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Berlin: Bauern-Mahnwache: „Wir können nicht zurückweichen, dann hätte die Regierung gewonnen!“

Berlin: Bauern-Mahnwache: „Wir können nicht zurückweichen, dann hätte die Regierung gewonnen!“

Berlin: Bauern-Mahnwache: „Wir können nicht zurückweichen, dann hätte die Regierung gewonnen!“

Melanie Geiseler und Martin Kiefer auf der Straße des 17. Juni. Dort halten sie eine Mahnwache ab. Ihr Protest begann während der Aktionswoche der Bauern. Sie wollen das die Bundesregierung zurücktritt. Foto: JF | Martina Meckelein
Melanie Geiseler und Martin Kiefer auf der Straße des 17. Juni. Dort halten sie eine Mahnwache ab. Ihr Protest begann während der Aktionswoche der Bauern. Sie wollen das die Bundesregierung zurücktritt. Foto: JF | Martina Meckelein
Melanie Geiseler und Martin Kiefer auf der Straße des 17. Juni: Sie wollen das die Bundesregierung zurücktritt Foto: JF | Martina Meckelein
Berlin
 

Bauern-Mahnwache: „Wir können nicht zurückweichen, dann hätte die Regierung gewonnen!“

Nach den großen Bauernprotesten flacht die Stimmung gegen die Bundesregierung nicht ab. Am Brandenburger Tor harrt „ein bunt zusammengewürfelter Haufen“ weiter aus. Gemeinsam fordern sie den Rücktritt der Ampel. Die JUNGE FREIHEIT besucht die Mahnwache.
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„Wir können nicht zurückweichen, dann hätte die Regierung gewonnen!“ Gemeinsam mit vielleicht noch 35 Männern und Frauen hält der 39jährige Martin Kiefer eine Mahnwache durch, die das Resultat der großen Bauernproteste ist. Seit Tagen und Nächten kampieren die Menschen auf einem Grünstreifen am Rande der Straße des 17. Juni. Als „ein bunt zusammengewürfelter Haufen“, bezeichnet Kiefer die Demonstranten. Eine Mischung aus Bauern, Handwerkern, Rettungssanitätern, Verwaltungsangestellten und Altenpflegern. In diesen Stunden erwarten sie wieder hunderte von Treckern und Lastern in Berlin.

„Geben Sie mir zehn Minuten“, sagt Kiefer, als er aus dem Wohnwagen steigt. „Ich habe bis eben geschlafen, bin erst um 7 Uhr morgens ins Bett gekommen. Ich brauch erstmal einen Kaffee.“ Kiefer ist landwirtschaftlicher Mitarbeiter auf einem Hof vor Rügen. Zwei Wochen bezahlten Urlaub hatte er sich genommen, jetzt unbezahlten Urlaub. „Knecht Martin“, wie ihn seine Bekannten hier am Brandenburger Tor nennen, war bis Freitag, Mitternacht, Anmelder der Mahnwache auf der Straße des 17. Juni, erzählt er. „In der Nacht hab ich den Staffelstab übergeben, jetzt ist ein Kollege dran.“

Mahnwache am Straßenrand

Die „Mahner“ sitzen zwischen geparkten Wohnwagen und Autos auf Campinghockern und aufgestapelten Paletten. Vorüberfahrende Laster hupen. Solidaritätsbekundungen im Minutentakt. In einer ausrangierten Waschtrommel glimmen Holzscheite, eine Frau und ein Mann, beide dick eingemummelt, halten ihre Hände daran. Auf einem Tisch dampft in einem großen Kochtopf noch der Rest von Bohneneintopf aus der Dose.

„Das sind alles Sachspenden, von denen wir hier zurzeit leben“, sagt Kiefer. „Aber lassen Sie uns besser in den Wohnwagen steigen. Da ist es geräuschärmer und warm.“ Kiefer steigt voran über den Plastiktritt in die Behausung. „Hab ich mir selbst für 300 Euro gemietet – zum Freundschaftspreis.“ Wasserflaschen stehen auf dem Tisch, Kaffee hat Kiefer nicht bekommen, „der wird erstmal aufgesetzt“, sagt er. Seine Stimme ist vom vielen Reden rauh geworden.

