Herr Sellner, das Bundesverwaltungsgericht hat sich kürzlich im Rahmen des Compact-Urteils intensiv mit Ihrem Remigrationskonzept beschäftigt. Was genau fordern Sie eigentlich?
Martin Sellner: Remigration ist die überfällige Antwort auf die unkontrollierte Masseneinwanderung und Masseneinbürgerung der letzten Jahrzehnte. Es ist ein Bündel an Maßnahmen zur Umkehrung der Migrationsströme und zur Beendigung des Bevölkerungsaustauschs und der Islamisierung. Das bedeutet in erster Linie Abschiebung Illegaler, eine strenge Grenzpolitik und eine Auslagerung des Asylsystems in andere Länder, nach dem Vorbild des britischen Ruanda-Plans.
Dazu braucht es eine Reform des Staatsbürgerschafts- und Asylrechts, eine Leitkultur und Rückkehranreize. Ich schlage auch eine deutsche Variante der sogenannten dänischen Ghetto-Gesetze vor. Es geht dabei nicht um die Schaffung, sondern die Verhinderung von Ghettos! Ökonomischer und kultureller Assimilationsdruck auf nichtassimilierte Parallelgesellschaften soll entstehen. Das Ziel ist, daß Deutschland jeden Tag wieder etwas deutscher wird, und nicht umgekehrt. Im Grunde weiß es jeder: Ohne Remigration gibt es dieses Land in 50 bis 100 Jahren nur mehr als historische Erinnerung.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist das aber verfassungswidrig, oder?
Sellner: Das Urteil krankt daran, daß man sich im Grunde nicht auf mein Buch berufen hat, in dem ich die Konzepte umfassend erkläre. Jetzt, da es im Volltext verfügbar ist (JF berichtete), sehe ich, daß man sich anscheinend ausschließlich auf Transkripte einer gelöschten Videoserie aus dem Jahr 2023 auf der Compact-Homepage fixiert.
Auch hier werden kurze Passagen aus dem Zusammenhang gerissen. Dazu konnte ich mich im Verfahren nicht äußern, da ich nicht geladen wurde. Jetzt hängt über uns ein Urteil des zweithöchsten Gerichts, ohne daß wir irgendwie darauf reagieren können. Insgesamt hat das eine extrem schiefe Optik.
Welche Folgen ergeben sich daraus für Sie und die Identitäre Bewegung?
Sellner: Das Urteil hat zwar keine unmittelbare Auswirkung, aber wird als Copy-Paste-Vorlage für zahlreiche repressive Akte dienen.
Rechnen Sie mit einem Verbot?
Sellner: Ja, aber das tue ich nicht erst seit dem Compact-Urteil. In Frankreich ist die Identitäre Bewegung bereits verboten (JF berichtete). Die versuchte Zerschlagung von Compact (JF berichtete), die Razzia bei Norbert Bolz (JF berichtete) und die Explosion der Meinungsjustiz zeigen einen Trend. Die außerparlamentarische Opposition in Deutschland lebt gefährlich. Erst letzte Woche kam es wieder zu einer großen Razzia gegen einen Aktivisten wegen einer Deutschlandfahne.
Generell gilt: Je erfolgreicher man ist, desto größer ist die Zensur- und Verbotsgefahr. Insofern sehen wir dieses Urteil auch als eine Art Ritterschlag.
Das Gericht wirft Ihnen konkret vor, daß Ihre Forderungen, deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund sollten sich assimilieren, gegen die Menschenwürde verstoßen. Was erwidern Sie darauf?
Sellner: Das Bundesverwaltungsgericht hat hier über eine nach Dr. Ulrich Vosgerau „derzeit völlig ungeklärte Rechtsfrage, über die wohl noch etliche Dissertationen geschrieben werden müßten“, salopp entschieden. Alle Maßnahmen, die wir vorschlagen, sind gesetzeskonform.
Regelmäßig verweise ich in meinem Buch auf die Grundrechte, die Religionsfreiheit und die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Weil aber beispielsweise Maßnahmen zur Bekämpfung des politischen Islams Staatsbürger mit Migrationshintergrund mehr betreffen könnten, sieht das Gericht darin eine verfassungsfeindliche Diskriminierung.
