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Zigarettenschmuggel: Blauer Dunst von gelber Hand

Zigarettenschmuggel: Blauer Dunst von gelber Hand

Zigarettenschmuggel: Blauer Dunst von gelber Hand

Zigaretten
Zigaretten
Zigarettenschmuggel
 

Blauer Dunst von gelber Hand

Der Handel mit geschmuggelten Zigaretten in Deutschland blüht, das Vorgehen von Polizei und Zoll gegen vor allem vietnamesische Banden wirkt zumeist hilflos. Wie das Geschäft vor sich geht, kann man besonders in Berlin beobachten.
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Zigaretten
Zigaretten: Deutschlandweit ein steuerlicher Schaden von rund vier Milliarden Euro Foto: Pixelio/fotomira

Der junge Ostasiate lächelt entspannt und sieht nicht so aus, als fürchte er, im nächsten Moment von der Polizei verhaftet zu werden.  Während er lässig an der Wand eines Berliner S-Bahnhofs lehnt, eine Tüte mit Zigarettenschachteln neben sich an einen Haken gehängt, wartet er auf Kundschaft.

Ein Mann mittleren Alters kommt mit einem Beutel in der Hand vorbeigeschlendert und scheint seinen Geschäftspartner schon zu kennen. Nachdem er sich ihm genähert hat, öffnet sich der Beutel, einige Schachteln Zigaretten fallen hinein und Geld wechselt den Besitzer. Polizei? Weit und breit nicht in Sicht.

Es sind Szenen wie diese, die dem Fiskus zunehmend Sorgen bereiten, und die mittlerweile dazu geführt haben, daß es in der Liste der meistverkauften Zigarettenmarken Berlins einen Neu-Einsteiger gibt: „Jin Ling“, eine aus Rußland stammende Schmuggelzigaretten-Marke, die sich auf Platz sieben vorgearbeitet hat. Deutschlandweit liegt die Marke, die für zwei Euro vor Supermärkten und in Bahnhöfen angeboten wird, zum Ärger der legalen Konkurrenz auf Platz neun.

Wirtschaftlicher Schaden für Staat und Industrie

 Wie bei vielen anderen Kriminalitätsfeldern wird Berlin auch beim Zigarettenschmuggel seiner Rolle als Hauptstadt auf unrühmliche Weise gerecht. Ein Großteil der jährlich insgesamt 4,6 Milliarden nach Deutschland eingeschmuggelten Zigaretten wird in und um Berlin entdeckt und beschlagnahmt. „Berlin ist ein Verteilerzentrum für den gesamten Osten Deutschlands“, beklagt der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, gegenüber dem Tagesspiegel. Jeder zweite Berliner soll bereits geschmuggelte Zigaretten genossen haben. Und der Markt ist fest in vietnamesischer Hand.

Expertenschätzungen zufolge entgehen der hoch verschuldeten Bundeshauptstadt jährlich etwa 50 Millionen Euro durch Zigarettenschmuggel – knapp 17 Cent pro Zigarette. Deutschlandweit wurde 2008 ein steuerlicher Schaden von rund vier Milliarden Euro verursacht. Hinzu kommt laut einer Studie des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts ein Verlust von rund 1,2 Milliarden Euro für Industrie und Handwerk, denn der Anteil schwarz gekaufter Zigaretten beträgt in Deutschland mittlerweile ein Fünftel. EU-weit geht man von einem jährlichen Gesamt-Steuerschaden in Höhe von etwa zehn Milliarden Euro aus.

