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13. Februar: Dresden duckt sich

13. Februar: Dresden duckt sich

13. Februar: Dresden duckt sich

Aktion „Wieder setzen“
Aktion „Wieder setzen“
Politiker und Gewerkschaftler vor dem Thüringer Landtag werben für die Aktion „Wieder setzen“: Deutsche Opfer werden gnadenlos funktionalisiert Foto: picture alliance / dpa
13. Februar
 

Dresden duckt sich

Am Jahrestag der Bombardierung zeigt sich die Politik unfähig, zu trauern. Deutsche Opfer werden gnadenlos funktionalisiert und einer selbstzerstörerischen Staats- und Geschichtsideologie dienstbar gemacht. Ein Kommentar von Thorsten Hinz
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Cato, Palmer, Exklusiv

Auch in diesem Jahr werden Teile Dresdens am 13. Februar zur Kampf- und Agitationszone. Am Jahrestag des Bombardements erwartet Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) von den Einwohnern „ein kraftvolles Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Extremismus“. Auf Hunderten Plakaten und beleuchteten Schaukästen, mit Tausenden Klappkarten und unter Einsatz des Fahrgastfernsehens der Verkehrsbetriebe wird für eine Menschenkette rund um die Innenstadt geworben.

Von Springers Bild bis zum früheren SED-Zentralorgan Neues Deutschland wird frohlockt: „Dresden läuft sich warm für Protest gegen Nazis am 13. Februar“. Die Antifa-Szene macht mobil, und die Polizei rechnet mit einem „spannenden Einsatz“. Ein „Forum 13. Februar“ sorgt mit Veranstaltungen wie „Vergessene Schuld – Der Holocaust und das Fortleben jüdischen Eigentums in deutschen Haushalten“ für die erwünschte Einstimmung.

Deutsche Opfer werden gnadenlos funktionalisiert

Im Großen Garten, wo viele Bombenopfer umkamen, will ein Meditations-Künstler mit einer Massenmeditation „eine positive Grundstimmung in der Stadt heraufbeschwören“. Das Bündnis „Dresden nazifrei!“, das in den vergangenen Jahren für gewalttätige Blockaden sorgte, hat zum „Mahngang Täterspuren“ aufgerufen. Während Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) von einer „verbesserten Art des Miteinanders“ spricht, freut das Neue Deutschland sich darüber, „daß die Stadt zunehmend auch offensive Protestformen akzeptiert“. Der Staat, um seinem Geschichtsbild die Alleinherrschaft zu sichern, geht ein Bündnis mit militanten Rechtsbrechern ein. Das spielt sich ab unter dem Motto „Mit Mut, Respekt und Toleranz“. Die evangelische Amtskirche will keineswegs abseits stehen und stellt ihre Posaunenbläser als Kampfreserve „gegen Rechts“ zur Verfügung. Als Anlaß und Sinnstifter des Aktionismus dient eine Kundgebung, die von Angehörigen der äußersten rechten Szene angemeldet wurde.

69 Jahre nach dem Bombardement und 24 Jahre nach dem Mauerfall scheint ein Gedenken, das sich ohne Voreingenommenheit den Toten, der Zerstörung der Stadt und den eigenen Verlusten widmet, unmöglicher denn je. Deutsche Opfer werden gnadenlos funktionalisiert und einer selbstzerstörerischen Staats- und Geschichtsideologie dienstbar gemacht. Dresden ist dafür nur ein – zwar herausragendes – Beispiel unter vielen.

Versuch zur Festigung der geistigen Westbindung

In jedem kollektiven Totengedenken spiegeln sich stets auch aktuelle Absichten und Zwecke wider. Das Singuläre der bundesdeutschen Gedenkpolitik liegt darin, daß sie die eigenen Opfer zur Selbstanklage und als Wurfgeschosse gegen das nationale Kollektiv verwendet und ihre Opfereigenschaft zum Verschwinden bringen will.