Das ist das Grundthema des Urteils. Wer den Wunsch hat, eine ethno-kulturelle Identität zu erhalten, und verlangt, daß Neuankömmlinge sich assimilieren, ist tendentiell Verfassungsfeind. Aus meiner Sicht steht mit diesem Urteil ein guter Teil der AfD-Forderungen ebenfalls unter Verdacht.
Was ist mit einem Minarettverbot? Wie sieht es mit maßgeschneiderten Gesetzen gegen Autorennen und Clan-Kriminalität aus? Ich erinnere an eine linke Initiative, die 2020 behauptete, daß Razzien in Shisha-Bars rassistisch seien.
Aus meiner Sicht wird damit der Bereich der Verfassungsfeindlichkeit potentiell uferlos.
Wir sind so was wie der Kanarienvogel im Kohlenschacht. Bei uns probiert man es aus, aber es wird bei uns nicht aufhören. Ich bin tatsächlich mehr als verunsichert, was ich in meinem Nachbarland ab jetzt noch fordern darf. Assimilation ist eine Kernforderung der Union und zum Beispiel in Amerika vollkommen normal. Das Urteil formuliert keine klare rote Linie, sondern bleibt sehr schwammig. Eindeutig sind nur die drastischen Konsequenzen, die dieses Verdikt für uns bedeutet.
Wie wollen Sie jetzt öffentlich mit dem Stigma der angeblichen Verfassungswidrigkeit umgehen?
Sellner: Ist es wirklich nur ein Stigma? Im Jahr 2024 hat sich die Idee der Remigration gegen eine massive Dämonisierungs-Kampagne durchgesetzt. Argumente und Propaganda der Gegenseite scheiterten. Wenn man nun ex cathedra erklärt, die Idee sei verfassungsfeindlich, ist das nicht ein Eingeständnis der Niederlage?
Mir kommt es ein bißchen so vor, als wenn der Gegner beim Schachspiel eine Axt zückt und das Brett zerschlägt, sobald er matt gesetzt wird. Das ist kein Sieg der Remigrationsgegner. Eine politische Debatte, die man mit juristischen Bullen beendet, ist damit erst recht nicht beendet.
Hier verschanzt sich argumentative Impotenz hinter der Autorität der roten Roben. Auch wenn wir die Entscheidungsgründe des Gerichts und das Zustandekommen dieser Beurteilung scharf kritisieren, nehmen wir das Urteil aber dennoch zur Kenntnis. Die IBD ist seit ihrer Gründung eine dezidierte legale patriotische NGO. Das bedeutet, daß wir uns auch an die immer schärferen Meinungsgesetze halten. Wir werden daher unsere Remigrations-Definition in einer dynamischen Verweisung an die Gesetzgebung anpassen.
Gibt es eine Möglichkeit, gegen die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts juristisch vorzugehen?
Sellner: Da wir keine Parteistellung in diesem Verfahren haben, gestaltet sich das als äußerst schwierig. Ich bin bereits im Gespräch mit einigen profunden Juristen über die Möglichkeit eines Musterprozesses. Im Grunde müßte man aber bis hinauf zum Verfassungsgericht. Außerdem muß sich jeder ehrlich fragen: Würde ein Gericht in diesem Klima der Zensur und Propaganda wirklich fair über ein derartig verfilmtes Konzept urteilen? Wir werden aber dennoch alle rechtlichen Mittel ausschöpfen.
Wenn Sie dagegen nicht vorgehen können: Werden Sie Ihr Remigrationskonzept anpassen?
Sellner: Ja, und wir tun das bereits jetzt. Ohne Anerkennung der Entscheidungsgründe, aber rechtsverbindlich ändern wir ab jetzt unsere offizielle Remigrationsdefinition. Diese gilt ab jetzt und rückwirkend für jeden Gebrauch des Begriffs Remigration durch die IBD. Auf der Seite unserer NGO werden Stellen, die der Gruppe C, masseneingebürgerten, aber nicht assimilierten Clan- und Paralellgesellschaften entsprechen und für sie Leitkultur, Anpassungsdruck und freiwillige Remigration fordern, geschwärzt. Wir vertreten als Bewegung diese Positionen nicht mehr. Wir ergänzen unsere angepaßte Forderung nach Remigration aber um die Forderung nach einer offenen Remigrationsdebatte.
