Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann, wagte auszusprechen, was jeder weiß, aber kaum einer sich zu sagen traut: Das Euro-Rettungspaket in Höhe von (vorläufig) 750 Milliarden Euro wird nichts daran ändern; Griechenland wird seine Staatsschulden niemals zurückzahlen können.
Hunderte von Milliarden Euro werden auch nach Ansicht des Chef-Volkswirts der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, lediglich dafür verschwendet, Zeit zu gewinnen. Der ehemalige Chef der amerikanischen Zentralbank und heutige Wirtschaftsberater des amerikanischen Präsidenten, Paul Volcker, prophezeit offen: Der Euro droht sich aufzulösen.
All das reicht eigentlich schon als Begründung aus, um die internationale Flucht aus dem Euro anzutreten. Tatsächlich ist der Kurs des Euro zum US-Dollar nach der Ankündigung der bedingungslosen Unterstützung mit praktisch unbegrenzten Staatshilfen innerhalb von wenigen Tagen auf den tiefsten Stand seit Jahren gefallen.
Mißtrauen in den Euro verstärkt
Die chinesische Regierung, weltweit größter Besitzer ausländischer Devisenreserven, hat bereits angekündigt, große Beträge seiner Euro-Bestände, insgesamt vermutlich 500 Milliarden Euro, abstoßen zu wollen.
Fangen die Chinesen an, dafür Dollar zu kaufen, dürfte der Euro-Kurs schnell seinen Tiefststand zu Beginn der Währungsunion von 82 US-Cent erreichen und höchstwahrscheinlich unterschreiten. Zu Ende ist bereits jetzt das Märchen vom Euro als neuer Weltreservewährung, die den Dollar ablösen werde.
Der aktuelle Werteverfall der Euro spiegelt sich auch im Goldpreis wider. Die Feinunze Gold (31,1 Gramm) kostet soviel wie noch nie – 994 Euro. Damit stieg der Goldpreis gegenüber dem Vormonat um fast 20 Prozent. Die Euro-Rettungsmaßnahmen der europäischen Regierungen sind damit nicht nur verpufft, sie haben die Märkte noch mehr verunsichert und das Mißtrauen in den Euro weiter verstärkt.
Griechenland zahlt mit frischgedrucktem Geld
Die bereits eingetretene Flucht aus dem Euro wird sich in den nächsten Wochen gesteigert fortsetzen, wenn die Menge der frei vagabundieren Euro durch die großzügige Geldvermehrung der EZB vervielfacht wird.
Der neuerdings praktizierte Ankauf der maroden griechischen Staatspapiere führt zu einer direkten Erhöhung der zirkulierenden Euro. Griechenland zahlt mit dem frischgedruckten Geld seine Gläubiger aus, die sich hüten werden, jemals wieder griechische Staatspapiere zu kaufen. Sie werden, wenn sie dafür kein Gold oder US-Dollar (oder andere Nicht-Euro-Währungen wie den Schweizer Franken) erwerben, ihr Geld in Sachwerten aller Art anlegen.
In gleicher Weise werden künftig die Gläubiger portugiesischer und spanischer Staatspapiere verfahren. Die Rückzahlung ihrer alten Anleihen ist ebenfalls durch frisches EZB-Geld sichergestellt. Die Neigung, erneut das Abenteuer einer Geldanlage in Staatsschulden maroder Euro-Länder zu suchen, wird gegen Null sinken. >>
Wenig überzeugend wirken die geheimnisvollen Ankündigungen des noch amtierenden EZB-Chefs Jean-Claude Trichet, man wolle die zusätzlich ausgegebenen Euro-Gelder an anderer Stelle wieder „abschöpfen“. Wie soll das geschehen? Allenfalls wäre denkbar, daß die EZB den Banken oder den privaten Gläubigern eine direkte Geldanlage bei der EZB zu hohen Zinsen anbietet.
Damit würde die allseits so verachtete Spekulation von der EZB selbst nochmals kräftig anheizt. Die Anleger werden überlegen, ob und wie lange sie noch auf die hohen Zinszahlungen Griechenlands und der anderen Problemländer spekulieren können. Solange ihnen die Europäische Zentralbank die maroden Papiere letztlich immer abkauft, sichert das einen exzellenten Profit. Die EZB könnte da nur mit annähernd gleich hohen Zinsversprechen gegenhalten.
Inflationsrisiko steigt
Zudem muß auch die Europäische Zentralbank die Geldeinlagen irgendwann einmal zurückzahlen. Die Geldausweitung wäre also nur verschoben. Wer in die EZB-Papiere investiert, wird sich dann genau überlegen, was dieses Geld nach der Rückzahlung noch wert ist. Die Inflation, die in der Zwischenzeit eingesetzt hat, kann jeglichen Zinsgewinn zunichte machen.
Liegt der Goldpreis in zwei Jahren bei 1.500 Euro, dann bedeutet selbst ein EZB-Zinsversprechen von zehn Prozent einen herben Anlageverlust. Die unglaubwürdige EZB-Rückkaufaktion vernichtet noch die letzten Reste an Seriosität der Europäischen Währungshüter. Damit nimmt nur die Unsicherheit über die Zukunft des Euro und die Abneigung vor Euro-Geldanlagen weiter zu.
Mit der Flucht in die Sachanlagen steigt gleichzeitig das allgemeine Inflationsrisiko. Dollarkurs und Goldpreis sind gleichsam die ersten und schnellsten Indikatoren. Die Flucht beispielsweise in das „Betongold“, also Immobilienkäufe, dauert etwas länger. Andere Sachanlagen wie Unternehmensanteile, Aktien oder Rohstoffe stehen zunächst auf der Beobachtungsliste. Noch baut sich die allgemeine Inflationserwartung auf.
Beschwichtigungsversuche helfen nicht mehr
Noch hat der Dammbruch der EZB-Liquidität das Euro-Land nicht überflutet. Noch sind die Anleger durch den ungeheuren Tabubruch der Europäischen Zentralbank vielfach gelähmt und unfähig, die Tragweite der Aufhebung des Euro-Stabilitätskorsetts vollständig zu erfassen. Aber das kann sich schnell ändern.
Steigen die Verbraucherpreise über die bisher gewohnten jährlichen zwei Prozent, dann ist der Schritt zur Hyperinflation mit fünf bis zehn Prozent Kaufkraftverlust schnell vollzogen. Dann helfen auch keine Beschwichtigungsversuche und Durchhalteparolen der Regierung mehr.
Jegliche Geldmengenabschöpfungstricks der Europäischen Zentralbank sind dann zum Scheitern verurteilt, und die Prognose des amerikanischen Ex-Notenbankchefs Volcker tritt ein: Der Euro verschwindet. Davon geht Europa nicht unter, aber ein großer Teil des Vermögens gutgläubiger Bürger, die ihren Politikern und dem Euro bis zum bitteren Ende vertraut haben.
JF 21/10
> „Die Reißleine zieht man, wenn man im freien Fall ist“: Ein Interview mit dem Wirtschaftswissenschaftler Manfred J. Neumann, der dagegen einen Ausstieg aus dem Euro für unrealistisch hält.