WEIMAR/BERLIN. Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) haben die AfD als das größte Standortrisiko für Deutschland bezeichnet. Die Äußerungen fielen kurz nach dem überraschend starken Rückgang des Ifo-Geschäftsklima-Indexes. Dieser deutet daraufhin, daß Deutschland auch im zweiten Halbjahr nicht aus der Rezession kommt.
Ein weiteres Erstarken der AfD könne dazu führen, daß internationale Großkonzerne mit guten Arbeitsplätzen fernblieben, sagte Lindner nach übereinstimmenden Medienberichten gestern in Weimar. Er nahm dabei vor allem Ostdeutschland in den Blick. Die AfD hatte in Thüringen am Sonntag den ersten Landratsposten gewonnen.
Faeser: AfD schadet Standort Deutschland
Ähnlich äußerte sich Faeser: „Die AfD schürt ein Klima, das dem Standort Deutschland schadet“, sagte sie den Funke-Zeitungen. „Ein solches Klima schreckt qualifizierte Arbeits- und Fachkräfte aus dem Ausland, die unsere Wirtschaft dringend braucht, ab. So wird die AfD zum Chancen-Tod gerade für die Regionen, die wirtschaftlichen Aufschwung brauchen und dafür dringend auf qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind.“
Ökonomen sind sich derweil einig, daß Deutschland auf dem Wege sei, „kranker Mann Europas“ zu werden. Es deutet sich keine schnelle Wirtschaftserholung an. Die Bundesrepublik werde weiter in der Rezession stecken bleiben. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sagte gegenüber der Welt zum Ifo-Index: „Wir fühlen uns bestätigt in der Prognose, daß die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte erneut schrumpfen wird.“
Nur Deutschland unter Vor-Corona-Niveau
Laut der Voraussagen auch anderer Experten werde Deutschland unter den Euro-Ländern weiter zurückfallen. Schon jetzt ist die Bundesrepublik die einzige große Volkswirtschaft, deren Ökonomie unter dem Vor-Corona-Niveau steht.
Das Ifo-Geschäftsklima fiel im Vergleich zum Mai im Juni von 91,5 auf 88,5 Punkte – und damit das zweite Mal in Folge. Noch stärker brachen die Geschäftserwartungen ein. Der Index dafür fiel von 88,3 auf 83,6 Zähler. Besonders dies gilt als Frühindikator für die weitere Wirtschaftsentwicklung. „Ein Wert von 83,6 Punkten bei den Geschäftserwartungen deutet auf ein Minus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 0,5 Prozent hin“, schreibt die Welt.
Unternehmer machen Ampel verantwortlich
Anders als die Politik machen die Unternehmer allerdings nicht die AfD für den Abschwung verantwortlich – sondern die Bundesregierung. Sie klagen über die höchsten Energiepreise in Europa und zahlreiche Regularien. Auch die Automobilindustrie, die Stütze der deutschen Wirtschaft, leidet unter der Energiepolitik. Zulieferbetriebe wandern ins Ausland ab oder melden Insolvenz an. Zuletzt kritisierten die Familienunternehmer die wirtschaftlichen Standortbedingungen scharf.
Während Wirtschaftsminister Robert Habeck an seinen optimistischen Wachstumsprognosen von bis zu 1,9 Prozent festhält, hat die Bundesbank ein weiteres Schrumpfen vorausgesagt. Für Spanien dagegen prognostiziert die dortige Notenbank ein Wachstum von 2,3 Prozent. Auch für Italien und Frankreich sagen Experten einen Aufschwung voraus. (fh)