So hat man sich das Bemühen der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD um mehr Arbeitsplätze wahrlich nicht vorgestellt: Gesetze zu stricken, die zwar für zusätzliche Beschäftigung sorgen, aber nur solche bei Anwälten, Betriebsräten, Gewerkschaften, Versicherungen sowie bei Gerichten, die ohnehin schon in der Prozeßflut ertrinken und mehr Beschäftigung gar nicht suchen, während die wirklich Arbeitsuchenden leer ausgehen. Zu diesen kontraproduktiven Gesetzen gehört der Entwurf zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das EU-Vorgaben in deutsches Gesetzeswerk umsetzen soll, aber das Vorgegebene unnötig und gefährlich überschreitet. Das beabsichtigte Gesetz – das von Rot-Grün noch „Antidiskriminierungsgesetz“ genannt wurde und von Schwarz-Rot in AGG umbenannt wurde – greift massiv in die Entscheidungsfreiheit von Unternehmen und Privatpersonen ein. Darüber hinaus beschert es nochmals ein Mehr an Bürokratie. Und dies, obwohl die gleiche Koalition auch einen Gesetzentwurf zum Abbau bürokratischer Hemmnisse vorgelegt hat. Ausdrücklich ist dieser Gesetzentwurf „insbesondere“ dazu bestimmt, die „mittelständische Wirtschaft“ von zuviel Bürokratie zu befreien. Aber ausgerechnet sie wird von der Bürokratie, die dieser AGG-Entwurf zur Folge hat, besonders belastet. Durch solche Verlogenheit verliert die Union mit ihrer Koalition abermals an Glaubwürdigkeit. Viel Zusatzarbeit ohne praktischen Nutzen Träte der Entwurf unverändert in Kraft, finge die Zusatzarbeit für die Unternehmen zum Beispiel mit solchen Fragen an: Wie unverfänglich formulieren wir künftig unsere Stellenausschreibungen? Wie unsere Absageschreiben, damit sie klage- und gerichtsfest sind? Wie dokumentieren wir unsere Personalentscheidungen und andere personelle Maßnahmen? Industrie- und Handelskammern warnen und mobilisieren besonders ihre Mitglieder aus dem Mittelstandslager: – „Können Sie sich vorstellen, daß Sie Einstellungsgespräche juristisch wasserdicht nur noch unter Zeugen aus Ihrer Rechtsabteilung führen können? – daß Sie Schadensersatz zahlen müssen, wenn jemand glaubhaft macht, von Ihnen diskriminiert worden zu sein und Sie das Gegenteil nicht beweisen können? – daß Sie künftig Ihrer Kommunikation mit Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten penibel gerichtsfest dokumentieren müssen, um die Gefahr teurer Prozesse wegen vermeintlicher Diskriminierung abzumildern? – daß Gewerkschaften oder Betriebsrat Sie wegen Diskriminierung verklagen können, selbst wenn der vermeintlich Diskriminierte dies gar nicht will?“ Als wenn das Dickicht des deutschen Arbeitsrechts noch immer nicht dornenreich genug ist, fügt der AGG-Entwurf weiteres Dornenwerk hinzu. So kann ein abgelehnter Stellenbewerber gegen einen Betrieb klagen, wenn er glaubhaft behauptet, er sei bei der Bewerbung diskriminiert worden. Dieses Recht soll ihm drei Monate lang nach der Ablehnung zustehen. Wer also Entschädigungszahlungen an abgelehnte Bewerber nicht riskieren will, muß sich entsprechend dagegen wappnen. Das kostet Zeit, das kostet Geld. Auch verlangt der Entwurf, daß Unternehmen vorbeugende Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierungen ergreifen. Zum Beispiel sollen ihnen Aus- und Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Antidiskriminierung aufgezwungen werden. So wird das Einstellen, Befördern und Entlassen von Mitarbeitern noch mehr zur zeitlichen und finanziellen Last. So erschwert der Staat Neueinstellungen noch mehr, statt sie zu erleichtern. Und das ausgerechnet im Mittelstand, der etwa 80 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Auch die Vermieter von Wohnraum riskieren, wegen Diskriminierung von Mietinteressenten belangt und schadensersatzpflichtig zu werden. Bundesweit werden nach Angaben der Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus & Grund rund 70 Prozent aller Mietwohnungen von privaten Eigentümern vermietet. Auch wenn bei dieser Vermietung nach dem Entwurf nur die Diskriminierungsmerkmale Rasse und ethnische Herkunft anzuwenden sind, befürchtet der Verband eine Fülle von Gerichtsverfahren, da der Gesetzentwurf zum Verhältnis von Vermietern und Mietinteressenten keine klaren Aussagen mache. Nicht anwendbar ist das AGG nach dem Entwurf nur, wenn Vermieter und Mieter auf demselben Grundstück leben. Weiterhin möglich sein soll es, Mieter unter dem Gesichtspunkt der sozialen Stabilität von Wohngebieten auswählen zu dürfen. Gesetzliche Regelung weit über die EU-Vorgaben hinaus Weil der Entwurf den Anwendungsbereich der EU-Vorgaben auf Kauf-, Werk-, Dienst- und Mietverträge (und sogar auf ehemalige Beschäftigte, die im Betrieb schon lange nicht mehr arbeiten) ausweitet, muß ein Unternehmen jeden Kaufvertrag, jede Kundenkorrespondenz, jedes Mitarbeitergespräch, jeden noch so kleinen Auftragsvorgang tunlich so dokumentieren, daß es etwaige Klagen sicher abwehren kann. Aber von Lieferanten und Mitarbeitern müssen Unternehmer das fordern (dürfen), was auch ihre Kunden von ihnen fordern: fachliche Qualifikation und ein wettbewerbsfähiges Preis-Leistungs-Verhältnis. Weltanschauung, Religion, Geschlecht, sexuelle Ausrichtung, Behinderung, ethnische Herkunft oder Rasse treten dahinter schon aus wirtschaftlichem Eigeninteresse zurück. Gesetzlicher Regelung bedarf es hier daher nicht. Die Wirtschaft befürchtet, daß es zu unnötigen, kostspieligen Prozessen kommt. Dafür sorgen wird schon das Verbandsklagerecht. Für arbeitslose oder unterbeschäftigte Anwälte ist das ein gefundenes Fressen. Das ist es auch für die Versicherungswirtschaft, tut sich für sie doch ein neues Geschäftsfeld auf. Wer nämlich Diskriminierungsklagen, verlorene Prozesse und hohe Ersatzzahlungen fürchten muß, benötigt entsprechenden Schutz. Auch der kostet zusätzlich. Der Gerling-Konzern hat Policen dafür schon entwickelt. Welche abenteuerlichen Exzesse und Belastungen hier möglich sind, zeigt, was in abschreckender Weise auf dem Gebiet Antidiskriminierung in den USA schon geschieht (JF 25/06). Eine vollständige Chronologie zum Antidiskriminierungsrecht findet sich im Internet unter: https://baer.rewi.hu-berlin.de/wissen/antidiskriminierungsrecht/antidiskriminierungsgesetzgebung/de