In zunehmender Sorge um die wirtschaftlichen Folgen des Schwarzhandels hatte der Tabakriese Philip Morris vor einigen Jahren eine Kampagne in Deutschland gestartet. „Zigaretten sollten Sie nicht irgendwo kaufen“, stand auf zahlreichen Plakaten und Anzeigen. Dem Europachef des Tabakkonzerns Reemtsma, Richard Gretler, geht dies nicht weit genug: Im Hamburger Abendblatt fordert er „härtere Strafen, also Haft statt nur Geldstrafen“ für Zigarettenschmuggel. Angesichts von Milliardenprofiten könne man „keinen Kriminellen mit einem Strafbefehl über 30.000 Euro beeindrucken.“

Gesteigerte Gewaltbereitschaft 

Mittlerweile können Polizei und Zoll in ihrem Kampf gegen die vietnamesischen Zigarettenmafia aber immerhin auf vereinzelte Erfolge verweisen. So gelang es den Behörden in Berlin, die Zahl der illegalen Verkaufsplätze seit 1999 von 850 auf 350 zu senken, 953 Ermittlungsverfahren durchzusetzen, 446 Haftbefehle zu vollstrecken und dabei 70 Millionen Zigaretten sicherzustellen. Doch ist auch das nicht mehr als der vielzitierte Tropfen auf den heißen Stein.

Und daher werden in Deutschland auch nur etwa ein Viertel der ins Land geschmuggelten Zigaretten sichergestellt. Vielleicht auch, weil Polizeieinsätze auf diesem Gebiet immer gefährlicher werden. „Wir beobachten seit geraumer Zeit eine gesteigerte Gewaltbereitschaft der im Zigarettenschmuggel tätigen Kuriere“, warnt der Berliner Zollfahndungs-Sprecher Norbert Scheithauer in der B.Z. „Verfolgungsjagden mit Fahrzeugdurchbrüchen oder Fluchtversuchen nach Mißachtung von Haltungszeichen sind keine Seltenheit mehr.“

Ohnehin kommt es aber nicht darauf an, „nur zu beschlagnahmen, sondern die Haupttäter auch zu verfolgen“, betonte der stellvertretende Leiter der Hamburger Zollfahndung, Bernhard Weber im Hamburger Abendblatt. Daß man hierbei immer mehr an Boden verliert, gibt auch ein Berliner Fahnder gegenüber der B.Z. zu: „Nehmen wir einen Vietnamesen fest, steht am nächsten Tag ein neuer da. Die Zigarettenmafia ist unterdessen so flexibel, daß sie Ausfälle verkraften kann.“

Rechtsbrüche vor den Augen der Öfffentlichkeit

Daß diese Tatsache jedoch oft als Rechtfertigung für rechtsfreie Räume angeführt wird, stößt bei vielen Bürgern allerdings  auf wenig Verständnis, zumal angesichts der häufig öffentlichen Sichtbarkeit von organisierter Schwerstkriminalität. So etwa in dem Berliner Vorort Mahlow, wo schon seit vielen Jahren regelmäßig, gut sichtbar und ausgerechnet vor einer Grundschule Kindern Zigaretten angeboten werden. Vor Jahren sorgten zwei Leserbriefe in der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) überhaupt erst dafür, daß die Gemeinde sich des Problems annahm.

Unter anderem beklagte ein Schüler, daß er von der Polizei ein Bußgeld in Höhe von 25 Euro aufgedonnert bekommen hatte, weil er während des Fahrradfahrens mit seinem Mobiltelefon hantierte. Nur wenige hundert Meter entfernt trieb gleichzeitig die vietnamesische Zigarettenmafia ihr Unwesen. Polizeikommissar Bernd Wolf gab daraufhin im MAZ-Interview zu verstehen, daß „die Möglichkeiten, in das Katz-und-Maus-Spiel einzugreifen“, leider „begrenzt“ seien, denn die Schwerpunkte seiner Dienststelle lägen vor allem auf der „Bekämpfung der Eigentumskriminalität und der Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung“.

In der Folge wandte sich der zuständige Bürgermeister Ortwin Baier (SPD) mit Unterstützungs-Ersuchen mehrmals an das Potsdamer Hauptzollamt, jedoch erfolglos. Gegenüber der Bundesfinanzdirektion beklagt er schließlich die andauernden Rechtsbrüche vor den Augen der Öfffentlichkeit, „ohne daß der Zoll hier eine nachhaltige Änderung herbeigeführt hat“. Ebenfalls ohne Erfolg. Noch immer können vor der Grundschule problemlos illegale Zigaretten erworben werden. Vielleicht auch jene von „Jin Ling“.

JF 23/10

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