Am 23. November 2006 hatte das Leipziger Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) über den Revisionsantrag des Lahn-Dill-Kreises gegen die von der Vorinstanz getroffene Entscheidung zu befinden, nach der dem muslimischen Metzger Rüstem Altinküpe Ausnahmegenehmigungen zum betäubungslosen Schächten gewährt wurden. Da das Schächten ohne Betäubung kein Bestandteil der Religionsausübung ist und die laut Tierschutzgesetz dafür zu erbringenden Nachweise „zwingender Vorschriften der Religionsgemeinschaft“ nicht erbracht werden konnten, waren dem Türken seit Ende 1995 vom Veterinäramt die Ausnahmegenehmigungen versagt worden. Dagegen hatte er 2002 ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) erwirkt, wonach die Genehmigungen zu erteilen seien, sofern „substantiiert und nachvollziehbar“ dargelegt wird, daß der Fleischverzehr „zwingend“ eine betäubungslose Schlachtung voraussetzt. Die Aufnahme des Staatszieles Tierschutz ins Grundgesetz im August 2002 verschaffte dem Tierschutz aber zumindest Gleichberechtigung bei der Abwägung zu vermeintlichen religiösen Vorschriften. Der Verwaltungsgerichtshof Kassel (im Urteil vom 24. November 2004, Az. 11 UE 317/03) sowie namhafte juristische Kommentatoren begründeten, daß daher die Bindungswirkung des BVerfG-Urteils nicht mehr gegeben sei. „Das Staatsziel des Tierschutzes könnte leerlaufen, wenn zum Beispiel nunmehr eine kleine, möglicherweise sektiererische Gruppierung tierquälerische Handlungen als Akt der Glaubensüberzeugung ausgibt und dies in der Abwägung zu einem Übergewicht der Religionsfreiheit gegenüber dem Tierschutz führt“, heißt es in einem von Hans-Georg Kluge herausgegebenen Kommentar zum Tierschutzgesetz. Folgewidrig das Staatsziel beiseite schiebend und entwertend hat nun das BVerwG entschieden, daß gleichwohl einem muslimischen Metzger eine Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schächten von Rindern und Schafen zu erteilen sei. Die Leipziger Richter setzten sich ferner darüber hinweg, daß in Deutschland Integrations- und Ausländerbeiräte, maßgebliche türkische Verbände und höchste islamische Religionsautoritäten ein heute mögliches reversibles „In-Ohnmacht-Versetzen“ durch Elektro-Kurzzeitbetäubung als religionskonform anerkennen. Um so skandalöser ist es, daß ein deutsches Höchstgericht darüber hinweggeht und demgegenüber archaische Riten, pseudoreligiöse Tierschinderei legitimiert. Die vom Bundestag beabsichtigte Schutzwirkung des Grundgesetz-Artikels 20a für die Tiere wurde mit dem Urteil – ohne juristische Not – praktisch ausgehebelt. Diese ethische wie juristische Fehlentscheidung bedeutet, daß weiter Tausende Tiere qualvoll zu Tode geröchelt werden. Ob sich diese Zahl erhöht, hängt nun vor allem von der Standfestigkeit der Veterinärämter ab, die nach wie vor verpflichtet sind, die Voraussetzungen für eine Schächt-Genehmigung penibel zu prüfen. Jetzt steht auch die Novellierung des Tierschutzgesetzes an, um sicherzustellen, daß wenigstens ein Mindestmaß an Tierschutz-Kultur gewährleistet wird. Infos im Internet: www.tierschutz-online.de „Der Kleine Guide“ – ein Ratgeber zur Genehmigung des betäubungslosen Schächtens, kann bei Arche 89 e.V., Im Grund 89, 40474 Düsseldorf, Fax 02 11 / 4 54 22 24 bestellt werden.