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Kein Meilenstein des Völkerrechts

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Im bevorstehenden Erinnerungsreigen des Jahres 2006 werden „Sechzig Jahre Nürnberg“ wohl eine eher untergeordnete Rolle spielen. Eine Prognose, die der emeritierte Bremer Staats- und Völkerrechtler Gerhard Stuby nur mit größtem Bedauern zu Papier bringt. Stuby, zusammen mit dem Hamburger Kollegen Norman Paech Verfasser einer links-universalistischen Völkerrechtsgeschichte („Völkerrecht und Machtpolitik“, 2001), schreibt gegen diese drohende „Harmlosigkeit des Gedenkens“ an, sieht aber angesichts des aktuell recht durchlöchert wirkenden Systems der „kollektiven Sicherheit“ kaum Ansätze, wie die Nürnberger Prozesse noch als „Meilenstein des Völkerrechts“ rezipiert werden könnten. Als „Siegerjustiz“ im kollektiven Gedächtnis In der alten, der Bonner Bundesrepublik, so Stuby mit resignativem Unterton, blieb „Nürnberg“ als „Siegerjustiz“ im kollektiven Gedächtnis haften (Blätter für deutsche und internationale Politik, 12/05). Dies verwundere, denn besonders die US-Amerikaner gaben sich jede erdenkliche Mühe, um den Prozeß gegen die 24 „Hauptkriegsverbrecher“ und die zwölf „Nachfolgeprozesse“ gegen „weiteres Spitzenpersonal der NS-Elite“ zu einem Eckpfeiler ihrer Reeducation-Strategie zu machen. Allein 240 Plätze waren für die internationale Presse reserviert, um mit dem Verfahren gegen Göring und Konsorten auf die deutsche Psyche zu wirken. Es war nicht nur eine Folge der medialen Überfütterung, daß am Ende bestenfalls „Skepsis und Naserümpfen“ übriggeblieben sei. Vor allem erleichterten die fragwürdigen juristischen Grundlagen den deutschen Verteidigern, streckenweise zum Angriff überzugehen und im Fall der Großadmirale Erich Raeder und Karl Dönitz die US-Ankläger in die Ecke zu drängen. Denn der Prozeß war allzu offensichtlich eingebettet in politische Planungen, in deren Zentrum keineswegs die juristische Ahndung von „NS-Verbrechen“ im speziellen stand, sondern viel weitergehend die Ächtung militärischer Gewaltanwendung zwischen Staaten. Und zwar durch ein kollektives Sicherheitssystem und durch eine effektive internationale Gerichtsbarkeit. Ein erster Schritt zu diesem Weltfriedensregime sollte die Aburteilung von deutschen „Friedens-, Kriegs- und Menschheitsverbrechen“ sein. Doch gerade die US-Völkerrechtsideologen so sehr am Herzen liegende Pönalisierung des „Angriffskrieges“ warf die schwierigsten juristischen Probleme auf – obenan das Rückwirkungsverbot – und trug daher entscheidend zur Delegitimierung des Gerichts bei. Strafgerichtshof in Den Haag als Nachfolgemodell stützen Dessenungeachtet will Stuby dem Völkerrechtler Wilhelm G. Grewe nicht beipflichten, der 1989 das gesamte „Völkerstrafrecht“ mit den Worten verwarf, daß über „Existenzfragen wie Krieg und Frieden“ nicht in „gerichtsförmigen Verfahren“ entschieden werden könne. Solchem Realismus zum Trotz, zudem über die hartnäckige Weigerung von China, Rußland, Israel und USA hilflos lamentierend, das Statut über den Internationalen Strafgerichtshof zu unterzeichnen, fordert Stuby immer noch das „Erbe von Nürnberg“ ein, um die „Eiszeit bei der Aggressionspönalisierung“ zu beenden und so das kollektive Sicherheitssystem zu stabilisieren, indem die „wichtigen Staaten“ endlich den Haager Gerichtshof anerkennen. Der Verlauf der amerikanisch-europäischen Atom-Konfrontation mit dem Iran dürfte Stuby schon in den nächsten Monaten von solchen universalistischen Träumereien kurieren.

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