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Stalin und die Rückkehr deutscher Ostprovinzen

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Mit seinem Beitrag in der rechts-konservativen Rzeczpospolita im März dieses Jahres ist der „ewige Provokateur“ Bogdan Musial (JF 14/08) seinem Ruf wieder einmal gerecht geworden. Doch anders als gegen die Fälschungen in Reemtsmas Wehrmachts-Show, bei der der erfolgreiche Revisionist mit archivarischer Kärrner­arbeit falsche Zuordnungen von Bild und Text entlarvte, hat Musial diesmal nicht durch atemberaubende Quellenfunde, sondern durch weniger originelle historische Interpretationen die Debatte angeregt. Der frühere Spiegel-Redakteur Fritjof Meyer, der 2002 erstmals von sich reden machte, als er, seine außenpolitischen Pfade verlassend, sich ausgerechnet dem zeitgeschichtlichen „heißen Eisen“ der Opferzahlen von Auschwitz widmete (Osteuropa, 5/02), deutet Musials Beitrag sogar als Beginn eines neuen polnischen Historikerstreits. Gegenstand ist die östlich von Oder und Neiße gern so bezeichnete „Westverschiebung“, womit die Grenzverlagerung nach 1945 an ebendiese Flüsse gemeint ist, für die über zehn Millionen Ostdeutsche aus ihrer jahrhundertealten Heimat in Pommern, Ostbrandenburg, Schlesien, West- und Ostpreußen vertrieben wurden. Dabei wärmt Musial die These auf, nach der Polen selbst bei der Vergrößerung seines Territoriums um diese reiche Kulturlandschaft nur Objekt fremder Willkür war – in diesem Falle jener Stalins, der seine aus dem Molotow-Ribbentrop-Abkommen 1939 gewonnenen Gebiete nicht wieder herausrücken wollte. Chauvinistischen Kräften im polnischen Exil, die bereits zuvor territoriale Begehrlichkeiten bis zur Elbmündung artikulierten, sei damit von seiten der Sowjets allenfalls in die Hände gespielt worden. Die nach 1945 erfolgte Annexion deutscher Provinzen inklusive Vertreibung sei so letztlich nur die Exekution stalinistischer Pläne durch moskauhörige kommunistische Marionetten um Władysław Gomułka gewesen, von denen ausgerechnet Jakub Berman, verantwortlich für den Terror- und Propaganda-Apparat, und Hilary Minc, zuständig für die Enteignung der Deutschen, „eine herausragende Rolle bei der Polonisierung zuvor deutscher Ländereien spielten, weil ihre jüdische Herkunft ihnen kein gebührendes Bild vom ‘polnischen Nationalismus’ eingeschrieben hatte“, so Musial. Zielperson seiner Theorien ist der Warschauer Historiker Włodzimierz Borodziej, der zusammen mit dem Düsseldorfer Osteuropahistoriker Hans Lemberg in mehreren Bänden „Dokumente aus polnischen Archiven“ präsentierte, die seit 2000 vom Marburger Herder-Archiv herausgegeben werden. Borodziej hat in seinen Analysen den beträchtlichen Anteil Polens beim „Hinauswurf germanischen Ungeziefers aus den seit Jahrhunderten polnischen Gebieten“ (Wortlaut polnischer Militärbefehle 1945) herausgestellt, ohne allerdings auf die ideologische Vorgeschichte aus der Zwischenkriegszeit und davor (polnischer „Westgedanke“, JF 33/08) näher einzugehen. Fritjof Meyer deutet nun hinter Musials Vorstoß nicht weniger als geschichtspolitisches Kalkül aus der nationalpolnischen Ecke, das auf die in Warschau ängstlich verfolgte Klage der Preußischen Treuhand vor dem Europäischen Gerichtshof gerichtet ist (Deutschland Archiv, 4/08). So scheinen nicht nur die Kaczyński-Zwillinge der Rückerstattung des enteigneten Eigentums, welches im deutsch-polnischen Vertrag von 1990 explizit nicht geregelt ist, durchaus realistische Aussichten zuzugestehen. Da Polens Rechte in guter Tradition der Vorkriegs-Nationaldemokraten außer Oberschlesien und Ostpreußen die anderen Ostgebiete gar nicht haben wollten, so folgert Meyer, käme bei einer für Polen negativen EuGH-Entscheidung sogar ein Verzicht auf diese bis auf Breslau und Stettin wirtschaftlich weit abgehängten Gebiete in Frage. Für dessen territorialen Gewinn war schließlich, siehe Musial, ohnehin Stalin verantwortlich gewesen. Andererseits ließe sich bei einem ukrainischen EU-Beitritt auf ein Auseinanderbrechen dieses Staates in einen pro-russichen und einen westlichen Teil spekulieren, mit dem dann sowohl das polnische „Lemberg-Trauma“ überwunden wie auch ein jagiellionischen Großpolen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer in greifbare Nähe rücken würde. Deutschland hätte im Gegenzug zur „Osterweiterung“ nicht nur polnischen Reparationsforderungen nachzukommen, sondern auch noch das „Danaergeschenk“ eines polnisch bevölkerten Hinterpommerns und Niederschlesiens zu bewältigen. An dessen infrastruktureller Entwicklung könnte sich Berlin dann im stärkeren Maß als bei der Wiedervereinigung die Zähne ausbeißen, ohne daß es eigenen Landleuten helfen würde.

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