Weitermachen wo andere aufhören

„Ich bin seit dem 10. Januar hier“, erzählt er. „Zuerst war ich in meinem blauen Zelt vorm Brandenburger Tor. Das sollte zeigen, daß wir alle bei dieser Politik kurz vor der Obdachlosigkeit stehen. Und ich wollte damit demonstrieren, daß nicht jeder mit dem Trecker herkommen muß, um Solidarität mit den Bauern zu zeigen. Aber von Lobbygruppen wurde mir das Bauernsein abgesprochen. Ich sagte `Ay, lassen wir uns nicht spalten`.“ Kiefer zuckt die Schultern, „so ist das eben“.

Versammlungsleiter Martin Kiefer ist landwirtschaftlicher Angestellter aus Mecklenburg-Vorpommern: Die Regierung ist für ihn „Schrott“ Foto: JF | Martina Meckelein
Versammlungsleiter Martin Kiefer ist landwirtschaftlicher Angestellter aus Mecklenburg-Vorpommern: Die Regierung ist für ihn „Schrott“ Foto: JF | Martina Meckelein

Es kam die große Bauerndemo am 15. Januar, auf der Tausende Landwirte, Handwerker und Spediteure in Berlin gegen die Politik der Bundesregierung demonstrierten. „In der Zeit kam nachts so ein Typ, der setzte sich einfach zu den Leuten auf der Mahnwache. Da entstanden so idiotische Bilder wie die mit dem Typ mit der Russenmütze der so eine Art Reichsbürger war“, sagt Kiefer. „Tja, der Journalist hatte seine Bilder und zum Abschied hat der noch so schief gegrinst, weg war er. Den hab` ich hier nie wieder gesehen.“

So etwas soll nicht wieder passieren. „Wir sind hier keine Rechten. Ich war mal in der SPD, okay, heute schäme ich mich dafür, aber dafür haben die mir ein Medienkompetenztraining und meinen ersten Anzug gestellt“, schmunzelt Kiefer. Den Pressesprecher macht er auch hier auf der Mahnwache. Wie es überhaupt dazu kam? „Die Bauerndemo war beendet und dann kamen ein paar Tage später die Spediteure“, erinnert er sich. „Die wollten die Mahnwache bis zum 28. Januar weiter anmelden. Doch nach deren Demo, lösten die sich am 20. Januar innerhalb von vier Stunden auf. Plötzlich stand die Polizei bei uns vor der Tür und wollte räumen. Da habe ich die Mahnwache einfach übernommen.“

Friedlicher Protest aus Eigenenergie

Kiefer erzählt, er habe seinen Personalausweis dem Einsatzleiter der Polizei gezeigt und gesagt: „Melde hiermit die Fortsetzung der Mahnwache an!“ Hier im Wohnwagen, bei der Erinnerung daran, lächelt er: „Ich mußte mir doch irgend etwas aus dem Ärmel schütteln deshalb sagte ich dann: Eine Mahnwache der Menschen zur Unterstützung der Landwirtschaft und Spediteure“. Doch, so Kiefer, hätte das der Polizei nicht ausgereicht. „Da sagte ich, ‚und gegen genetisch veränderte Nahrungsmittel‘. Das klappte.“

Sechs Tage war Kiefer Anmelder der Mahnwache. „Wir sind partei-, vereins- und verbandslos, machen alles in Eigenregie.“ Auf TikTok, YouTube und X sendet die Mahnwache Sachstandsberichte.  „Wir trommeln auf allen Kanälen Leute zusammen, damit sie herkommen. Unterstützung gibt es von Privatleuten. Die bringen Pizza und Döner. Wir haben eine Feuerwache wegen der offenen Feuerstellen und einen Sicherheitsdienst wegen der Antifa. Das war vor ein paar Tagen ein Aufmarsch, die bezeichneten uns als Nazis. Jetzt passen wir auf, daß hier keine Knüppel und ähnliches rumliegt.“

Ärger gibt es auch mit Trittbrettfahrern. „Hier war mal so ein Streamer, der verteilte Autogrammkarten und behauptete, ab 1000 Likes würde er im Rosa Tütü tanzen, tat er auch. Der benutzte die Mahnwache als Werbeplattform.“ Im Großen und Ganzen sei aber alles friedlich.

