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Überblick über die aktuelle Corona-Lage: COVID-19-Exit-Strategien: Das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten

Überblick über die aktuelle Corona-Lage: COVID-19-Exit-Strategien: Das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten

Überblick über die aktuelle Corona-Lage: COVID-19-Exit-Strategien: Das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten

Corona
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Mädchen mit Atemschutzmaske auf der Schaukel: In einigen Bundesländern sind ab heute wieder Spielplätze freigegeben Foto: picture alliance / NurPhoto
Überblick über die aktuelle Corona-Lage
 

COVID-19-Exit-Strategien: Das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten

Die Anzahl der dokumentierten COVID-19-Neuansteckungen stabilisiert sich in den USA auf hohem Niveau und geht in Europa zum Teil deutlich zurück. Während Frankreich, Italien und Spanien erste Lockerungen in Aussicht stellen, hebt Österreich viele Ausgangsbeschränkungen auf. In Deutschland gewinnt hingegen die Kontroverse über Exit-Strategien an Schärfe.
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Die Anzahl der dokumentierten COVID-19-Neuansteckungen stabilisiert sich auf einem hohen Niveau wie in den USA oder geht jetzt auch in Europa zum Teil deutlich zurück. Während Frankreich, Italien und Spanien zögerlich erste Lockerungen in Aussicht stellen, hebt Österreich viele Ausgangsbeschränkungen auf. Aber in Deutschland gewinnt die Kontroverse über die Richtigkeit der Exit-Strategien an Schärfe.

Im Sat.1-Frühstücksfernsehen hatte der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) drastische Worte gewählt: „Ich sag es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“ Es müsse unterschiedliche Sicherheitsvorkehrungen für Junge und Ältere geben.

Die seit zwei  Wochen in Österreich gesammelten Erfahrungen mit wirtschaftlichen Lockerungen des Lockdowns stimmen zuversichtlich. Die Öffnung der Baumärkte und kleinen Geschäfte seit 14. April hat den positiven Trend nicht beeinträchtigt. Ab Mai dürfen alle Geschäfte und viele Dienstleister wie Friseure ebenfalls öffnen, ab dem 15. Mai Gastronomiebetriebe täglich bis 23 Uhr, zu Pfingsten – ab 29. Mai – auch Hotels und Schwimmbäder.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober sagte in Wien: Wir können die Ausgangsbeschränkungen auslaufen lassen, wir brauchen sie nicht. Abstandsgebot von einem Meter und auch Maskenpflicht bleiben. Erst wenn es eine Impfung gegen das Virus gibt, könne wieder davon abgesehen werden.

Schweden setzt auf disziplinierte Bevölkerung

Ab dem 11. Mai sollen in der Schweiz nicht nur Läden, Märkte und obligatorische Schulen, sondern auch Museen, Bibliotheken und Restaurants wieder öffnen. Auch Polen lockert die Beschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus und will am 4. Mai Hotels und Einkaufszentren wieder öffnen. Griechenland wird die Corona-Sperren in mehreren Etappen langsam aufheben. Am 4. Mai dürfen Friseursalons, Elektrogeschäfte und Buchhandlungen wieder aufmachen.

Nach sechs Wochen wird in Portugal eine schrittweise Öffnung eingeleitet.  Je nach Region wird die Öffnung schneller oder langsamer ausfallen. Wenn die Neuinfektionen es zulassen, wird Portugal im Sommer auch Tourismus zulassen – auch wenn Strände, Restaurants und Hotels sicher Einschränkungen bei den Besucherzahlen hinnehmen müssen.

In Schweden sind trotz der vergleichsweise lockeren Maßnahmen die Fallzahlen der Neuinfizierten seit einigen Tagen in der Tendenz rückläufig. Schulen, Kindergärten und Kitas waren in Schweden immer offen, ebenso Restaurants und Hotels. Gemäß deutscher Gesundheitsexperten wie Karl Lauterbach müssten die Fallzahlen in Schweden geradezu explodieren, da die dortigen Epidemiologen auf Gegenmaßnahmen wie lediglich das Verbot von Großveranstaltungen und eine disziplinierte Bevölkerung setzen.

Unsicherheiten bei Zahl der Reproduktionsrate

In Deutschland sind die Virologen zur vierten Macht im Staat geworden. Ihre widersprüchlichen Annahmen schlagen sich in der Politik nieder, wo sich momentan zwei schwarze Konkurrenten in der Frage der Wirtschaftswiedereröffnung nicht grün sind und gleichzeitig mit einer Verschärfung des Lockdown gedroht wird. Laut RKI steigt die Corona-Ansteckungsrate in Deutschland wieder; eine Überraschung, da die Zahl der Neuinfektionen auf ein 6-Wochen-Tief fällt. Jeder Infizierte stecke jetzt nunmehr wieder einen weiteren Menschen an; die sogenannte Reproduktionsrate liegt bei 1,0. Das mag bedrohlich erscheinen, ist es aber nur, wenn sich diese Tendenz verstetigt. Zudem unterliegt diese Zahl vielfachen Unsicherheiten:

Nicht alle Infizierten zeigen Symptome und nicht alle Personen, die Symptome entwickeln, gehen zum Arzt und auch von denen wird nicht jeder getestet. Nur die beim Arzt positiv getestete Personen werden an Gesundheitsämter gemeldet aber nicht alle erfaßt. Zudem vergeht Zeit zwischen Inkubation und Symptomen, Symptomen und Test, zwischen Testergebnis und Übermittlung an ein Gesundheitsamt und von dort zur zuständigen Landesbehörde und von da zum RKI.

