller schweren Ausrüstung unverzüglich nach Südwesten zu den Amerikanern zu bringen. Gleiches gilt für die Heeresgruppen Ostmark und Südost. Sie sollen noch schnell „nach Hause“ gebracht werden.

Generalstabsoffizier Oberst Wilhelm Meyer-Detring, mit einem britischen Flugzeug aus Flensburg eingeflogen, überbringt Schörner am 8. Mai die schriftliche Weisung zur Kapitulation. Diese sei unvermeidlich gewesen, wird ihm erklärt, weil die Amerikaner im Weigerungsfall mit weiteren massiven Bombenangriffen auf deutsche Städte gedroht hätten.

Verhandlungen des SS-Generals scheitern

Allein Sowjetführer Josef Stalin ist es zu danken, daß man noch bis Mitternacht Truppen bewegen kann. Denn die übereilte Kapitulationsunterzeichnung in Reims ist zwar im Beisein eines sowjetischen Generals erfolgt, Stalin beharrt aber auf einem Marschall und auf einer Wiederholung der Zeremonie in Potsdam.

Pückler-Burghauss, der knapp einjährige Kampferfahrungen als Kommandeur der 15. SS-Waffen-Grenadier-Division in Lettland hat, richtet mehrere Verteidigungslinien ein. Vergeblich versuchen tschechische Partisanen und von Altsattel (Orlik nad Vitavou) nachgerückte sowjetische Einheiten am 11. und 12. Mai 1945 diese zu stürmen. Doch rund 40.000 Mann setzen sich daraufhin westlich in Richtung Blatna ab.

Die Verhandlungen des SS-Generals in der Nacht zum 10. Mai mit General Hodge von der 4. US-Panzerdivision (General Patton) scheitern. Hodge weigert sich, die Kapitiulation allein gegenüber den US-Truppen anzunehmen und unterstützt am Nachmittag des 11. Mai einen mit schwerem Artillerie- und Raketenbeschuß eingeleiteten sowjetischen Angriff. Truppen der 1., 2. und 4. ukrainischen Front greifen die deutschen Stellungen an. Als Pückler-Burghauss dazu noch die Nachricht erreicht, daß die Reste der Heeresgruppe Mitte, immerhin 860.000 Mann, die Waffen gegenüber den Sowjets gestreckt haben, gibt auch er auf.

Zahl der Opfer unbekannt

Um die Kapitulation der noch 30.000 Deutschen entgegenzunehmen, haben sich der Kommandeurs der 104. sowjetischen Schützendivision, Gardegeneral Sergej Serjogin, Oberstleutnant Ben Allison von der 4. US-Panzerdivision, der Kommissar der Partisanenabteilung Brdy, Václav Pokorný und als Dolmetscher Václav Norbert Graf Kinský in der Rakowitzer Mühle versammelt.

Am Morgen des 12. Mai erfahren die Soldaten, daß sie in sowjetische Kriegsgefangenschaft gehen, was nach tschechischen Angaben eine Selbstmordwelle auslöst. Deutsche Quellen sprechen von Massakern an sich Ergebenden durch tschechische Partisanen. Diese machen anschließend Jagd auf in die Wälder des Truppenübungsplatzes Kammland geflüchteten Soldaten und Zivilisten, die fast ausnahmslos umgebracht werden. Die Zahl der Opfer ist unbekannt.

Pückler-Burghauss, den tschechische Zeitzeugen als einen „Riesen, der wie eine Bulldogge ausgesehen hat, mit unverfrorenem und unnachgiebigem Anblick“ beschreiben, erschießt sich. Nahe dieser Stelle steht heute eine Gedenktafel: „In Anwesenheit amerikanischer, sowjetischer und deutscher Militärvertreter wurde hier am 12. Mai 1945 die letzte militärische Kapitulation des Zweiten Weltkriegs in Europa unterzeichnet.“

Angehörige der Waffen-SS an der Ostfront Foto: Wikimedia/gemeinfrei
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