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Bernd Zimniok, Demografie, Massenmigration

Reemtsmas Kontinuitäten

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Der Erste Weltkrieg war ein totaler Krieg. Er wurde nicht nur auf dem Schlachtfeld geführt, auch nicht nur um Rohstoffe und Nahrungsmittel. Der Konflikt richtete sich auf neue Weise gegen die Zivilbevölkerung und traf die Nationen auf bisher nicht dagewesene Art in ihrem Selbstverständnis. Total, wie er von den Westmächten geführt worden war, sollte er auch zu Ende gehen. Dabei wurde ein Prinzip über Bord geworfen, das bis dahin bei Friedensschlüssen allgemein gegolten hatte und das etwa der vorläufige Sieger Deutschland zuletzt noch 1918 dem besiegten Rußland zugestanden hatte: die wechselseitige Amnestie für Straftaten der Soldaten beider Seiten. Dem einige Monate später seinerseits unterlegenen Deutschland drohten deshalb nicht nur Reparationen, Abrüstungsverpflichtung und Gebietsabtretung. Die Westmächte zielten zusätzlich auf die moralische Vernichtung und Ächtung des ganzen Landes, das aus der Liste der zivilisierten Staaten gestrichen werden sollte. Neben der erzwungenen förmliche Anerkennung der deutschen Alleinkriegsschuld im Versailler Vertrag war auch eine Verurteilung der deutschen Führung bis hin zum Kaiser als „Kriegsverbrecher“ geplant. Gerd Hankel adaptiert die alliierte Perspektive Wenn es um die Anklage von angeblicher deutscher Kriegsschuld und Verbrechen geht, fühlt sich Reemtsmas Institut für Sozialforschung offenbar unvermeidlich dazu berufen, einen Beitrag zu leisten. So hat es nun nach vielen Debatten über „Verbrechen der Wehrmacht“ eine Studie von Gerd Hankel herausgebracht, die sich den Leipziger Prozessen widmet, in denen nach alliiertem Wunsch seit 1921 mutmaßliche deutsche Kriegsverbrecher des Ersten Weltkriegs entlarvt und verurteilt werden sollten. Hankel hatte bereits in der neuen Wehrmachtsausstellung die Bemerkungen über „Krieg und Recht“ mitgestaltet. Leider schließt sich seine neue Publikation in vielen Aspekten den Methoden der Ausstellung an. Hankel blendet den politischen Hintergrund der alliierten Pläne fast durchgehend aus. Für ihn ist das Völkerrecht, was die Siegermächte dazu erklärten. Alles andere ist fast immer „abweichende Meinung“, so insbesondere zahlreiche Rechtspositionen der deutschen Regierung. Der Autor findet daher auch kein Wort der Kritik an der geradezu albernen Begründung der Alliierten für deren Forderung nach Auslieferung einer langen Reihe deutscher Persönlichkeiten bis hin zum Kaiser. Man könnte die angeblichen Kriegsverbrechen nicht in neutralen Ländern aburteilen, weil es keine neutralen Länder gebe. Das stimmte 1919 sowenig wie 1945. Gerade weil es neutrale Länder gab, fand der deutsche Kaiser in Holland Asyl, ein Akt selbstverständlicher Rechtspflege, wie die niederländische Regierung die Alliierten wissen ließ. Beide Nachkriegssituationen zeigten anschaulich, daß die Prozesse der Siegerstaaten eben kein internationales Recht oder einen zivilisatorischen Fortschritt setzen sollten, wie Hankel wiederholt schreibt, sondern einen exakt begrenzten politischen Zweck verfolgten. Mit der Parole „Hang the Kaiser“ war in Großbritannien gerade der Wahlkampf gewonnen worden, und von einer Liste alliierter Kriegsverbrecher, die Deutschland im Gegenzug benennen dürfte, war überhaupt keine Rede. Das reklamierte „Recht“ sollte nur für Besiegte gelten. Eher am Rande erwähnt Hankel, daß die Ankündigung der Prozesse in Deutschland zu einem nationalen Schulterschluß quer durch die politischen Lager führte, außerdem zu einem negativen Echo im neutralen Ausland. Zu gewaltig war das Panoptikum der alliierten Propaganda gewesen, in dem es von angeblich abgeschnittenen belgischen Kinderhänden, Massenvergewaltigungen und Massakern deutscher Soldaten nur so wimmelte. Zu frisch auch die Erinnerung an die alliierte Hungerblockade, der auf deutscher Seite tatsächlich Hunderttausende zum Opfer gefallen waren, ein Verbrechen, für das niemals jemand zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Angesichts dieser Umstände gestand niemand den Alliierten die moralische Autorität für die geplanten Prozesse zu. In Deutschland wurden sie durchgängig als entwürdigend, oder zeitgenössisch formuliert, als Angriff auf die nationale Ehre verstanden. Daher war bereits die geforderte Auslieferung nicht durchsetzbar, und lediglich in Leipzig fand eine Reihe von Prozessen statt. Veröffentlichungen des Reemtsma-Instituts wird kaum jemand mehr ohne Vorbehalte in die