Daß „General Winter“ schon manchen Eroberungsplan zunichte machte, mußte nicht erst Napoleon vor Moskau erfahren. Der bevorstehende Wintereinbruch zwang am 14. Oktober 1529 die Türken die Belagerung Wiens abzubrechen. Hinzu kamen massive Versorgungsprobleme aufgrund aufgeweichter Nachschubwege, die die Truppen des osmanischen Sultans Süleyman I. zum Rückzug bewegten. Damit endete vor 490 Jahren die Bedrohung der Donaumetropole, die von einer zahlenmäßig weit unterlegenen Verteidigerschar gehalten worden war.
Rund zweieinhalb Wochen zuvor war das osmanische Heer vor den Toren der Stadt aufgetaucht. Der Troß umfaßte insgesamt rund 150.000 Mann, davon waren 100.000 Kämpfer. Die rund 20.000 Janitscharen stellten die Eliteeinheiten. Ihnen gegenüber standen nur etwa 17.000 Verteidiger, bestehend aus einigen Hundertschaften Milizionären, Söldnern und Landsknechten. Zur Unterstützung anrückende Reichstruppen, immerhin 1.600 Reiter, erreichten die eingeschlossene Stadt zu spät und griffen nicht in die Kämpfe ein.
Zuvor war der Großteil der eigentlich 3.500 Mann starken Stadtmiliz mit vielen Einwohnern Wiens geflohen. Das sollte sich als fataler Fehler erweisen. Denn sie fielen der türkischen Vorhut in die Hände. Die zog bereits mordend, vergewaltigend und plündernd durch das Land.
Ein unterirdischer Tunnelkampf entbrennt
Sultan Süleymann, genannt der Prächtige, ließ die Stadt sogleich mit 300 leichten Kanonen unter Feuer nehmen. Doch dabei handelte es sich nur um ein Ablenkungsmanöver. Denn die Stadtmauern zum Einsturz bringen sollten unterirdisch gezündete Minen. Daher gruben sich osmanische Mineure in Stollen unter die Verteidigungsanlagen.
Durch einen christlichen Überläufer aus dem Troß Süleymanns erfuhren die Wiener Verteidiger um Pfalzgraf Philipp den Streitbaren von dem Plan. Nun begann ein unterirdischer Tunnelkrieg. Tiroler Bergleute, die sich in der Stadt aufhielten, gruben sich ihrerseits den Angreifern entgegen. Trafen sie auf die feindlichen Mineure, entbrannten in den engen Tunneln Kämpfe auf engstem Raum. Dabei setzten sich die Bergleute wegen ihrer besseren Panzerung durch.
Dennoch gelang es Angreifern mehrere Minen zur Detonation zu bringen, wodurch Teile der Mauern einstürzten. Den anstürmenden Osmanen warfen sich die Landsknechte mit ihren Lanzen und Arkebusen, den ersten Vorderladergewehren, entgegen, und hielten die Stellung. Bei dem größten Sturmangriff am 12. Oktober verloren allein 1.200 Janitscharen ihr Leben an den Mauern Wiens.
Verwüstung des Umlands rächt sich
Der Unmut im Heerlager der Türken wuchs. Aufgrund des sich abzeichnenden Wintereinbruchs entschloß sich Süleymann zu einem finalen Angriff. Doch wie zuvor schlugen die christlichen Truppen den Angriff auf die Hauptstadt der Habsburger Erblande zurück.
In dieser Situation rächte sich das Vorgehen der Osmanen bei ihrem Vormarsch. Ihre leichte Reiterei, die Akinci, hatten das Wiener Umland und die Regionen auf dem Weg über den Balkan geplündert und verwüstet. So fehlte den Belagerern nun die Möglichkeit, sich weiter zu verpflegen. Süleymann blieb nichts anderes übrig, als seine Armee wieder Richtung Konstantinopel zu führen. Schätzungsweise rund 20.000 seiner Soldaten blieben tot auf dem Schlachtfeld zurück.
In Europa wurde das Ende der Belagerung mit großer Erleichterung aufgenommen. Wien stellte mit seiner Lage das Tor nach Mitteleuropa dar. Zugleich war der Nimbus der scheinbar unbesiegbaren Osmanen gebrochen. Zwar bemühten sich zeitgenössische osmanische Geschichtsschreiber noch um eine Umdeutung der Ereignisse, wonach ihr Sultan die Wiener Vorstadt erobert habe, doch stellte das nur den Versuch dar, die Niederlage zu beschönigen. Für die Lande der Habsburger und das Heilige Römische Reich deutscher Nation bedeutete der Sieg den Beginn einer Ruhephase von über 150 Jahren, bis 1683 erneut ein Türkenheer Wien belagerte.