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Erfolgreiche Realisierung eines Größenwahns

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Cato, Palmer, Exklusiv

Tosender Beifall wurde Ettore Tolomei im Bozener Stadttheater zuteil, als er am 15. Juli vor achtzig Jahren seine 32 Punkte zur Italienisierung der Südtiroler den Faschisten vorstellte. An jenem Tag im Jahr 1923 war das Theater voll mit faschistischen „Schwarzhemden“, die teilweise aus Trient und Rom angereist waren. Der gebürtige Trentiner Tolomei war bei den Friedensverhandlungen nach dem Ersten Weltkrieg Berater der italienischen Regierung gewesen und hatte dieser jene Südtirolkarten mit auf den Weg gegeben, in denen er die gewachsenen deutschen Ortsnamen ins Italienische übersetzt hatte. Bereits seit 1906 hatte er regelmäßig Artikel in der von ihm damals gegründeten Zeitschrift Archivo per l’Alto Adige veröffentlicht, in denen er Italiens Ansprüche auf das Land zwischen Brenner und Salurner Klause zu beweisen versuchte. Mit dem Friedensschluß von St. Germain am 10. September 1919 wurde Tolomeis Traum nun Wirklichkeit. In der Folge bezeichnete er sich gerne als „Vater der Brennergrenze“, die er gar für gottgewollt hielt. Sein Deutschenhaß war glühend, und so ging ihm später die Durchführung der Option in Südtirol durch die Faschisten nicht einmal weit genug. Der fünfte und der 19. Punkt seines 32-Punkte-Programms zielten schon auf „ethnische Säuberung“ ab: Die Einwanderung Deutscher sollte verhindert werden, bei gleichzeitiger Begünstigung des Zuzugs von Italienern. Andere Punkte wie die Italienisierung von Orts- und Flurnamen, die Einführung des Italienischen als Amtssprache und die Ernennung italienischer Gemeindesekretäre waren dazu geeignet, Deutsche, aber auch Ladiner zu Fremden im eigenen Land zu machen. Wer schließlich in seiner Südtiroler Heimat blieb, sollte seine deutsche Identität verlieren: Selbst vor deutschen Familiennamen wollte Tolomei nicht haltmachen und forderte deren Italienisierung. Zugleich sollten die deutschen Kinder in der Schule nicht mehr in ihrer Muttersprache unterrichtet werden. Bereits vor jenem denkwürdigen 15. Juli hatte die italienische Regierung mit der Durchführung verschiedener Punkte begonnen: Obwohl König Viktor Emanuel III. 1919 noch „autonome Lösungen“ in Aussicht gestellt hatte, begannen erste Maßnahmen gegen die Südtiroler bereits vor Mussolinis „Marsch auf Rom“ vom 28. Oktober 1922. So wurden im Schuljahr 1921/1922 eine Reihe deutscher Kinder italienischen Schulklassen zugeteilt, und in den ladinischen Tälern führte ein Dekret die italienische Sprache als alleinige Unterrichtssprache ein. Die Einführung der künstlichen italienischen Ortsnamen wurde dann nach dem „Marsch auf Rom“, aber noch vor Tolomeis 32-Punkte-Proklamation angeordnet. Am 29. März 1923 erging dazu ein königliches Dekret. Ab 1923 durfte ausschließlich auf italienisch gelehrt werden Nach der Rede im Bozener Stadttheater ging die Italienisierung nun erst recht voran. Drei Wochen darauf, am 7. August erließ der faschistische Präfekt ein Dekret, demzufolge alle mit dem Namen „Tirol“ zusammenhängenden Bezeichnungen verboten wurden. Am 15. August versammelten sich Südtiroler zu einer Kundgebung in Bozen. Dabei wurde eine Erklärung verlesen, die die Tiroler zum Widerstand aufrütteln sollte: „Wir bleiben, was wir sind, nur mit seinen Bergen wird Tirol vergehen.