Erstaunlicherweise gibt es sie noch: Menschen, die sich dem Konformitätsdruck widersetzen. Da es – vom begeisternden Fußballpatriotismus mal abgesehen – an positiver Identitätsstiftung in unserer Gesellschaft ebenso mangelt wie an religiösem Konsens, braucht es ein kraftvolles „Wogegen“, einen Feind, auf den sich alle billig einigen können. Dieser Druck zum Konformismus wird am widerwärtigsten erzeugt bei den täglich neu inszenierten Aktionen „gegen Rechts“. Der Schriftsteller Michael Klonovsky ergründete dieses Phänomen jüngst in dieser Zeitung (JF 21/08) folgendermaßen: „Wenn wir schon keinen Gott mehr haben, dann muß es wenigstens den Teufel geben. Und einer muß der Teufel sein. Diese Gesellschaft wird von nahezu nichts mehr zusammengehalten, sie braucht einen kleinsten gemeinsamen Nenner des zu Verabscheuenden, zu Bekämpfenden. Dafür steht der ‚Kampf gegen Rechts‘.“ Auf Initiative des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten und SPD-Chefs Kurt Beck wurde eine weitere ungeheuer tapfere Aktion „gegen Rechts“ gestartet. Auf der Seite gegen-rechts.rlp.de kann man die einfallsreiche Erklärung lesen, die wie ein Ei Tausenden anderen Texten gleicht, die landauf, landab von „couragierten“ Bürgern verabschiedet werden – ohne zu realisieren, daß hier eine ganze Hälfte des politischen Spektrums und damit die Demokratie selbst diskriminiert wird. Denn wo es eine Linke gibt, muß es notwendigerweise auch eine Rechte geben. Brav reihen sich die „öffentlich relevanten“ Institutionen in den Reigen derer ein, die „für ein tolerantes und weltoffenes Rheinland-Pfalz“ plädieren – neben den CDU- und FDP-Landtagsfraktionen, dem Deutschen Fußballbund und anderen auch die evangelische Landeskirche. Wie Michael Klonovsky treffend sagte: „Um dazuzugehören, wird ausgegrenzt. Und es muß, wie gesagt, heutzutage möglichst ungefährlich sein.“ Je inniger vor einer Gefahr gewarnt werde, desto sicherer könne man sein, daß dadurch keine droht. „Es geht darum, sich auf die sichere Seite der Mehrheit zu schlagen. Menschen wollen sich aufgehoben fühlen.“ Erstaunlicherweise verweigert sich aber – wieder einmal – die katholische Kirche einem totalitären Konsens. Den Vertretern Roms war aufgefallen, daß sich das Papier nur gegen Rechts-, aber nicht gegen Linksextremismus und Islamismus richte. Wahrscheinlich muß man über den nationalen Tellerrand hinausblicken können, um immun zu sein gegen bestimmte Formen geistiger Verwirrung, die sich speziell im deutschen Kulturraum breit machen. Was wäre eigentlich los, würde ein evangelischer Pfarrer in der NPD-Parteizeitung den Jubel über den untergegangenen Nationalsozialismus als „falsch und moralisch unberechtigt“ bezeichnen und erklären, Christentum und NS gehörten zusammen? Umgehend verlöre er sein Amt. Nicht so die Erfurter Pröbstin Elfriede Begrich, die in einem Gespräch mit der DKP-Zeitung Unsere Zeit den Jubel über den untergegangenen DDR-Sozialismus mit obigen Worten kritisierte und eine Lanze für den Kommunismus brach. Gelassen reagiert hierauf die Landeskirche, schließlich interessieren sich die Medien nicht für einen solchen Fall.