FRANKFURT/MAIN. Bei seiner Entscheidung, die Käufe von Staatsanleihen wieder aufzunehmen, hat der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, gegen den ausdrücklichen Rat seiner hauseigenen Experten gehandelt. Wie die Financial Times berichtet, hat der geldpolitische Ausschuß der Notenbank, in dem Experten der 19 nationalen Notenbanken sitzen, Draghi davor gewarnt, die monatlichen Anleihekäufe in Höhe von 20 Milliarden Euro ab November wieder aufzunehmen.
Zwar sind die Empfehlungen des Ausschusses nicht bindend, allerdings hat es in Draghis achtjähriger Amtszeit nur wenige Fälle gegeben, in denen er dem Rat nicht gefolgt ist. Auch die Entscheidung im Rat der EZB war im September nicht einstimmig gefallen. Es habe ein „breites Meinungsspektrum“ gegeben, sagte Draghi damals.
Nationale Notenbankchefs gegen Draghi
Nationale Notenbankchefs kritisierten Draghis Vorstoß. Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau hält eine Wiederaufnahme der FAZ zufolge für unnötig. Die Notenbank-Präsidenten aus Österreich und den Niederlanden sehen den Schritt skeptisch. Bundesbank-Chef Jens Weidmann – seit Jahren ein Kritiker der Anleihenkäufe – gab zu Protokoll, die EZB sei mit ihrem Paket über das Ziel hinausgeschossen. Zu den Maßnahmen gehören neben den Anleihenkäufen auch eine erneute Erhöhung der Negativzinsen von 0,4 auf 0,5 Prozent.
Ende September hatte bereits die deutsche EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger ihren Rücktritt aus dem Währungshütergremium bekanntgegeben. Sie zählt zu den Kritikern einer lockeren Geldpolitik. Die EZB hatte ihr Anleihenkaufprogramm im Dezember 2018 beendet. Von März 2015 bis Ende 2018 steckten die Währungshüter rund 2,6 Billionen Euro in Staats- und Unternehmensanleihen. Durch die Wiederaufnahme der Maßnahmen sollen Unternehmen und Verbraucher leichter Kredite aufnehmen und damit die Wirtschaft ankurbeln können. (tb)