Wenn jetzt bei Politikern und Leitartiklern die Wellen der Empörung über die Absetzung der Mozart-Oper „Idomeneo“ an der Deutschen Oper in Berlin hochschlagen, dann sollten sie nicht vergessen, sich auch darüber zu echauffieren, was die Inszenierung von Hans Neuenfels bietet: Außer Mohammeds Kopf wird dort auch das abgetrennte Haupt Jesu Christi gezeigt. Daß Jesus gekreuzigt worden ist, reicht wohl nicht! Natürlich dürfen wir uns von der Möglichkeit von Drohungen nicht beeindrucken lassen, aber es ist doch im Grunde bizarr, wenn nun ausgerechnet führende christdemokratische Politiker sich für dieses Stück einsetzen. Wir haben uns zu Recht über die Enthauptung von Gefangenen durch irakische Fanatiker entrüstet. Wollen wir es ihnen denn gleichtun? Ganz unabhängig von jeder religiösen Empörung handelt es sich bei der Aufführung vor allem um eine zutiefst kritikwürdige Geschmacklosigkeit. Und man fragt sich, was soll das Ganze überhaupt? Zumal es dem Geist der Oper, wie sie 1781 uraufgeführt wurde, vollkommen widerspricht. Warum bringt heute eigentlich kaum noch ein Theater eines der klassischen Stücke so auf die Bühne, wie es vom Autor einst verfaßt worden ist? Aus einer Oper oder einem Theaterstück spricht der Künstler und spricht der Geist der Zeit, Regie-Verfremdungen solchen Ausmaßes zerstören das alles. Warum schreiben die Theatermacher sich nicht ihre eigenen Stücke, sondern tun den Klassikern Gewalt an? Vor allem aber wollen wir offenbar immer noch nicht begreifen, daß wir dem Islam nur begegnen können, wenn wir – so wir schon den christlichen Glauben nicht mehr haben – wenigstens auf dem festen Boden unserer christlichen Kultur stehen. Lassen wir es dagegen zu, daß unsere eigene Kultur – man muß es schon sagen – regelrecht „zur Sau gemacht“ wird, dann sehe ich schwarz für unsere Fähigkeit, diese Herausforderung zu bestehen. In Berlin feiert man nun stolz die eben abgeschlossene erste Islamkonferenz. Doch leider hat sie sich voraussehbarerweise als eine reine Schauveranstaltung erwiesen. Wenn wir Europäer wirklich etwas tun und nicht nur reden wollen, so sollten wir uns zum Beispiel endlich für die orientalischen Christen einsetzen. Dank der amerikanischen Intervention sind etwa die Christen des Irak, die unter Saddam Hussein noch Schutz genossen, mittlerweile in Gefahr. In den Libanon entsenden wir Europäer Truppen, doch keiner spricht über die Lage der Christen dort. Ein weiteres Beispiel ist das völlig inakzeptable – und übrigens koranwidrige – Verbot von Bibel und Kreuz in Saudi-Arabien. Europa sollte klarmachen, daß – sollte sich daran nichts ändern – es zu Gegenmaßnahmen bereit ist. Und wir sollten auch nach dem Umstand fragen, daß der Koran für Christen und Juden lediglich die untergeordnete Stellung von „Dhimmi“ vorsieht. Auch das müßte Gegenstand eines Dialogs sein. Prof. Dr. Peter Scholl-Latour veröffentlichte zuletzt in JF 31/06 den Beitrag „Israel hat sich verschätzt“. Im Oktober erscheint sein neues Buch „Rußland im Zangengriff. Putins Imperium zwischen Nato, Islam und China“.
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