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Gescheiterte Wehrpflicht-Einigung: „Das war eine Blutgrätsche“ – CDU geht auf Pistorius los

Gescheiterte Wehrpflicht-Einigung: „Das war eine Blutgrätsche“ – CDU geht auf Pistorius los

Gescheiterte Wehrpflicht-Einigung: „Das war eine Blutgrätsche“ – CDU geht auf Pistorius los

Berlin, Deutschland: Deutscher Bundestag: 31. Bundestagssitzung: Bundesminister der Verteidigung Boris Pistorius (SPD). Er wird aktuell von der CDU scharf kritisiert.
Berlin, Deutschland: Deutscher Bundestag: 31. Bundestagssitzung: Bundesminister der Verteidigung Boris Pistorius (SPD). Er wird aktuell von der CDU scharf kritisiert.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD): CDU erhebt schwere Vorwürfe gegen den Sozialdemokraten. Foto: picture alliance / dts-Agentur | –
Gescheiterte Wehrpflicht-Einigung
 

„Das war eine Blutgrätsche“ – CDU geht auf Pistorius los

Nach dem Wehrpflicht-Debakel liegen in Berlin die Nerven blank. CDU-Mann Röttgen wirft Verteidigungsminister Pistorius vor, „destruktiv“ zu handeln. Der Sozialdemokrat widerspricht. Ein anderer versucht, die Wogen zu glätten.
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BERLIN. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Norbert Röttgen (CDU), hat scharfe Kritik an Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) geäußert. „Ich habe es in über 30 Jahren Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag noch nie erlebt, daß ein Bundesminister in seinem eigenen Verantwortungsbereich ein wichtiges Gesetzgebungsverfahren frontal torpediert und die eigene Fraktion in Chaos stürzt“, sagte Röttgen der Süddeutschen Zeitung. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland warf der Christdemokrat Pistorius vor, „destruktiv“ zu handeln und forderte: „Die SPD muß sich jetzt sortieren.“

Ein CDU-Politiker wird von der Bild-Zeitung mit den Worten zitiert: „Das war eine Blutgrätsche von Pistorius gegen die SPD-Fraktionsführung.“

Pistorius selbst wehrte sich gegen die Vorwürfe. „Ich torpediere nicht, und ich bin auch nicht destruktiv“, sagte er dem Tagesspiegel mit Blick auf die Äußerungen Röttgens. „Ich habe nur gewisse Schwierigkeiten damit, daß zwei elementare Stellen meines Gesetzentwurfs geändert werden, bevor dieser überhaupt offiziell in den Bundestag eingebracht worden ist.“ Das betreffe zum einen „die flächendeckenden Musterungen ab 2027, die im aktuellen Kompromiß nicht enthalten sind“ und zum anderen den Umstand, daß viel Zeit verlorenginge, „wenn die Truppe bei allen zur Musterung ausgelosten jungen Männern noch einmal aktiv für sich werben soll“.

Bereits zum zweiten Mal vertagt

Hintergrund ist die am Dienstag gescheiterte Einigung der Bundesregierung zur Reaktivierung der Wehrpflicht (JF berichtete). In der SPD-Fraktion gibt es offenbar erheblichen Widerstand gegen das vereinbarte Losverfahren und ein Vier-Stufen-System.

Der Bundestag teilte am Dienstag mit, daß zu Beginn der Plenarsitzung am Mittwoch zunächst über die Tagesordnung der Woche abgestimmt werden soll, da zwischen den Fraktionen kein Einvernehmen erzielt werden konnte. Damit könnte auch die ursprünglich für Donnerstag vorgesehene erste Lesung des Wehrpflicht-Gesetzentwurfs erneut verschoben werden. Es ist bereits das zweite Mal, daß die Beratung vertagt wird.

Kein Automatismus zur Wehrpflicht vorgesehen

Zuvor hatte sich die schwarz-roten Verhandlungsführer auf einen Vier-Stufen-Plan verständigt, um die Bundeswehr langfristig auf 260.000 aktive Soldaten und 200.000 Reservisten zu vergrößern. Der Plan galt als sicherheitspolitischer Kompromiß zwischen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und der Union und sollte am Donnerstag im Bundestag vorgestellt werden. Nach jetzigem Stand ist die Einigung jedoch wieder unsicher.

Die erste Stufe des Modells sieht vor, die Musterungsstrukturen auszubauen und die Wehrverwaltung zu digitalisieren. Junge Männer sollten künftig zum 18. Geburtstag einen Fragebogen zur Wehrbereitschaft erhalten. Bereits bekannt war, daß die Datenbasis für spätere Auswahlverfahren dienen sollte. In der zweiten Stufe sollten aus dieser Gruppe nach dem Zufallsprinzip Männer ausgelost werden, die zu einem Gespräch über Freiwilligkeit und Eignung eingeladen werden. Fänden sich nicht genügend Bewerber, sollten diese Ausgelosten für einen mindestens sechsmonatigen Dienst verpflichtet werden können. Über diesen Punkt kam es nun zum Streit.

Dänemark verfährt ähnlich

In früheren Entwürfen war für die dritte Stufe eine freiwillige Grundausbildung mit anschließender Reserveoption im Gespräch. Sie sollte Anreize für junge Menschen schaffen. Die vierte Stufe schließlich sah die Möglichkeit vor, die 2011 ausgesetzte allgemeine Wehrpflicht wieder zu aktivieren. Dafür müßte der Bundestag jedoch mit Zweidrittelmehrheit einen Spannungs- oder Verteidigungsfall feststellen. Einen Automatismus, der direkt von der Freiwilligkeit zur Wehrpflicht führt, sollte es ausdrücklich nicht geben.

Der gesamte Mechanismus, insbesondere der sogenannte Aufwuchspfad mit definierten Zielkorridoren, blieb jedoch zwischen den Koalitionspartnern umstritten. Während die Union verbindliche Schwellenwerte forderte, ab wann verpflichtende Elemente greifen, lehnen Teile der SPD dies bislang ab. Rechtlich stützt sich der Entwurf auf ein Gutachten des früheren Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio, das die Verfassungsmäßigkeit eines Losverfahrens bestätigte, wie die CDU mitteilte. Auch Dänemark wendet ein ähnliches System an.

CDU-Generalsekretär bleibt optimistisch

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zeigte sich mit Blick auf den aktuellen Streit dennoch optimistisch, das Wehrdienstgesetz am Donnerstag im Bundestag zu beraten und eine Einigung zu erzielen. „Wir wollen unbedingt diese Woche die erste Lesung“, sagte Linnemann am Montag in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Er rechne damit, daß sich die Fraktionen von Union und SPD darauf einigten.

Er sagte außerdem, die SPD-Fraktion habe Pistorius anscheinend nicht genügend in die Planung einbezogen, aber: „Das kann man, glaube ich, innerhalb von 24 Stunden heilen.“ (st/sv)

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD): CDU erhebt schwere Vorwürfe gegen den Sozialdemokraten. Foto: picture alliance / dts-Agentur | –
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