WIESBADEN. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist 2024 preisbereinigt das zweite Jahr in Folge gesunken. Das ist erst zum zweiten Mal überhaupt in der Geschichte der Bundesrepublik der Fall. Das erste Mal schrumpfte die Wirtschaft zwei Mal in Folge in den Jahren 2002 und 2003.
Nach einem Minus von 0,3 Prozent im Jahr 2023 ging das BIP 2024 um weitere 0,2 Prozent zurück, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Die Rechnung enthält eine frühe Schätzung für das vierte Quartal.
Wirtschaft leidet unter Energiekosten
„Konjunkturelle und strukturelle Belastungen standen im Jahr 2024 einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung im Wege“, führte die Präsidentin des Statistikamts zur Erklärung aus. „Dazu zählen zunehmende Konkurrenz für die deutsche Exportwirtschaft auf wichtigen Absatzmärkten, hohe Energiekosten, ein nach wie vor erhöhtes Zinsniveau, aber auch unsichere wirtschaftliche Aussichten.“
Das Bundesamt stellt erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Wirtschaftsbereichen fest. So sei die Bruttowertschöpfung vor allem im Verarbeitenden Gewerbe – gemeint ist die Industrie – (minus 3,0 Prozent) und dem Baugewerbe stark zurückgegangen (minus 3,8 Prozent). Das betrifft etwa die Automobilindustrie und den Maschinenbau.
Die Dienstleistungsbereiche wurden dagegen stärker und legten bei der Bruttowertschöpfung um 0,8 Prozent zu. Vor allem der Bereich Information und Kommunikation wuchs demnach mit einem Plus von 2,5 Prozent vergleichsweise stark, während die Gastronomie weniger als im Vorjahr erwirtschaftete.
Weniger Investitionen
Auffällig: Auch staatlich geprägte Wirtschaftssektoren legten laut Statistikamt erkennbar zu. Dies betreffe etwa die Bereiche Erziehung und Unterricht sowie Gesundheitswesen.
Deutlich zurück gingen derweil die Investitionen. Dies betraf besonders stark den Baubereich, in dem Investitionen im vergangenen Jahr preisbereinigt um 3,5 Prozent sanken. Noch deutlich stärker brachen Investitionen in Ausrüstungen wie etwa Maschinen ein, und zwar um 5,5 Prozent.
Von den privaten Konsumenten erhielt die Wirtschaft nur schwache Impulse. Deren Konsumausgaben stiegen preisbereinigt um lediglich 0,3 Prozent. Sogar weniger als im Vorjahr gaben die privaten Haushalte etwa für Bekleidung aus. Anders sieht es mit den Konsumausgaben des Staates aus. Diese nahmen um 2,6 Prozent zu. Das ist laut Statistikamt unter anderem auf erheblich gestiegene Ausgaben der Sozialversicherung zurückzuführen.
Neuer Beschäftigungshochstand
Insgesamt legte der Staat 2024 ein Finanzierungsdefizit von 113 Milliarden Euro vor, 5,5 Milliarden Euro mehr als noch im Vorjahr. Die Defizitquote, also das Defizit gemessen am BIP, blieb allerdings bei minus 2,6 Prozent.
Erstaunlich: Deutschland erreichte 2024 einen neuen Beschäftigungshöchststand. Demnach waren im Jahresschnitt 46,1 Millionen Menschen mit Arbeitsort in Deutschland erwerbstätig, 0,2 Prozent mehr als im Vorjahr.
Allerdings spielte sich dieser Zuwachs laut Statistikamt ausschließlich in Dienstleistungsbereichen ab, vor allem im Bereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit. Dagegen ging die Zahl der Erwerbstätigen im Produzierenden Gewerbe zurück.
2025 nur leichte Besserung in Sicht
Davon unbenommen bleibt zudem, daß die Arbeitslosenquote zuletzt leicht gestiegen ist. Beobachter wie die Ökonomin Veronika Grimm rechnen damit, daß sich dieser Trend auch im Jahr 2025 fortsetzt.
Für 2025 rechnen die Wirtschaftsweisen der Bundesregierung 2025 nur mit einem leichten Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent. Die Bundesbank geht derzeit von einer Steigerung um 0,2 Prozent aus. Im Sommer hatte die Bank noch ein deutlich stärkeres Wachstum von 1,1 Prozent prognostiziert. (ser)