Der einst mächtige Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der ergrünte Bundesverband für Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) waren sich einig: Die EU-Gebäuderichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive/EPBD) muß ambitioniert bleiben – ohne Rücksicht auf Kosten und Verluste, um die Ziele des „Fit for 55“-Programms bis 2023 und einen „klimaneutralen Gebäudebestand“ bis 2050 in der EU herzustellen. „Mindeststandards für die energetisch schlechtesten Gebäude“ einzuführen, sei daher „folgerichtig und wird unterstützt“, so die Lobbyisten Holger Lösch (BDI) und Kirsten Westphal (BDEW) in einem Schreiben an Europaparlamentarier.
Der deutsche „Heizungshammer“, das im September von der Ampelkoalition im Bundestag durchgepeitschte Gebäudeenergiegesetz (GEG), reicht ihnen offenbar nicht aus. Der im März vom EU-Parlament (EP) verabschiedete EPBD-Entwurf sieht vor, daß so gut wie jedes der 113 Millionen Gebäude in der EU renoviert werden muß – gleich ob privates Ein- oder Mehrfamilienhaus, öffentlich oder gewerblich –, um letztlich ein „Passivhaus“ zu werden. Das ist eine Art Thermoskanne, die sich von der Wärme der Bewohner und der Haushaltsgeräte weitgehend selbst heizt.
Zu geringe Zuschüsse, zu hohe Steuern
Schimmel und Brandgefahren lassen grüßen. Zunächst sollen in jedem Land die 30 Prozent am schlechtesten isolierten Gebäude der Klassen F bis 2027 und G bis 2030 zwangssaniert werden. Um die Zustimmung der Südländer zu sichern, deren Gebäudebestand seit der Römerzeit eher für den luftigen Durchzug im Sommer gebaut sind, gelten diese Quoten auch für den viel besser isolierten Baubestand von Mittel- und Nordeuropa. Weil die ärmsten Haushalte meist in unsanierten Altbauten leben, werden 150 Milliarden Euro an EU-Zuschüssen aus den Regional-, Kohäsions- und Coronafonds versprochen. Klingt nach viel, macht aber bei den 40 Millionen zuerst betroffenen Gebäuden gerade einmal 3.750 Euro pro Anwesen aus. Das reicht nicht einmal für eine neue Eingangstür.
Dazu will die EU-Kommission ihr Emissionshandelssystem (ETS) auf Gebäude und den Verkehr ausweiten. Es blühen für Auto und Wohnung also zusätzliche CO2-Steuern. Den schwarzen Peter von Verkaufsverboten für „fossile“ Brennstoffe will Brüssel allerdings den Mitgliedstaaten zuschieben. Sie sollen entscheiden, wie Boiler und Heizungen am schnellsten zwangsweise elektrifiziert werden. All das ist ein Jahrhundertgeschäft für die Bauindustrie, Dämmstoffproduzenten und Wärmepumpenhersteller – wenn nicht, wie bei der Photovoltaik, die Chinesen nicht wieder schneller und billiger sind.
Widerstand gegen die Gebäuderichtlinie
Ursprünglich hatten die Ampel-Parteien dem Kommissionsentwurf zugestimmt. Angesichts der zuwanderungsbedingten Wohnungsnot und des wachsenden AfD-Zuspruchs wurde der EPBD-Entwurf von den deutschen Verhandlungsführern vorige Woche zusammen mit dem „rechten“ Italien entschärft. Christian Lindner (FDP) sah den „sozialen Frieden gefährdet“, Bauministerin Klara Geywitz (SPD) lehnt eine „allgemeine Sanierungspflicht per Gesetz“ als „verfassungswidrig“ ab. Die späte Einsicht ist durchaus logisch, läuft die EPBD-Richtlinie doch auf massenhafte Enteignungen hinaus, die dem Recht auf Eigentum des Grundgesetzes (Artikel 14) und des Lissabonner Vertrags (Artikel 17) fundamental widersprechen. Ein Rentnerehepaar, das seinen Lebensabend im hart erarbeiteten Häuschen verbringen will, hat keine Chance auf einen Bankenkredit für die Sanierungskosten. Dann drohen Notverkauf, Abriß und die Einweisung ins Altersheim – dank Klimawahn, Industrielobby, EU-Kommission und „woker“ EP-Mehrheit.
Auch eine Abstimmung im EP-Umweltausschuß macht Hoffnung. Dort stimmten die Liberalen (Renew), Christdemokraten (EVP), Konservativen (EKR) und Rechten (ID) erstmals gemeinsam mit 52:32 Stimmen gegen Rot-Rot-Grün. Sie milderten damit den Kommissionsvorschlag zur Einführung der Euro-7-Abgasnorm für Pkws und Kleintransporter, die auf ein faktisches Verbot von Verbrennungsmotoren hinausgelaufen wäre, ab. Auch Frankreich, Italien, Tschechien, die Slowakei, Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien sind für die Verschiebung der radikalen Abgasnorm. Im November muß das gesamte EP entscheiden. Wenn das neue Bündnis der automobilen Vernunft hält, haben Käufer von Benzin- und Dieselautos zumindest ein Problem weniger. Dann folgt noch der „Trialog“ mit EU-Kommission, EP und Ministerrat. Ein kleiner Etappensieg, besser als nichts.