Das Akademikerduo Eva und Hans Henning Hahn ist einander wahrlich wert – was den nicht erstaunen kann, der Karl Barths calvinistischen Glauben teilt, daß „der eine“ für „die eine“ bestimmt sei. Daher mußten sich eben auch Tröpfe wie Herr und Frau Hahn zwangsläufig finden. Daß dieses einfältige Paar von der Oldenburger Carl-v. Ossietzky-Universität, beide nicht als Zeithistoriker ausgewiesen, sich ausgerechnet auf einem Terrain tummeln möchte, das ihnen fremder nicht sein könnte, offenbart indes schon tragisch-komische Züge. Denn zur deutsch-slawischen Beziehungsgeschichte bis 1945 und insbesondere zur Geschichte der Vertreibung aus den deutschen Ostprovinzen von 1945 bis 1948 nebst des historischen Ablaufs der Deutschenaustreibung aus Ostmittel- und Südosteuropa haben die „Hähne“ bis heute keinen relevanten Forschungsbeitrag vorgelegen können. Gleichwohl gerieren sie sich für diese Thematik öffentlich als Experten – nicht nur auf heimischem Parkett (JF 48/05). Früh griffen sie in die Debatte um das geplante Zentrum gegen Vertreibungen ein. Ihre „Gerolsteiner Erklärung“ aus dem Jahr 2003 klang zwar nach Mineralwasserwerbung und kam auch über das intellektuelle Niveau einer solchen nicht hinaus, wollte aber mit vermeintlich „historischen Argumenten“ gegen „Erika Steinbachs Zentrum“ mobil machen. Seitdem nehmen ihre Tiraden kein Ende. Ihre jüngste Intervention (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 7-8/06) gilt dem US-Politologen Norman N. Naimark, der in der Wiener Zeitschrift Transit einen Aufsatz über „Die Killing Fields des Ostens und Europas geteilte Erinnerung“ publiziert hat (Ausgabe 30-2005/06). Naimark, 2004 mit einer Art Universalgeschichte der ethnischen Säuberung im 20. Jahrhundert bekannt geworden, deren sich an „politischer Korrektheit“ orientierende ostmitteleuropäische Kapitel indes eher schwache historische Kenntnisse verraten, droht das wacklige Geschichtsbild der Hahns gleichwohl an mehreren Ecken zum Einsturz zu bringen. Daher verunglimpfen sie seinen Text eifernd als „historischen Revisionismus“. Besonders ärgerlich reagieren sie auf Naimarks Versuch einer „Hinterfragung der traditionellen Sichtweise der polnischen Opferrolle während des Zweiten Weltkrieges“. Naimark, selbst jüdischer Herkunft, muß sich daher von den Hahns dafür schurigeln lassen, den notorischen polnischen Antisemitismus (wenn auch nur den nach 1939) überhaupt zur Diskussion zu stellen. Kein Wunder, daß die Redaktion des Transit den ihr angebotenen Abdruck einer solchen Polemik ablehnte. Wie Naimark im Verhältnis zu den Juden die polnische Opferrolle relativiert, so auch in Beziehung zu den Deutschen, was die Hahns nicht weniger erbost. Naimark konstruiere unzulässig ein „polnisches Täterkollektiv“ wenn er von den östlichen „Totenfeldern“ als dessen Aktionsfeld spreche. Denn die Deutschen seien 1945 „aus Polen“ nur in Vollziehung Potsdamer Beschlüsse „umgesiedelt“ worden. Im übrigen sei gar nicht festzustellen, „wie viele (Deutsche) sich dort noch aufgehalten hatten, um von den befreiten Polen und Tschechen mißhandelt und vertrieben werden zu müssen“. Von diesem wahrlich zynisch-menschenverachtenden „müssen“ bis zur Suggestion, in den preußischen Ostprovinzen – auch nach Potsdam übrigens völkerrechtlich keineswegs „Polen“, wie unsere Oldenburger Freizeithistoriker meinen – habe es gar keine zu ermordenden oder zu vertreibenden Deutschen gegeben, ist es in dieser dreisten Geschichtsklitterung nicht mehr weit. Zumal sie sich nicht verkneifen, hämisch zu annotieren, „seriöse Historiker“ sprächen „nur noch von einigen hunderttausend Opfern der Vertreibung“, und nicht von 2,5 Millionen wie Naimark und Erika Steinbach. Freilich schrumpft der Plural „seriöse Historiker“ in der Anmerkung auf den Singular, nämlich auf den für seine polonophilen Positionen bekannten Tübinger Archivar Mathias Beer. Dieser wiederum stützt sich auf die anfechtbaren Berechnungen Rüdiger Overmanns, die 1994 bezeichnenderweise in der polnischen Zeitschrift Dzieje Najnowsze veröffentlicht wurden. Das Ehepaar Hahn ist bestrebt, seine Attacke gegen Naimark mit einer auf Karl R. Popper rekurrierenden geschichtsmethodologischen Girlande zu drapieren. Dabei entgleiten die beiden zu der Behauptung, Popper lehre, Geschichtsbilder könne man nicht verifizieren. Also sind Historiker nach dieser Auslegung außer Stande, die Wahrheit über den sogenannten „Zivilisationsbruch“ des 20. Jahrhunderts zu eruieren. Das könnte unsere Hähne sogar mit dem bundesdeutschen Strafrecht in Konflikt bringen.