Betrachtet man die höhere Bildungslandschaft in Europa, so ist eine eindeutige Entwicklung hin zur englischen Sprache unverkennbar. Mit der sogenannten "Bologna-Nachfolgekonferenz", die am 18. September in Berlin stattfand, haben sich zudem vierzig europäische Länder dazu verpflichtet, bis 2005 einheitliche Studienabschlüsse einzuführen.
Dem deutschen Diplom- oder Magisterabschluß läutet damit endgültig das Sterbeglöckchen, denn europäische Norm werden die schon seit Jahren diskutierten Master- und Bachelor-Abschlüsse. Ein "European Credit Transfer System" (ECTS) soll außerdem den Studierenden eine unbegrenzte Wanderschaft zwischen den Universitäten ermöglichen, indem die gesammelten "Kreditpunkte" – wie viele Punkte es für ein Seminar gibt, darf die jeweilige Universität entscheiden – am Ende die Zulassung zur Abschlußprüfung gestatten. Durchaus spöttisch darf man feststellen, daß damit die europäische Bildung wieder dort angelangt ist, wo sie im Mittelalter war: bei den "fahrenden Scholaren". Der Triumph, mit dem Bildungspolitiker das ECTS als "Fortschritt" feiern, ist also wenig angebracht.
Während der ganze Kontinent sich anglo-amerikanischen Bildungsnormen unterwirft, ist vor kaum zwei Jahren in der ungarischen Hauptstadt ein bemerkenswerter Kontrapunkt gesetzt worden. Der damals bürgerlich regierte Magyaren-Staat beschloß unter Ministerpräsident Viktor Orbán, sich mit einer deutschen Bildungsstätte wieder stärker an den Kulturkreis zu binden, mit dem Land und Volk bis 1945 so eng verbunden war. So kam es am 22. Februar 2001 zu der sogenannten "Ulmer Erklärung", in der Viktor Orbán, Edmund Stoiber, Erwin Teufel und Österreichs Kanzler Wolfgang Schüssel die "Andrássy Gyula Deutschsprachige Universität Budapest" aus der Taufe hoben. Bereits im September des gleichen Jahres begann der Lehrbetrieb in zunächst provisorischen Räumen mit 65 Studierenden.
Stetig steigende Nachfrage nach Studienplätzen
Die "Andrássy" wirbt für sich, ihre Zöglinge in zwei Jahren "fit für Europa" zu machen. Allerdings muß man schon ein Universitätsdiplom in der Tasche haben, denn es handelt sich um eine postgraduale Fachausbildung mit den Ausrichtungen "Internationale Beziehungen", "Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaft" und "Mitteleuropäische Studien". Für Staatswissenschaften ist ein juristischer Abschluß obligatorisch. Für die Zulassung wird neben den üblichen Bewerbungsunterlagen und einer Studiengebühr von 125.000 Forint (zirka 500 Euro) pro Semester auch eine Aufnahmeprüfung verlangt.
Großes Gedränge gibt es vor allem bei den "Internationalen Beziehungen", die laut Eigenwerbung die Pforten zum Corps Diplomatique weit aufstoßen. Wenn man den veröffentlichen Daten Glauben schenken darf, hat sich die "Andrássy" in kaum zwei Jahren zu einer festen Größe im Bildungssektor gemausert. Schon jetzt gibt es mehr Bewerber als Studienplätze, der Anteil ausländischer Studenten steigt. Die Kommentare zur Universität lassen erkennen, daß auch ihre Gründer überrascht sind von dieser schnellen Entwicklung. Dies mag ein Grund sein, weshalb die regierenden Sozialisten die Universität in Ruhe lassen, obwohl sie 2001 kräftig gegen die "konservative und elitäre Kaderschmiede" polemisiert hatten. In der Tat bemüht sich die Universitätsleitung auch um Glamour. Dazu trägt die Lage vorzüglich bei, denn untergebracht ist die Einrichtung im ehemaligen Palais Festetics im Zentrum der Stadt. Daß es bald schon einen "Andrássy-Ball" geben soll, versteht sich fast von selbst.
Für 2004 will man sich auch mit einem PhD-Studiengang akkreditieren, so daß zukünftig auch geforscht werden kann. Ob die Dissertationen alle nur auf deutsch veröffentlicht werden, darf man bei allem Optimismus bezweifeln, denn die "scientific community" spricht – auch in Mitteleuropa – hauptsächlich Englisch.