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Denke wie ein Philosoph und rede wie ein Bauer

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Es gibt ein Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Es gibt ein Sozialgesetzbuch (SGB). Und 2009 soll es auch ein Umweltgesetzbuch (UGB) geben. Wie ist der Stand der Dinge? Darum ging es vorigen Monat auf einer hochkarätigen Fachtagung in Berlin, die von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer (DHV) zusammen mit der Berliner Humboldt-Universität veranstaltet wurde. Den Tenor gab DHV-Professor Michael Kloepfer vor: Über das Projekt reden wir seit dreißig Jahren, abgeschlossen ist es noch immer nicht. Seine Vor- und Nachteile, seine Risiken seien oft genug beschrieben worden. Die Grundsatzdebatte sei entschieden. Die verfassungsrechtlichen Hürden habe die Föderalismusreform I beseitigt. Dreihundert Änderungsvorschläge wurden besprochen, viele Bedenken ausgeräumt. Nun müsse das Werk endlich zum Abschluß kommen. Das Werk ist die Zusammenfassung (Kodifikation) der in Deutschland geltenden und länderspezifisch teilweise abweichenden Vorschriften zum Umweltschutz in einem gemeinsamen Gesetzbuch. Kloepfers Vorgabe wurde von der Mehrheit der Teilnehmer geteilt. Widerspruch kam vor allem aus Bayern: „Wir brauchen das Umweltgesetzbuch doch gar nicht,“ erklärte Matthias Weigand, Ministerialrat im bayerischen Umweltministerium. Er wandte sich dabei an Alfred Wirtz. Dieser hatte als einstiger Vizeregierungspräsident von Münster über die „Integrierte Vorhabengenehmigung“ referiert und dabei auch die Erfolge im Bezirk Münster geschildert. Weigand gratulierte dazu und sagte: „Bei Ihnen in Münster funktioniert es also auch ohne das Gesetzbuch, bei uns in München ebenfalls.“ Der Berliner Rechtsanwalt Dieter Sellner meinte: „Die materielle Integration der Vorschriften in das UGB ist noch nicht vervollkommnet.“ Er fuhr dann aber fort: „Das sollte uns nicht kopfscheu machen, das Umweltgesetzbuch nicht trotzdem einzuführen.“ Der Rechtswissenschaftler Michael Kotulla (Universität Bielefeld) gestand den UGB-Kritikern zu: „Wir sollten ihre Kritik positiv sehen.“ Er sprach zum Wasserrecht im UGB, hielt viele kritische Anmerkungen auch selbst parat und bemängelte unter anderem Ungleichbehandlungen und unnötige Regelungen. Martin Gellermann, Anwalt aus Osnabrück, warf dem UGB-Entwurf hingegen vor, in Sachen Naturschutzerweiterung „wenig ambitiös“ zu sein. Wo es um das Naturschutzrecht im UGB geht, zeigte er auf, was fehle, was unzulänglich oder widersprüchlich sei: „Der Regierungsentwurf zeigt sich von der Kritik völlig unbeeindruckt.“ Die Gesamtbilanz sei ernüchternd, das Ziel praxisnaher Regelungen nicht erreicht. Als Grundsatz für das UGB stellte Christoph Sangenstedt vom Bundesumweltministerium (BMU) heraus, der Umweltschutz solle mit dem UGB nicht verschärft, aber auch nicht geschwächt werden. Allerdings müsse man beim Vereinheitlichen der 16 Länderregelungen im Naturschutz- und Wasserrecht dem einen oder anderen auf die Füße treten — für einige Länder würden sich die Regeln verschärfen, für einige aber auch abmildern. Umstritten ist, wo und wie sehr die Länder vom Bundesrecht abweichen können. Umweltverbände, SPD und Grüne wollen möglichst viel „Abweichungskompetenz“ erreichen. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) teilt die Auffassung des BMU, daß mit dem UGB Bürokratiekosten eingespart werden können. Die Wirtschaft werde von rund 27 Millionen Euro Bürokratiekosten entlastet, erklärte Petra Schön vom NKR-Sekretariat. Denn das Recht werde vereinfacht und die Verfahrensvorschriften systematisiert. 14 Informationspflichten würden aufgehoben, 32 geändert und 26 neu eingeführt. 18 von den 26 seien in den Ländern schon vorhanden, sie würden in das UGB nur mitaufgenommen. Deutlich wurde, daß es zeitlich inzwischen eng wird, das UGB noch in der laufenden Legislaturperiode zu verabschieden. Die Beratungen im Bundestag müßten noch vor Weihnachten beginnen und dürften sich bis Mai 2009 hinziehen. Müßte der Vermittlungsausschuß angerufen werden, würde alles noch viel länger dauern. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Miersch umriß die Konfliktfelder, aber am UGB führe kein Weg vorbei: „An ihm wird sich zeigen, ob wir hier noch etwas Großes hinbekommen oder nicht.“ Er sieht aber ebenfalls „die vielen unerledigten Baustellen, um die es immer noch geht“, und räumt ein, daß die Zeit jetzt knapp geworden ist. Carsten Kreklau vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte, die Bürokratiekosten für die Wirtschaft würden mit dem UGB nur minimal gesenkt, und Investitionsvorhaben gingen mit ihm nicht schneller, sondern langsamer voran. Für ihn ist es damit „fraglich, ob dieses große Rad jetzt wirklich gedreht werden soll“. Sein Verband schließe sich den bayerischen Kritikpunkten an. Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sprach nur allgemein darüber, ob Kodifikation generell ein Mittel zur guten Gesetzgebung sei, nicht inhaltlich zum UGB. Fachlich spreche aber alles für ein Umweltrecht des Bundes in einem Gesetzbuch, so Papier. Wegen der verschiedenen Rechts­ebenen (EU, Bund, Länder) allerdings werde sich der Anspruch auf Übersichtlichkeit, relativ leichte Verständlichkeit und Beständigkeit möglicherweise nicht voll erfüllen lassen. Papier erinnerte dabei an ein Wort des Rechtsgelehrten Rudolf von Jhering: „Denke wie ein Philosoph und rede wie ein Bauer.“ Das habe sich nie durchgesetzt, aber man sollte „wenigstens darauf hinwirken, daß es nicht umgekehrt geschieht“. Das Projekt „Umweltgesetzbuch“ im Internet:www.bmu.de/umweltgesetzbuch/downloads/doc/38735.php

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