Altenpflegerin: Die Regierung soll weg

Wieder draußen auf der Straße, zieht Kiefer erst einmal an einer Zigarette, die ihm jemand anbietet. „Bis in dieser Nacht standen wir so auf der Hälfte zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor. Jetzt konnten wir endlich umziehen, stehen viel näher am Brandenburger Tor.“ Plötzlich steht Melanie Geiseler neben Kiefer. „Martin, schau mal, die Trecker werden aufgehalten, die stehen irgendwo zwischen Friedrichstraße und Hauptbahnhof.“

Schon am Tag zuvor hatte agrar heute gemeldet, daß die Demonstrationen der Landwirte weiter gingen, wenn sich beim Agrardiesel nichts bewege. „Der 26. Januar scheint bei den Protesten der wichtigste Tag zu werden. Der Bundestag wird den Haushalt 2024 und das Haushaltsfinanzierungsgesetz in der letzten Januarwoche beschließen. Am 2. Februar stehen die Gesetze im Bundesrat auf der Tagesordnung.“

Geiseler ist Altenpflegerin, kommt aus Oberfranken. Die 42jährige ist ein Beispiel dafür, daß aus den Bauernprotesten ein breites Bündnis der Kritik an der Regierung geworden ist. „Die soll weg“, sagt die blonde Frau. „Unsere Rentner, die das Land aufgebaut haben, müssen sparen, die haben am Monatsende kaum etwas zu essen, können nur noch einen Raum heizen. Altenheime werden geschlossen und Flüchtlinge kommen da rein. So geht das nicht weiter. Erstmal müssen unsere Leute versorgt sein.“

Solidarität mit den Bauern von alt und jung

Ebenfalls so gar nichts mit Rechten hat Manuela Lorenz aus Berlin im Sinn. Die 53jährige Verwaltungsfachangestellte steht seit Samstag hier an der Mahnwache. „Ich bin einzig wegen meiner Kinder und Enkel hier, damit die eine sichere Zukunft haben.“ Gleich mehrere Gründe hat Nora Zuber, 18 Jahre jung, Rettungssanitäterin aus Brandenburg, um hier zu sein. „Einmal bin ich für meinen Papa da, der ist im Hoch-Tiefbau unterwegs. Dann für meinen Sport, ich bin Reiterin, Vielseitigkeit. Die Landwirtschaftspolitik und die damit verbundenen Demos sind natürlich ein Riesenthema im Reitsport, denn ohne Bauern gäbe es die Reiter, beziehungsweise Pferde nicht. Und drittens bin ich für unsere Zukunft hier.“

Die Verwaltungsfachangestellte Manuela Lorenz ließ sich für die Demonstration freistellen: Die Berlinerin demonstriert für die Zukunft ihrer Kinder Foto: JF | Martina Meckelein
Die Verwaltungsfachangestellte Manuela Lorenz ließ sich für die Demonstration freistellen: Die Berlinerin demonstriert für die Zukunft ihrer Kinder Foto: JF | Martina Meckelein

Ein Mann tritt von der Feuerstelle zu Kiefer: „Die Bauern blockieren jetzt die Parteizentralen“, sagt er und tippt auf den Schirm seines iPhone. Über 300 Landwirte sollen es sein. Kiefer erwartet sie dann an seinem Wohnwagen. Die Mahnwache läuft noch bis zum 28. Januar.

Melanie Geiseler und Martin Kiefer auf der Straße des 17. Juni: Sie wollen das die Bundesregierung zurücktritt Foto: JF | Martina Meckelein
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