Die Demokratie in den USA ist in Wahrheit keine. Sie ist vielmehr die Inszenierung von Politik durch zwei große Parteien, die wiederum einer sie steuernden Macht im Hintergrund ergeben sind: der Wirtschaft und den Banken. Der Mann, der dies in solcher Deutlichkeit ausspricht und es alle vier Jahre in den US-Präsidentschaftswahlkampf trägt, heißt Ralph Nader. Für viele ist er „der Verbraucheranwalt“. Am 27. Februar feiert er seinen 75. Geburtstag.
Nader genießt eine hohe Popularität, weil er sich unerschrocken mit großen Konzernen anlegt, um bessere Umweltstandards oder Sicherheitsbestimmungen durchzusetzen. Den Kampf gegen McDonald’s, Microsoft & Co. hat er zu seinem Lebensinhalt erkoren. Er lebt einen genügsamen Lebensstil vor: Der Junggeselle ist Vegetarier, verzichtet auf einen eigenen PKW und benutzte lange Jahre statt eines PCs weiterhin seine alte Schreibmaschine.
Nader wurde 1934 in Winsted/Connecticut geboren. Der Sohn katholisch-chaldäischer Maroniten aus dem Libanon studierte Jura an den Elite-Universitäten Princeton und Harvard. Er hielt Vorlesungen an der Universität von Hartford, später in Princeton. In jenen Jahren bereits erwarb er sich den Ruf eines engagierten Anwalts von Verbraucher- und Arbeitnehmerrechten. Landesweit bekannt wurde er, als er in seinem 1965 veröffentlichten Buch „Unsafe at Any Speed“ dokumentierte, daß viele US-Autos Konstruktionsschwächen aufwiesen. Das Buch hatte Anhörungen im Kongreß und eine Reihe von Gesetzen zur Verbesserung der Sicherheit von Fahrzeugen zur Folge.
Daneben war ihm der Umweltschutz frühzeitig ein Anliegen. Gemeinsam mit anderen Anwälten, den „Nader’s Raiders“, engagierte er sich für bessere Tierschutzgesetze und für strengere Emissionsgrenzwerte. Als früher Gegner der Kernkraft empfing er 1975 eine deutsche Bundestagsdelegation, der auch der prominente CDU-Umweltpolitiker Herbert Gruhl angehörte. In die aktive Politik stieg Ralph Nader – der nie ein Parteibuch besaß – zur Präsidentschaftswahl 1996 ein. Von der Green Party nominiert, begründete Nader seine Kandidatur mit seiner Enttäuschung über die Umwelt- und Sozialpolitik der Clinton-Regierung. Obwohl er nur in 22 US-Bundesstaaten kandidierte, erhielt Nader 567.000 Stimmen.
Vier Jahre später erzielte er schon drei Millionen Stimmen (2,8 Prozent). Dadurch wurde Nader das Zünglein an der Waage, und bei den US-Demokraten herrschte heilloses Entsetzen, da er ihrem Kandidaten Al Gore in Florida entscheidende Stimmen genommen und damit indirekt George W. Bush zum ersten Wahlsieg verholfen hatte. Dies war auch der Grund, weshalb die Grünen ihn 2004 nicht mehr nominierten – sie wollten nicht erneut zum Königsmacher der Republikaner werden. Die Demokraten ließen nichts unversucht, Naders Kandidatur zu verhindern. Sein bisheriger Verbündeter, der Filmemacher Michael Moore, bekniete ihn, auf einen Wahlantritt zu verzichten.
In dieser Situation fand Nader neue Verbündete bei der eher rechten Reform Party, die 1996 von dem texanischen Milliardär Ross Perot gegründet worden war. Im Jahr 2000 hatte für die Reform Party der konservative Publizist Patrick Buchanan auf dem Stimmzettel gestanden. In Buchanan fand Nader bei seiner Kandidatur 2004 daher einen publizistischen Sekundanten. In Buchanans Magazin The American Conservative erklärte Nader beispielsweise, daß die Bewahrung der Natur und der Familie konservative Ziele seien und er außerdem für einen „lokal verankerten Patriotismus“ und die Begrenzung der Einwanderung stehe. „Ich bin fest entschlossen, die Situation in meinem Land zu verändern. Es ist meine Form des Patriotismus“, versprach Nader bei seiner damaligen Nominierung. Er verwies auch darauf, daß die Politik des Landes „fest im Würgegriff der Wirtschaft“ und die Bush-Regierung „eine Marionette Israels“ sei.
Am Ende erhielt er bei einer Kandidatur in 29 Bundesstaaten knapp 400.000 Stimmen – die hätten John Kerry allerdings nichts genützt, so hoch war Bushs Vorsprung. Trotz dieses Rückschlags war sein Name vier Jahre später erneut auf dem Stimmzettel zu finden. Diesmal trat Nader als Unabhängiger an, unterstützt von einigen kleineren Gruppierungen wie der Ecologist Party of Florida oder der New Mexico Independent Party. Wie auch bei den Wahlkämpfen zuvor begründete er seinen Antritt damit, daß die Kandidaten der beiden großen Parteien, John McCain und Barack Obama, Erfüllungsgehilfen wirtschaftlicher Interessengruppen seien. Am 4. November 2008 stimmten ihm darin über 685.000 Wähler zu.