Vom Zeitpunkt der Erkrankung bis zur Meldung des Erkrankten beim RKI vergehen in 50Prozent der Fälle sieben oder weniger Tage und für den Rest noch länger als sieben Tage. Das RKI versucht mittels mathematischer Methoden die Zeit, die vergeht, bis ein „aktueller Fall” an das RKI gemeldet wird, hochzurechnen. Es ist somit kein reiner Zufall, daß die aktuellsten Schätzungen der Reproduktionsrate von Helmholtz-Institut und TU Ilmenau deutlich niedriger liegen.

Strategiewechsel bei Massentests

Bei der Diskussion um die weitere Vorgehensweise in Deutschland lohnt der Blick auf Südkorea, wo es gelang, die Virusausbreitung bereits Anfang März zu begrenzen und mit eiserner Disziplin und asiatischem Gemeinsinn die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Was ist eigentlich aus dem naheliegenden Ansatz geworden, Deutschland solle es wie das erfolgreiche Südkorea machen, also sehr viel mehr testen? In der vergangenen Woche dachte die Bundesregierung noch über einen Strategiewechsel hin zu Massentests auch an symptomfreien Menschen nach.

Bislang wurden in Deutschland mehr als zwei Millionen Tests auf mögliche Infektionen durchgeführt, maßgeblich mittels PCR-Tests. Der geplante Gesetzentwurf von Union und SPD sah vor, durch verstärkte symptomunabhängige Testungen die stufenweise Rückkehr in das normale Wirtschaftsleben zu ermöglichen. Aber je einer Million zusätzlicher ungebündelter Tests entstehen der GKV bei Kostenübernahme Mehrausgaben von ca. 60 Millionen Euro. Allerdings würden Kosten für Krankenbehandlungen in nicht quantifizierbarer Höhe vermieden werden können.

In einem neuen Gesetzentwurf, der nach Welt-Informationen diese Woche ins Kabinett eingebracht werden soll, ist von Millionen zusätzlichen Tests nun nicht mehr die Rede. Merkwürdig, denn nach Angaben des RKI, basierend auf einer repräsentativen Datenerhebung, wären mehr als 800.000 Tests pro Woche möglich.

Die nun beibehaltene, oben erklärte Teststrategie des RKI schränkt die Anzahl der Menschen, die theoretisch getestet werden könnten, erheblich ein und führt somit zu der bemängelten Schätzometrie des wahren COVID-19 Pandemieverlaufes. Diese überraschende Wendung bezüglich eines notwendigen systematischen Testens gerade von Personen in medizinischen Berufen und auch der Pflege wird sicherlich nicht die letzte Pirouette der Bundesregierung sein.

Zick-Zack-Kurs bei Masken

Der virologische Zick-Zack Kurs ist auch bei der Frage der Schutzmasken zu beobachten. Am 30. Januar verkündet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), das Virus sei nicht über den Atem übertragbar und Aerosole sind wahrscheinlich nicht für einen Großteil der Infektionen verantwortlich. Wohl aber Tröpfchen von Speichel und Auswurf, wie sie auch beim Sprechen verteilt werden. Am 11. März hieß es dann, ein Mundschutz schütze nur sehr wenig, sei aber unnötig, wenn man nicht krank ist.

Am 2. April kam vom RKI die Erkenntnis, daß Masken den Träger zwar nicht selbst schützen, aber andere vor Ansteckung durch den Träger. Und nun haben wir eine Maskenpflicht. Der Virologe Kekulé erklärte im ZDF-Morgenmagazin: „Atemschutzmasken schützen auf jeden Fall andere Personen und uns selbst zu einem gewissen Grad auch.“ Weiter: Mit einer Maskenpflicht hätte man möglicherweise den Lockdown nicht gebraucht.

In den USA sucht man inzwischen mit Nachdruck den Schuldigen an der Pandemie-Misere. Der Bundesstaat Missouri will gegen China deshalb Klage erheben. Offenbar hat man dort nicht mitbekommen, daß es bereits am 23. Januar in China zur Isolierung Wuhans gekommen war mit ca. 2.000 registrierten Infizierten.

Nun braucht man Sündenböcke

Am 21. Januar gab es den ersten US- Infektionsfall. In Europa wurde vier Wochen danach noch Fußball gespielt. Die Partien der Champions League am 19. Februar in Bergamo und am 26. Februar in Lyon trugen als Superspreading Events entscheidend zur Virusausbreitung bei.

Noch am 9. März glaubte man auf ein Fußballspiel der Bundesliga nicht verzichten zu können, als man fast 2.000 registrierte Infizierte zählte. Das Voranschreiten der Pandemie war mehr als deutlich, aber hier wie in den USA braucht es offenbar die Dramatik von italienischen Leichenbergen, bis Politiker bereit sind, momentan scheinbar unpopuläre Entscheidungen zu treffen.

In den USA wie in Europa war es zu spät, die Pandemie zu verhindern, man konnte lediglich mit den bekannten harten Quarantäne-Maßnahmen die Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus abbremsen. Und bald braucht man eben Sündenböcke, um die eigenen Entscheidungen zu begründen.

Mädchen mit Atemschutzmaske auf der Schaukel: In einigen Bundesländern sind ab heute wieder Spielplätze freigegeben Foto: picture alliance / NurPhoto
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