Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) hat „Hartz IV“ zwar im Dezember zum „Wort des Jahres 2004“ gekürt. Ansonsten haben sich die meisten Hartz IV-Reformen schon jetzt als das bestätigt, wovor Kritiker schon im Vorfeld warnten: Als unsolides Flickwerk voller Fehler, Ungerechtigkeiten und Versäumnisse. Traurige Tatsache ist, daß der Großteil der Arbeitslosen heute schlechter gestellt ist als vor der „Reform“. Bereits die ersten Wochen nach Inkrafttreten haben gezeigt, daß Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) nicht nur handwerkliche Fehler gemacht hat, sondern Öffentlichkeit und Bundestag angelogen hat, um die groß angekündigte „Jahrhundertreform des Arbeitsmarktes“ durchzupauken. Wie die Rheinische Post unter Berufung auf ihr vorliegende Unterlagen berichtete, soll Clement die Arbeitslosengeld-II-Kosten (ALG II) nach unten manipuliert haben, da der Bundesetat ansonsten verfassungswidrig gewesen wäre. Während der Deutsche Städtetag von vorneherein darauf hinwies, daß mit Beginn des neuen Jahres 2,4 Millionen Empfänger von Arbeitslosenhilfe in das neue ALG II übergehen würden, bestand Clement auf einer Zahl von lediglich 2,1 Millionen Personen. Und auch die vom Städtetag genannte Zahl von Sozialhilfeempfängern, die nunmehr in den Bereich von ALG II fallen, wurde von dem Minister um 200.000 Personen heruntergerechnet. Daß diese Zahlen keine Fehleinschätzung von Clement waren, sondern von ihm vielmehr bewußt manipuliert wurden, ergibt sich aus folgendem Zitat aus den Protokollen: „Selbst wenn Eure Zahlen richtig sind – ich kann nicht mehr Geld bereitstellen, weil dann der Etat verfassungswidrig wird.“ Die Übernahme der vom Städtetag vorgelegten Zahlen hätte nämlich zur Überschreitung der erlaubten Schuldengrenze nach Artikel 115 des Grundgesetzes geführt. Gleichzeitig stellt sich heraus, daß nicht nur ältere Langzeitarbeitslose zu den Verlierern von Hartz IV gehören, sondern auch arbeitslose Wohngeldempfänger. Laut dem Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von Sachen-Anhalt, Reiner Haseloff, werden diese Personen nicht von den Bundesagenturen, sondern von den für Langzeitarbeitslose zuständigen Stellen betreut. Dies schmälere die Chance auf Arbeitsangebote und grenze von vielen Hilfen aus. Unter anderem verlören sie damit den Anspruch auf aktive Vermittlungsleistungen der Arbeitsagenturen. Das gleiche gelte für Familien, bei denen auch nur ein einziges Mitglied ALG II kassiert. Dann könne selbst ein anderes Familienmitglied, das erst kurz arbeitslos ist, nicht mehr die Hilfe der Bundesagentur in Anspruch nehmen. Nach Schätzungen Haseloffs sind hiervon 25 Prozent aller Arbeitslosen betroffen. Wenn man die offiziellen Zahlen zugrunde legt, also rund 1,3 Millionen Menschen! Wie unfähig die Bundesregierung ist, zeigt auch der neueste Vorschlag von Bundesagenturchef Frank-Jürgen Weise, mitteldeutsche Arbeitslose ab 55 Jahren aus der Betreuung herauszunehmen, da sie ohnehin nicht mehr vermittelbar seien. Die SPD griff diesen Vorschlag auf und forderte, diesen Personen ein „Bürgergeld“ zu zahlen und sie auch für gemeinnützige Arbeiten einzusetzen, also im Rahmen von „Ein-Euro-Jobs“ oder ähnlichem. Das hätte auch gleichzeitig für die Genossen den wahltaktischen Vorteil, daß diese Leute nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auftauchen, Clement sich also rühmen könnte, Hartz IV zeitige die von ihm prognostizierten positiven Effekte! In Wirklichkeit ist der Vorschlag Weises nur ein weiteres Eingeständnis der Unfähigkeit der Bundesagentur für Arbeit (BA). Denn nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hat sich die Arbeitslosenvermittlungsquote der BA in den letzten zwei Jahren auf nur noch achtzehn Prozent halbiert. Das gleiche gelte für die Besetzung offener Stellen. Lag diese Quote im Jahr 2000 noch bei über zwanzig Prozent, so ist sie auf zuletzt nur noch knapp zehn Prozent gefallen! Mittlerweile fließt nur noch die Hälfte des BA-Etats in die Vermittlung von Arbeitslosen, während die andere Hälfte von der Verwaltung aufgefressen wird! Auch die Vorwürfe von Clement, die Kommunen würden nun massiv arbeitsunfähige Sozialhilfeempfänger zu Unrecht als arbeitsfähig einstufen, fallen letztendlich auf ihn zurück (als arbeitsfähig gilt jeder, der zwischen 15 und 65 Jahre alt ist und mindestens drei Stunden am Tag arbeiten kann). Denn wäre im Gesetz oder seinen Ausführungsbestimmungen klar geregelt, wer als arbeitsfähig gilt, dann würde es auch die Möglichkeit des Mißbrauchs nicht mehr geben – oder dies wäre viel schwieriger als bisher. Zudem: Kann man es den Kommunen bei den vielen Ausgaben, die ihnen zusätzlich aufgebürdet wurden, wirklich verübeln, daß sie jetzt versuchen, sich einen Teil wieder zurückzuholen? Letztendlich ist Hartz IV eine Fortsetzung der Mißerfolge Clements. Bislang ist er noch auf jedem Posten gescheitert. Das fing 1986 an, als Clement von seinem Posten als SPD-Bundessprecher ausscheiden mußte und er ein Jahr später als Berater von Johannes Rau bei dessen Kanzlerkandidatur versagte. Als nächstes wurde Clement Chefredakteur der Hamburger Morgenpost, deren Auflage danach kontinuierlich zurückging. Rau fing ihn aber erneut auf und machte Clement zuerst zum Leiter seiner Staatskanzlei, dann zum Minister und am Ende sogar zu seinem Nachfolger als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident. Und obwohl NRW unter seiner Ägide wirtschaftlich immer weiter abrutschte und zwischen 2000 und 2003 das wirtschaftlich wachstumsschwächste Bundesland war, wurde der von seinen Mitarbeitern als aufbrausend und jähzornig bezeichnete Clement im Oktober 2002 neuer Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit. Wen wundert es eigentlich angesichts dieser Vita wirklich, daß auch in diesem Amt und speziell jetzt bei Hartz IV die Erfolge ausbleiben?