BERLIN. In der Debatte um den richtigen Kurs gegenüber Israel haben mehrere Christdemokraten pro-israelische Akzente gesetzt. „Das Ziel der Hamas ist die Vernichtung Israels und unschuldiger israelischer Geiseln, die seit fast zwei Jahren entführt sind“, konstatierte Außenpolitiker Roderich Kiesewetter dem Tagesspiegel. „Deutschland verkennt diese Absicht der Hamas und des Irans dahinter.“
Kiesewetter fragte weiter, warum die Bundesrepublik Hilfspakete über Gaza abwerfe, „die laut Bundesregierung bis zu hundert Prozent in Hamas-Hände fallen, also die direkte Unterstützung der Hamas bewirken“. Mit Blick auf neue Geiselvideos sagte er, diese zeigten, „daß die deutsche Nahost-Politik einen Riesenfehler macht, wenn sie sich der kognitiven Kriegsführung der Hamas unterwirft und einer Täter-Opfer-Umkehr das Wort redet“.
Die Hamas und der Islamische Dschihad hatten in der vergangenen Woche Videos veröffentlicht, in denen die Geiseln Evjatar David und Rom Braslavski zu sehen sind. Braslavski ist deutscher Staatsbürger. David taucht in einem Video in völlig ausgemergeltem Zustand auf. Er gräbt mit einer Schaufel in einem Hamas-Tunnel und sagt, daß dies sein eigenes Grab sei.
Frei: „Nicht Israel ist das Problem“
Der Außenpolitiker Armin Laschet kritisierte am Sonntag, daß es „unsere Staatsspitze“ nicht schaffe, „täglich die Namen der deutschen Geiseln zu nennen und die sofortige Freilassung zu fordern“. „Wir Abgeordneten sollten trotz aller Meinungsunterschiede zum Nahost-Konflikt wenigstens diese Barbarei an unseren Landsleuten öffentlich und klar benennen“, betonte der Christdemokrat.
Hamas-Terroristen veröffentlichen ein Horror-Video, in dem ausgehungerte Geiseln ihr eigenes Grab schaufeln. Sie sind sich ihrer Sache sicher, weil ihr Propaganda-Kampf in Europa längst Erfolg hat. Israels Staatspräsident @Isaac_Herzog appelliert jetzt an die Welt. Warum schafft… https://t.co/FWwD8jXUfY
— Armin Laschet (@ArminLaschet) August 3, 2025
Derweil sagte Kanzleramtsminister Thorsten Frei am Montag in der Sendung „Frühstart“ bei RTL und NTV, „daß über 50 bis zu 90 und mehr Prozent der Hilfslieferungen von Terroristen, von der Hamas, von organisierter Kriminalität gekapert werden“. Gerade in den letzten Tagen sei deutlich geworden, „daß nicht Israel das Problem ist, sondern die Hamas“, sagte der Christdemokrat. Mit Blick auf Bilder leidender palästinensischer Kinder sagte er, man dürfe den Terroristen „nicht auf den Leim gehen“.
Ganz anders hatte sich dagegen am Wochenende CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen geäußert. „Wenn sich Israels Politik nicht sehr schnell ändert, wird auch Deutschland sich gezwungen sehen, zusammen mit unseren Partnern für konkrete Maßnahmen, wie zum Beispiel die Aussetzung bestimmter europäisch-israelischer Abkommen und Projekte, zu stimmen“, betonte er in der Zeit.
Wenn sich Israels Politik nicht sehr schnell ändert, wird auch Deutschland sich gezwungen sehen, zusammen mit unseren Partnern für konkrete Maßnahmen, wie z.B. die Aussetzung bestimmter europäisch-israelischer Abkommen und Projekte, zu stimmen. https://t.co/Uxt89QJOAG
— Norbert Röttgen (@n_roettgen) August 2, 2025
SPD will „entschlosseneres Handeln“
Vor allem aus der SPD hat der Druck auf Bundeskanzler Friedrich Merz zuletzt zugenommen, einen scharfen Kurs gegen den jüdischen Staat einzuschlagen. Der sozialdemokratische Außenpolitiker Adis Ahmetovic forderte am Sonntag im ZDF-Interview mit Blick auf die Kabinettssitzung am Mittwoch ein „entschlosseneres Handeln“ der Bundesregierung.
Deutschland solle sich der europäischen Initiative zur Ganz- oder Teilaussetzung des EU-Israel-Assoziierungsabkommens „nicht mehr verschließen“. Auch Sanktionen gegen israelische Minister dürften kein Tabu sein. „Mahnungen und Appelle allein reichen in dieser dramatischen Lage schon lange nicht mehr aus.“
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Siemtje Möller sagte am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“, Israel müsse unter anderem mehr LKWs mit Hilfe in den Gazastreifen lassen, und zwar „sehr zügig“. Andernfalls müsse sich die Bundesregierung „weiteren Maßnahmen öffnen“. In der SPD-Fraktion hatte sich die Stimmung zuletzt erheblich gegen den jüdischen Staat zugespitzt. Die Abgeordnete Nina Scheer etwa behauptete Ende Juli, in Gaza finde ein „Genozid“ statt.
Deutschland bisher noch auf der Bremse
In der vergangenen Woche hatte Außenminister Johann Wadephul erneut Israel und das Westjordanland besucht. Bundeskanzler Merz sagte in diesem Zusammenhang, er wolle sich von Wadephul Bericht erstatten lassen und danach „alle weiteren Entscheidungen treffen“. Im Sicherheitskabinett sei bereits darüber gesprochen worden, „wie wir gegebenenfalls mit den europäischen Partnern zusammen weiter vorgehen“.
Deutschland steht bisher im europäischen Kontext beim Vorgehen gegen den jüdischen Staat eher auf der Bremse. So hat die Bundesregierung anders als etwa Frankreich keine Anerkennung „Palästinas“ angekündigt und anders als etwa die Niederlande keine Sanktionen gegen israelische Minister verhängt. Die EU-Kommission schlug Ende Juli vor, Israels Teilnahme am Forschungsprogramm Horizon Europe teilweise auszusetzen. (ser)