Er ist das größte Landraubtier der Erde, natürliche Feinde braucht er nicht zu fürchten. Jetzt aber ist der Eisbär gleich in zweifacher Hinsicht bedroht – vom Menschen. In Amerika hat der US-Senat vergangenen Mittwoch beschlossen, daß in dem rohstoffreichen Naturschutzgebiet Arctic National Wildlife Refuge (ANWR) im Norden Alaskas nach Öl und Erdgas gebohrt werden darf. Und bereits im Januar diesen Jahres meldete die Tier- und Artenschutzorganisation Pro Wildlife besorgt, daß Grönland künftig Hobbyjägern gestatten will, Eisbären sogar abzuschießen. Mit 51 zu 49 Stimmen votierte der von George W. Bushs Republikanern dominierte US-Senat dafür, daß in der noch unberührten Naturlandschaft etwa von der Größe Österreichs künftig Ölbohrungen stattfinden dürfen. Damit sollen Arbeitsplätze geschaffen und die Abhängigkeit der USA von Ölimporten um bis zu fünf Prozent verringert werden. Umwelt- und Tierschützer hingegen befürchten, daß durch den Bau und Betrieb von Bohrinseln und Pipelines der Lebensraum von Millionen Zugvögeln, Karibus, Moschusochsen, Wölfen, Grizzlys und Eisbären bedroht werde. Ganz unmittelbare Gefahr droht den Eisbären auf Grönland. In dem halbautonomen Gebiet Dänemarks sollen Touristen demnächst mit staatlicher Erlaubnis die Tiere jagen dürfen. Rechtzeitig vor dem Beginn der Jagdsaison am 1. September will die Lokalregierung in Nuuk eine Regelung verabschieden, die Hobbyjägern gestattet, 30 Eisbären pro Jahr zu schießen. Bislang ist nur den Ureinwohnern die traditionelle Jagd auf Eisbären erlaubt, Ausländer dürfen nicht auf Trophäenjagd gehen. Ein solches Verbot gilt auch in Alaska und Rußland, nur Kanada – das Land mit dem größten Eisbärbestand – genehmigt Hobbyjägern Abschüsse. In der gesamten Arktis leben nach Schätzungen etwa 22.000 Eisbären. Jetzt wittern Jagdreiseveranstalter auch auf Grönland „das große Geschäft“, warnt Pro-Wildlife-Sprecherin Daniela Freyer. Hobbyjäger würden zwischen 15.000 und 30.000 Euro zahlen, um einen Eisbären zu erlegen. Daß Grönland mit der Freigabe der Trophäenjagd womöglich ein seit 1973 international geltendes Schutzabkommen für Eisbären und das Washingtoner Ar-tenschutzübereinkommen von 1975 verletzt, scheint die Verantwortlichen in Nuuk nicht zu kümmern. „Die Be-standssituation der grönländischen Eisbären ist mehr als ungewiß. Die Einführung der Trophäenjagd könnte die Tiere der Ausrottung noch ein Stück näher bringen“, betont Pro Wildlife. Die Artenschutzorganisation kritisiert zudem, daß die grönländischen Jagdpläne die zunehmende Gefährdung von Eisbären durch Umwelteinflüsse ignorieren. Eisbären leiden besonders unter den Folgen der Klimaveränderung und der Schadstoffbelastung: Sie stehen am Ende der Nahrungskette und sammeln Schwermetalle und toxische Verbindungen wie PCB, Dioxin oder DDT in ihrem Fettgewebe an. Überlebenschance und Fortpflanzung der Tiere sind hierdurch beeinträchtigt. Auch die Klimaerwärmung hat dramatische Folgen: Durch den immer früheren Rückgang der arktischen Eisdecke im Frühjahr wird die Jagdsaison des Eisbären, bei der er auf die Eisflächen angewiesen ist, erheblich verkürzt. „Jede Woche, die ein Eisbär weniger auf Robbenjagd gehen kann, reduziert sein Körpergewicht um zehn Kilogramm“, berichtet Freyer. „Die Tiere können sich nicht mehr genug Speck anfressen, um die langen Fastenmonate im Sommer unbeschadet zu überstehen und ihre Jungen durchzubringen.“ Die Auswirkung des Klimawandels auf den Bestand der Eisbären wird auch beim World Wildlife Fund (WWF) mit Sorge betrachtet. Dort beruft man sich auf eine Klimastudie der Universität Oxford, der zufolge die kritische Grenze der Erderwärmung um zwei Grad zwischen 2026 und 2060 überschritten werde. „Wenn wir nicht sofort handeln, wird die Arktis bald nicht mehr zu erkennen sein“, zitiert die britische Nachrichtenagentur PA Catarina Cardoso, die beim WWF für das Thema Klimawechsel zuständig ist. „Eisbären werden Geschichte sein, etwas, worüber unsere Enkel nur noch in Büchern nachlesen können“, so Cardoso.