“ Schon bald wurden auch Tradition und Geschichte der Deutschen zur Zielscheibe der Faschisten: Die Südtiroler Alpenvereine wurden am 3. September aufgelöst, gleich darauf die Ehrung von Südtiroler Gefallenen untersagt und die ersten deutschen Kindergärten geschlossen. Am 23. Oktober 1923 wurde Italienisch auf Staats-, Provinz- und Gemeindeebene zur einzigen Amtssprache gemacht. Am selben Tag trat zugleich das neue Schulgesetz in Kraft, nach dem im neuen Schuljahr der Unterricht nur noch in italienisch zu erteilen war. Dies war der zentrale Schlag gegen das deutsche Volkstum im einstigen südlichen Teil des Habsburgerlandes Tirol, denn 30.000 Schüler konnten ihre eigene Muttersprache nicht mehr als Schriftsprache erlernen. Viele deutsche Lehrer wurden zudem arbeitslos. Es war dies die Geburtsstunde der sogenannten Katakombenschule, zu der der katholische Geistliche Kanonikus Michael Gamper aufrief: „Dann müßt ihr selber für den Unterricht eurer Kinder in der Muttersprache sorgen. Jedes Haus, jede Hütte muß zum Schulhaus, jede Stube zur Schulstube werden, in der die Kinder den Unterricht in ihrer Muttersprache erhalten. Und die Lehrer seid ihr“, beschwor er die Eltern im Volksboten. Wie die frühen Christen in Katakomben beteten, so geheim erteilten nun arbeitslose Lehrer oder Eltern Kindern Unterricht in deutscher Sprache. Wer dabei erwischt wurde, konnte mit strengen Strafen bis hin zur Verbannung rechnen. Ab Anfang des Jahres 1925 ging der italienische Staat mittels eines Pressegesetzes, das seit jenem denkwürdigen 15. Juli des Jahres 1923 galt, gegen die deutsche Presse vor. Wegen „tendenziöser antiitalienischer Berichterstattung“ verhängte der zuständige Bozener Unterpräfekt ab dem 8. Januar 1925 nach und nach über alle deutschen Zeitungen die Vorzensur. Nach wenigen Wochen gab es die ersten Verwarnungen, nach einer zweiten Verwarnung wurden die Publikationen jeweils eingestellt. Kanonikus Michael Gamper erreichte später die Wiederzulassung zweier Zeitungen, wenn auch unter strenger Zensur. Als 1945 schließlich das Joch des italienischen Faschismus überwunden war, wurde jedoch die im Pariser Abkommen versprochene Autonomie noch lange nicht verwirklicht, die Südtiroler erhielten immer noch keinen besonderen Schutz. Vielmehr ging die Majorisierungspolitik munter weiter: Italiener aus dem Süden wurden massenweise angesiedelt, angelockt durch die Bozener Industriezone und den sozialen Wohnungsbau, bei dem die Südtiroler im eigenen Land benachteiligt wurden. Die von Tolomei erfundenen Namen sind bis heute gültig Die Faschisten gingen schließlich dazu über, auch das Gedenken an deutsche Geschichte und Kultur auszumerzen: Das Denkmal für Walther von der Vogelweide wurde von seinem ursprünglichen Platz entfernt, von dem Ettore Tolomei einst schrieb, er sei „das Symbol des über Südtirol herrschenden Deutschtums“. 14.000 Tiroler Familiennamen wurden italienisiert, selbst auf den Grabsteinen wurde die Nennung deutscher Vornamen verboten – aus Josef wurde Giuseppe und Franz wurde zum Francesco. Die faschistischen Herren rissen zudem die Leitung des Bozener Museums an sich, um Tiroler Exponate gegen römische und italienische auszutauschen. Am schmerzlichsten, aber auch am dauerhaftesten war schließlich die Zerstörung des Kaiserjäger-Denkmal-Rohbaus und die Errichtung des faschistischen Siegesdenkmals auf eben diesen Grundfesten an der westlichen Seite der Bozener Talferbrücke. Darauf ist in lateinischer Sprache zu lesen: „Hier sind die Grenzen des Vaterlandes. Setze die Zeichen.“ Und auf die Südtiroler gemünzt steht da weiter: „Von hier aus brachten wir den anderen Sprache, Gesetze und Künste.“ Noch heute ist die Schmach nicht beseitigt und das Denkmal das am besten bewachte Italiens. Vor dem Hintergrund dieser Geschichte sind aktuelle Südtiroler Debatten wie die zur Toponomastik (Ortsnamensgebung) verständlich: Die einst von Ettore Tolomei erfundenen italienischen Namen sind immer noch amtlich gültig, und das 58 Jahre nach dem Ende des Faschismus. Fotos: Weiträumige Industrieansiedlungen an den Bozener Stadtgrenzen für italienische Zuwanderer nach 1923: Das früher deutsche Bozen ist heute zu fast siebzig Prozent italienisiert / Militärparade vor dem Bozener „Siegesdenkmal“: Setze die Zeichen

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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