Auch AfD-Politiker nutzen den Begriff Remigration in letzter Zeit vermehrt. Welche Folgen wird die Debatte für die Partei haben?
Sellner: Wir ermutigen alle Patrioten, sich diesen Begriff nicht verbieten zu lassen. Er ist weltweit und wird auch von Musk und Trump als Synonym für eine umfassende und ernstgemeinte Migrationswende gebraucht. Die Macht des Begriffs Remigration ist dem Gegner ein Dorn im Auge, sonst würde man ihn nicht so bekämpfen.
Die Bundesrepublik stemmt sich hier auch gegen einen globalen Trend. Überall sonst sehen wir „Glasnost und Perestroika“. Wokeness und Zensur werden ebenso zurückgefahren. Migration wird offen debattiert und kritisiert. Die Eliten der BRD wollen, wie die Panzerkommunisten der späten DDR, ihren Sonderweg ins Kalifat stur weitergehen.
Aber brennende Probleme löst man nicht, indem man verbietet, über sie zu sprechen. Also ja, man sollte Remigration weiterhin verwenden und nicht in Panik verfallen. Die AfD kann im Unterschied zur IBD auch kaum verboten werden.
An anderer Front haben Sie dagegen einen Erfolg errungen. Sie haben wieder ein Bankkonto, oder?
Sellner: Leider noch nicht. Mein Sieg in erster Instanz gegen die Erste Bank ist noch nicht vollstreckbar. Hier muß ich erst die Berufung abwarten, was wahrscheinlich bis zu sechs Monate dauern kann.
Wie kam es dazu?
Sellner: Als Folge meiner umfassenden Dämonisierung habe ich über 93 Bankkonten verloren. Im Sommer 2024 beschritt ich den Rechtsweg und klagte die Erste Bank Sparkasse gegen eine Kontokündigung. Im Verfahren konnte ich beweisen, daß keine der 394 Banken in Österreich bereit ist, mir ein Konto zu geben.
Der Richter folgte unserer Argumentation, daß es ein Grundrecht eines Unternehmers sein muß, in seinem Land ein Unternehmenskonto zu bekommen. Wenn dieses Urteil hält, ist es in der Tat ein großer Sieg, nicht nur für mich, sondern für das gesamte patriotische Lager.
Nun gibt es vielleicht bald ein Sellner-Bankkonto – aber offenbar darf es keine Accounts auf Gemini, Kraken, crypto.com, coinbase, bitpanda, coingate und moonpay geben. Wieso hat Sie die Tech-Welt so auf dem Kieker?
Sellner: Man erprobt an mir offenbar die digitale Todesstrafe. Obwohl sehr viele Leute sich für die Dinge interessieren und nichts zu sagen hätten, bin ich auf allen großen und entscheidenden Plattformen gesperrt. Der einzige Lichtblick ist X von Elon Musk, dem ich auch sehr dankbar bin. Ich hoffe, der Trend setzt sich durch.
I was also banned by Gemini, https://t.co/DECt6YAY4O, coinbase, bitpanda, coingate, moonpay. https://t.co/u15le1pqOD
— Martin Sellner (@Martin_Sellner) October 29, 2025
Planen Sie, gegen die vielen Löschungen vorzugehen?
Sellner: Nein, das ergibt leider wenig Sinn. Im Jahr 2020 führte ich einen langwierigen und teuren Prozeß gegen meine Sperrung auf YouTube. Ohne Erfolg. Hier liegt die Lösung aus meiner Sicht in der Politik.
Ich hoffe, daß man in Amerika langsam Druck auf das Silicon Valley macht. Ich fände es auch eine ironische Wendung, wenn in einem hoffentlich hypothetischen Szenario die USA eine patriotische Farbrevolution in Europa mit freiem Zugriff auf YouTube, Facebook und Instagram unterstützen, wie wir damals den Arabischen Frühling.