Hand nehmen, die auch bei Hankel schnell bestätigt werden. Gleich zu Beginn liest man beispielsweise, die Lusitania-Versenkung von 1915 sei als „Akt der Barbarei“ ein Motiv für die Anklage gegen deutsche Soldaten gewesen. Der Leser erfährt nicht, daß der Dampfer widerrechtlich bewaffnet war, zudem als Munitionstransporter unterwegs und seine Passagiere als lebende Schutzschilde benutzt hatte. Diese Tatsachen verursachten in der Nachkriegszeit in der amerikanischen Öffentlichkeit einen handfesten Skandal und trugen zu einem Senatsbeschluß bei, der lapidar feststellte, der amerikanische Kriegseintritt sei keine Folge des deutschen U-Bootkrieges, sondern eine Manipulation der amerikanischen Rüstungsindustrie gewesen. Gar nicht mehr überraschend heißt es dann bei Hankel bald weiter, „mit Ausnahme Deutschlands legte es keine andere Macht so offenkundig auf einen Krieg an, zeigte so deutlich ihren Willen und ihre Bereitschaft zum Krieg“. Da taucht wieder die längst widerlegte Alleinschuldthese in gewundener Formulierung aus der Versenkung auf, auch wenn Hankel das später wieder einschränkt. So ist der Rahmen gesetzt, in dem der Autor agiert. Die Legendenbildung von der deutschen Alleinschuld scheiterte nach dem Ersten Weltkrieg einigermaßen gründlich, weshalb die Alliierten später entschlossen waren, es in Nürnberg besser zu machen. Hankel folgt den Gründen dieses Scheiterns in den Leipziger Prozessen. Er kann dabei durchaus zeigen, daß der patriotische Eifer am Leipziger Reichsgericht manchmal nicht vor fragwürdigen Praktiken zurückschreckte und daß manche Verstöße deutscher Soldaten gegen das Kriegsrecht nur aufgrund juristischer Winkelzüge nicht mit Haft bestraft wurden. Hätte der Autor sich darauf beschränkt, wäre dies trotz aller Einseitigkeit eine zwar mit Vorsicht, aber doch wenigstens nicht ganz ohne Gewinn lesbare Studie geworden. Gegen Ende läßt der Autor dann aber alle Hemmungen fallen und stellt in einem eigenen Kapitel eine Verbindung zwischen den Vorgängen während des Ersten Weltkriegs sowie den Leipziger Prozessen und den sogenannten „Verbrechen der Wehrmacht“ im Rußland des Jahres 1941 her. Zwar seien dem deutschen Soldaten später seine zehn Gebote mitgegeben worden, die unter anderem den ehrenhaften Kampf und das Verbot jeder Grausamkeit gegen Zivilisten und Gegner formulierten, aber das ist dem Autor so wichtig nicht. Daß auf der anderen Seite die Rote Armee auf Erlaß Stalins „zu unversöhnlichem Haß zu erziehen“ war, steht bei Hankel nirgendwo, statt dessen wird einmal mehr behauptet, die UdSSR hätte 1941 ernsthaft die Anerkennung der Haager Landkriegsordnung erwogen. Diese Information ist für die Schlußfolgerungen unvermeidlich, in denen das ganze dann gipfelt. Denn erstens „planten konservativ-nationalistische Politik und Militär seit 1923 einen Zweiten Weltkrieg“. Sie planten wohlgemerkt nicht „für“ einen solchen Krieg, der eventuell ausbrechen könnte, sondern sie planten ihn nach Meinung Hankels bei Gelegenheit selbst auszulösen. Der Nationalsozialismus wird hier quasi zum manipulierten Anhängsel einer nationalkonservativen Verschwörung, die den Ersten Weltkrieg primär verschuldet haben soll und den Zweiten aus revanchistischen Gründen bewußt vom Zaun brechen wollte. Lediglich ein radikalisierender Einfluß wird dem NS-Regime zugestanden. Adolf Hitler mutiert zum „Werkzeug der Generale“, wie Hankel zustimmend verweist. Konservative Zirkel haben zwei Weltkriege verschuldet Damit übersteigert die Studie sogar die bereits bekannte Zielrichtung des Hamburger Instituts. Bereits in den Nürnberger Prozessen ist die Anklage unvermeidlich damit gescheitert, jene Verschwörung aufzuzeigen, die vor allem vom amerikanischen Juristen Jackson aus Gründen der politischen Opportunität konstruiert worden war. Diese Verschwörungsthese jetzt von den Nationalsozialisten zu den Konservativen zu verlagern, ihnen nicht nur zwischen den Zeilen, sondern ganz offen zwei Weltkriege und außerdem die Verantwortung für möglichst viele Verbrechen anzulasten, hat keinen historischen Gehalt und damit auch keine Aussicht auf Erfolg. Es zeigt allenfalls, daß der totale Krieg noch immer nicht in allen Köpfen überwunden ist. Foto: Deutscher Soldat mordet belgisches Mädchen im US-Film 1918: Panoptikum der alliierten Propaganda Gerd Hankel: Die Leipziger Prozesse. Deutsche Kriegsverbrechen und ihre strafrechtliche Verfolgung nach dem Ersten Weltkrieg. Verlag Hamburger Edition. Hamburg 2003, 550 Seiten, gebunden, Abbildungen, 30 Euro

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