In Zeiten leerer staatlicher Kassen ist wieder öfter vom Mäzenatentum die Rede. Appelle an den „Bürgersinn“, die in immer kürzeren Abständen erfolgen, lassen daher stets aufs Neue private Spendenquellen in einem Ausmaß sprudeln, für das die Wiederaufbauleistungen an der Dresdner Frauenkirche oder die jüngst eröffnete Berliner Kommandantur zeugen können. Wenn also der Bürger die Besorgung vieler, eigentlich öffentlicher Angelegenheiten wie Kunst- und Denkmalpflege erledigt, weil sein finanziell maroder Staat dazu nicht mehr in der Lage ist, dann ist auch die Stunde gekommen, an die Hochzeit privaten Mäzenatentums zwischen 1870 und 1933 zu erinnern. Die beiden Historiker Wolfgang Burgmair und Matthias M. Weber taten dies schon vor Jahren an ganz versteckter Stelle, als sie im Jahrbuch des Heimatvereins Murnau (1997) auf die Lebensleistung des 1933 gestorbenen Bankiers James Loeb „als Förderer der Wissenschaft als philantropischen Mäzen“ aufmerksam machten. Nun ist die erweiterte Fassung ihres Loeb-Porträts aus dem heimatkundlichen Winkel herausgekommen und hat sich eine erste Adresse zugelegt, die Historische Zeitschrift (2/03). James Loeb, 1867 in New York geboren, seit 1906 in München und auf seinem Landsitz nahe Murnau lebend, erfüllte das wichtigste Eignungskriterium, um überhaupt den „Beruf“ des Mäzens ausüben zu können: Er war unermeßlich reich. Das Vermögen hatte im wesentlichen sein Vater, der aus Worms eingewanderte Solomon Loeb (1829-1903), zusammengebracht, teilweise im Textilgroßhandel, teilweise mit risikoreichen Eisenbahnfinanzierungen. Mit seinem Schwiegersohn Jakob Henry Schiff (1847-1920) gelang es Loeb senior zudem, das Bankhaus Kuhn, Loeb&Co. zu einem der bedeutendsten an der Wall Street auszubauen. Sohn James trat widerwillig in diese Welt des ganz großen Geldes ein, konnte sich aber schon nach gut zehn Jahren, als Mittdreißiger, den Ausstieg leisten, um fortan „seinen Neigungen zu leben“, nämlich seiner Sammlung antiker Kleinkunst und der Musik. Burgmair und Weber zeichnen akkurat nach, wie sich Loeb vor 1914, als „München leuchtete“, in die feudal-großbürgerliche Gesellschaft der bayerischen Metropole integrierte und wie sich aus seinen privaten Passionen ein ausgreifendes mäzenatisches Engagement entwickelte. Nur über dessen Motive lassen uns die Autoren rätseln, wenn sie etwas unbestimmt darauf verweisen, daß es „alttestamentlicher Verpflichtung zur Wohltätigkeit“ entsprungen sei, „der sich ein großer Teil der amerikanischen Bevölkerung jüdischer Herkunft verpflichtet“ gefühlt habe. Verschuldung der Haushalte beendet etatistische Struktur Das mag auf Loeb und andere jüdische Finanzgewaltige in den USA zutreffen, wo der traditionelle „Nachtwächterstaat“ der Gesellschaft viel Raum ließ, um soziale Verwerfungen mittels „Wohltätigkeit“ abzufedern oder staatlich vernachlässigte Pflege von Kultur und Bildung „zivilgesellschaftlich“ zu organisieren. Daß neben Loeb – wie Burgmaier und Weber zeigen – auch zahlreiche finanzkräftige Exponenten des preußischen Judentums wie der Berliner Bankier Eduard Arnhold, einer der Mitbegründer der Kaiser-Wilhelm- (heute: Max-Planck-) Gesellschaft, im ganz anders gearteten deutschen Umfeld des Bismarckschen Staats allumfassender „Daseinsvorsorge“ ein reiches Betätigungsfeld fanden, ist mit „alttestamentlichen“ Beweggründen aber wohl nicht hinreichend erklärt. Allerdings können Burgmair und Weber im Vergleich zwischen Loeb und Arnhold einige strukturelle Analogien mäzenatischen Handelns herausarbeiten. In der Regel gingen Mäzene aus Aufsteigerfamilien hervor, Mitglieder der Wirtschafts- und Finanzelite, die schon in der zweiten Generation ihr Interesse an Wissenschaft und Kunst oder an karitativer Betätigung kultivierten. Alle Mäzene setzen ihre privaten Vorlieben um, so daß der Musikenthusiast Loeb etwa 1903 ein New Yorker Konservatorium stiftete, daß seine Passion für die antike Kleinkunst der Münchner Antikensammlung zugute kam und selbst die eigene psychische Erkrankung dazu führte, eine „Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie“ finanziell zu unterstützen. Art und Umfang solcher Stifterleistungen rechtfertigen das Urteil, hierdurch seien Großindustrielle und Bankiers während der Kaiserzeit in die Rolle fürstlicher Auftraggeber eingetreten. Die übergeordnete, zugleich auch die kräftig emanzipatorische Bedeutung des Bürgerlichen werde, so die Autoren, auch daran sichtbar, daß die Mäzene vor 1914 zwar mit adeligen Machtzentren koaliert hätten, „ihre Stiftungen nach 1918 sofort den neuen demokratischen Gegebenheiten anpaßten und darüber hinaus sogar versuchten, das Demokratieverständnis dezidiert zu fördern“. Überdies sei, bei allem Patriotismus mancher Stifter, eine kosmopolitische Ausrichtung ihrer Unternehmungen nicht zu verkennen. Trotzdem habe das mäzenatische Handeln „gerade in Deutschland nicht zu einer generellen Umorganisation der bestehenden, traditionellen und festgefügten Strukturen staatlicher Zuständigkeit und Verantwortung für Wissenschaft, Kunst, Wohlfahrtspflege und Bildung“ geführt. Wahrscheinlich mußte erst die Verschuldung der öffentlichen Haushalte im 21. Jahrhundert abgewartet werden, bevor das Ende etatistischer Traditionen und Strukturen eine Blüte des Mäzenatentums nach dem US-amerikanischen Vorbild des 19. Jahrhunderts zeitigen kann.
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