Zerstörtes Dresden: „Die Unfähigkeit zu trauern“ Foto: Wikipedia / Bundesarchiv
Zerstörtes Dresden: „Die Unfähigkeit zu trauern“ Foto: Wikipedia / Bundesarchiv

Auf der offiziellen Internetseite der Stadt ist zu lesen: „Vor dem Hintergrund des hohen kulturellen Wertes der Stadt wurden die militärische Bedeutung Dresdens geleugnet, die Zahl der getöteten Menschen vervielfacht und die Luftangriffe als Anklage gegen die Alliierten positioniert.“ Die Anklagewirkung ergibt sich jedoch bereits aus Planung, Ausführung und Umfang des luftgestützten Massenmordes, da mußte und muß nichts „positioniert“ werden. Der Hinweis auf die „militärische Bedeutung“ der Stadt – im Februar 1945 – kann da nur als ein Versuch zur Festigung der geistigen Westbindung gelesen werden.

Wirtschaftlicher Aufstieg als Nachwirkung unaufgearbeiteter NS-Verzückung?

1967 erschien das Buch „Die Unfähigkeit zu trauern“ von Margarete und Alexander Mitscherlich. Die Verfasser konstatierten zutreffend, daß die Deutschen nach ihrer „nationalen Katastrophe größten Ausmaßes“ zu keinen „Trauerreaktionen“ gefunden und alle ihre Energien in das Wirtschaftswunder investiert hätten. Sie erklärten das aus dem Bemühen, fällige Schuld- und Schamgefühle abzuwehren und die narzißtische Kränkung, die der „Verlust des Führers“ angeblich für die Deutschen bedeutete, zu verdrängen. Die Pointe bestand schließlich darin, daß mit den unbetrauerten Opfern keine deutschen, sondern die Toten der anderen Nationen gemeint waren.

Den unreflektierten Hintergrund ihrer Kritik bildete das germanozentrierte Propagandabild, welches den Hausherrn der Berliner Reichskanzlei zum alleinigen Beweger der neueren Weltpolitik erklärte. Weiterhin ließen sie unberücksichtigt, daß Deutschland nach 1945 unter Kuratel stand und sich Kollektivschuldzuschreibungen ausgesetzt sah, welche die nationale Kohärenz in Frage stellten. Unter den bestehenden Machtverhältnissen konnten die Gegenenergien sich gar nicht anders als im Wiederaufbau und im wirtschaftlichem Leistungsnachweis entladen. Es war eine defensive, der schieren Selbstbehauptung dienende Reaktion, die tragischerweise in der Politik und im geistigen Leben keine Entsprechung fand. Ganz im Gegenteil. Auch das Buch der Mitscherlichs trug dazu bei, die Abwehrreaktion zu unterminieren, indem es den wirtschaftlichen Aufstieg als eine Nachwirkung unaufgearbeiteter NS-Verzückung denunzierte.

Ironischerweise erwiesen der Kalte Krieg und die deutsch-deutsche Systemkonkurrenz sich auf dem Weg in die Selbstzerstörung als Katechon, als Aufhalter. Daraus ergibt sich die Sonderrolle, die Dresden in der Gedenkpolitik bis heute spielt. Das Bombardement vom 13. Februar 1945 wurde in der DDR als ein Verbrechen herausgestellt, für das Faschisten und angelsächsische Imperialisten gleichermaßen Verantwortung trugen. Das war ebenfalls ein Propagandakonstrukt, das aber einen Raum schuf, wo Deutsche nicht gezwungen waren, den erlittenen Schmerz nicht als Vorwurf gegen sich selbst zu richten. Seit 1989 wird intensiv daran gearbeitet, diesen Raum zu schließen.

JF 08/14

Politiker und Gewerkschaftler vor dem Thüringer Landtag werben für die Aktion „Wieder setzen“: Deutsche Opfer werden gnadenlos funktionalisiert Foto: picture alliance / dpa
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