Noch vor zwei Monaten versicherte der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank, daß die US-Finanzkrise kaum Auswirkungen auf die Alpenrepublik haben werde. Die österreichischen Banken, so erklärte Ewald Nowotny (SPÖ), seien keine Investmenthäuser und machen ihre Geschäfte vornehmlich mit Einlagen privater Sparer. Das mag zwar für den heimischen Markt zutreffen, für Österreichs Engagement in Ost- und Südosteuropa stimmt das aber nicht. Dort bauten sich Österreichs Banken seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ein dichtes Vertriebsnetz auf. Sie investierten fleißig in die neuen Hoffnungsmärkte, die einst Teil der k.u.k-Monarchie waren. So ist die Erste Bank mit 3.000 Filialen und 54.000 Mitarbeitern in acht Ländern tätig. Sie hat dort 17 Millionen Kunden und konnte im ersten Halbjahr 2008 den Gewinn um 12,5 Prozent auf 637 Millionen Euro steigern. Nicht minder erfolgreich tätigte die Raiffeisen Zentralbank ihre Ost-Geschäfte. 14 Millionen Kunden werden von 61.800 Mitarbeitern in über 3.000 Geschäftsstellen betreut. Raiffeisen International (RI) ist die größte westliche Bankengruppe in Rußland, der Ukraine und in Weißrußland. Seit 1991 ist auch die Volksbank bei den östlichen Nachbarn im Geschäft. Heute verfügt die Volksbank in neun Ländern über 570 Vertriebsstellen, zählt 1,3 Millionen Kunden und beschäftigt 5.700 Mitarbeiter. Im Ostgeschäft sind auch kleine Institute wie die Steiermärkische oder die Hypo Alpen Adria Kärnten. Diese Zahlen sind beeindruckend, verbergen aber die Risikobereitschaft, mit der die Österreicher im Osten operierten. Die Erste, die in den vergangenen zehn Jahren im Osten auf das Zehnfache gewachsen ist, profitiert vom europäischen Osten ebenso wie die RI, die den Gewinn im ersten Halbjahr 2008 um knapp 41 Prozent auf 566 Millionen Euro steigern konnte. Jetzt aber droht dem Osten wegen der internationalen Finanzkrise der wirtschaftliche Kollaps. Stephen Jen, Stratege der US-Bank Morgan Stanley, bezeichnete kürzlich das marode Finanzsystem in Osteuropa und in den Schwellenländern als zweites Epizentrum der globalen Finanzkrise. Österreichs Banken stehen mitten in diesem Epizentrum. Sie haben allein an die europäischen Schwellenländer Kredite in Höhe von knapp 250 Milliarden Euro vergeben. Das sind immerhin 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Österreichs. Und diese Länder stehen nicht nur bei Österreichs Banken im dicken Minus. Rechnet man die Summe aller Kredite der Länder in Osteuropa (außer Rußland) zusammen, ergibt das einen Schuldenberg von 1,6 Billionen Dollar. Ihnen droht der Staatsbankrott, weil sie mit der Tilgung ihrer Schulden nicht mehr nachkommen. Solche Prognosen machen nervös und zwingen zum Handeln. Der österreichische Nationalrat hat deshalb ein Hilfspaket von 15 Milliarden Euro schnüren müssen, um die Eigenkapitalausstattung der Banken zu sichern. Zunächst mußte nur die Wiener Constantia Privatbank auf das staatliche Rettungsprogramm zurückgreifen. Sie wurde mit neuem Kapital ausgestattet und zu 100 Prozent von fünf österreichischen Banken übernommen. Die österreichischen Großbanken schienen auf die staatlichen Finanzmittel verzichten zu können. „Wir brauchen sie nicht“, meinte etwa Erste-Chef Andreas Treichl (ÖVP). Das änderte sich aber schlagartig mit den Hiobsbotschaften aus Osteuropa. Dort haben Unternehmen und Privatkunden bei Österreichs Banken einen Schuldenberg von 300 Milliarden Dollar angehäuft. Zunächst beanspruchte die Erste 2,7 Milliarden Euro an staatlichen Finanzmitteln. Der frühere Creditanstalt-Bankverein-Chef und Ex-SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch meint, daß alle österreichischen Banken Hilfe brauchen werden. Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz koppelt diese Finanzspritzen an Grundbedingungen wie eine Arbeitsplatzgarantie, transparente Managerverträge und strenge Auflagen bei Dividendenausschüttungen. Außerdem sind die Banken dazu verpflichtet, in den nächsten Jahren Kredite über sechs Milliarden Euro zu Marktkonditionen und insbesondere an Klein- und Mittelbetriebe zu vergeben. Derartige Feuerwehreinsätze gibt es aber nicht nur in Österreich. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schmiedet derzeit schon an Rettungsaktionen für Ungarn, Serbien und die Ukraine. Der IWF sendet Milliardenbeträge nach Kiew, um das Land vor einem Kollaps zu bewahren. Gerüchte um einen nahen Staatsbankrott verunsichern Investoren und hemmen die wirtschaftliche Entwicklung. Das spürt vor allem RI, die in der Ukraine stark engagiert ist. Auch Budapest erhält von IWF, EU und Weltbank eine 20-Milliarden-Euro-Spritze. Die Bonität der Ostländer und ihrer Banken wurde bereits nach unten revidiert. Schnelles Geld dürfte dort keines mehr zu verdienen sein. Die Aktien von Erste und RI sind derzeit im Keller. Die Erste notiert auf dem tiefsten Stand seit März 2003. Noch dramatischer setzte die RI ihre Talfahrt an: Die Aktie fiel zweistellig und liegt damit auf dem tiefsten Stand seit dem Börsengang. Österreichs Banken greifen wohl deshalb auf die staatlichen Geldquellen zu. Sie sitzen auf faulen Krediten und drehen ihre Geldhähne zu. So hat etwa die italienische Uni-Credit, zu der die Bank Austria gehört, ihr Ostgeschäft für 2009 eingestellt. Die Österreicher wollen von einem Investitionsstopp jedoch nichts wissen. Die Manager von Erste und RI glauben, daß der Markt im Osten weiter wachsen wird und sich die Banken-Töchter im Osten refinanzieren können. Das Ost-Engagement der österreichischen Banken wird verständlich, wenn man bedenkt, daß der Heimmarkt Österreich für manche Institute im Vergleich zum Osten nur noch einen Nebenschauplatz darstellt.