Es ist immer noch „Jahr der Technik“. Und manche vergessen das auch nicht. Klaus Wucherer zum Beispiel ergreift die Gelegenheit, sich über das hiesige „Innovationsklima“ zu beklagen. Der Professor ist Mitglied des Siemens-Vorstands und Präsident des Verbandes deutscher Elektrotechniker (VDE). Seine Einschätzung wirkt keineswegs originell. Wir haben sie in letzter Zeit schon von vielen Koryphäen aus Wissenschaft und Wirtschaft gehört – was nicht unbedingt heißt, daß sie falsch ist. Doch die Ursache, die Wucherer für eine zu beobachtende Fortschrittsfeindlichkeit oder zumindest Gleichgültigkeit anführt, hebt sich vom üblichen Gejammer ab. So werden meist die deutsche Regelungswut und fehlende Fördergelder für den Rückstand verantwortlich gemacht. Die Bildungsmilliarden, die Ministerin Bulmahn gerade zusätzlich – aus leeren Kassen – gespendet hat, antworten auf diese Klagen. Der Elektrotechnik-Häuptling sieht hingegen ein heimliches Motiv am Werk. „Viele junge Menschen finden es attraktiver, Sozialarbeiter zu werden als Ingenieur“, erklärt er beinahe entrüstet. Viele würden nun sagen, daß die Berufswahl eine Sache der persönlichen Freiheit ist. Wucherer sieht das anders. Erstens fehlen nach seiner Aussage mehrere tausend Informatik-Absolventen sowie Maschinenbauer. Zweitens „kuriert der Sozialarbeiter nur an den Symptomen und gelangt nicht an die Wurzel der Probleme“, weshalb junge Menschen auf die Dauer frustriert aus diesem Beruf hervorgehen und am Ende noch selbst hilfsbedürftig werden könnten. Wo liegt aber die besagte Problemwurzel dann? Nicht etwa im technischen Bereich selbst, sondern bei unseren Wohlstandsbedingungen. „Daran mitwirken, daß unser Wohlstand erhalten bleibt“, heißt technische Leistung erbringen. Sie ergibt gute Exportergebnisse, diese steigern das Steueraufkommen und reduzieren Arbeitslosigkeit und Armut, so daß man kaum noch Sozialarbeiter braucht. Wenn Ingenieure einen derartigen Weitblick haben, dann fragt sich wirklich, wieso das Prestige der technischen Berufe so gering ist. Mediziner und Rechtsanwälte sind schick, Maschinenbauer sind stinklangweilig, so lautet das Vorurteil schon auf der Universität. Wucherer sieht dahinter „ideologische Abwehrkämpfe gegen die Technik“. Doch die sind nach eigener Aussage am größten im Bereich Biotechnologie und Pharmaindustrie. Trotzdem genießen die Weißkittel einen ästhetischen Bonus, dem auch ein Machtmißbrauch keinen Abbruch tut. Selbst ein böser Klon-Doktor wirkt attraktiver als der edelste Brückenbauer. Daran wird auch Siemens nichts ändern können. Zum Trost bekommt der Bulmahn-Plan einer „deutschen Eliteuni“ einen Nasenstüber: „Es ist falsch, per Dekret bestimmten zu wollen, welche Hochschule eine Eliteuniversität sein soll. Das geht nur über den Wettbewerb.“