BERLIN. 50 Jahre nach dem Tod des polnischen Feuerwehrmanns Czesław Jan Kukuczka an der innerdeutschen Grenze hat der Gerichtsprozeß gegen einen ehemaligen Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Rentner heimtückischen Mord vor. Der mittlerweile 80jährige Leipziger soll dem dreifachen Vater am 3. März 1974 in den Rücken geschossen haben, als dieser den Grenzübergang Bahnhof Friedrichsstraße in Berlin überqueren wollte.
„Mein Mandant bestreitet die Vorwürfe. Weitere Angaben macht er derzeit nicht“, sagte der Anwalt des mutmaßlichen Schützen am Donnerstag vor dem Landgericht Berlin der B.Z. zufolge.
Kukuczka wollte mit Bombendrohung in den Westen kommen
Zuvor hatte der damals 38 Jahre alte Kukuczka laut der vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam betreuten Internetseite „Chronik der Mauer“ in der polnischen Botschaft Ostberlin damit gedroht, das Gebäude mit Sprengstoff in die Luft zu sprengen, sollte ihm die Ausreise verwehrt werden. Daraufhin sei die Stasi benachrichtigt worden, um den Polen nach Möglichkeit außerhalb der Botschaft „unschädlich zu machen“.
Am „Tränenpalast“ genannten Ausreisepavillon in der Berliner Stadtmitte wurde Kukuczka schließlich erschossen. „Der Rückenschuß hat Lunge, Milz und Leber zerfetzt“, rekonstruieren die Historiker des Leibniz-Zentrums das Geschehen. Wie sich später herausstellt, hatte er keine Bombe, sondern nur „einen Hydrantendeckel, eine zerbrochene Whisky-Flasche, einen Rasierpinsel und einen Rasierapparat, Schuhbürste und Schuhcreme, Nähnadeln und Nähgarn“ in der Tasche.
Wegen Verjährung wurden die Ermittlungen wegen Totschlags in dem Fall 2016 zunächst eingestellt. 2021 wurde dann auf Drängen Polens jedoch ein europäischer Haftbefehl wegen Mordes erlassen – ein Verbrechen, das nicht verjähren kann. Daraufhin nahm auch die deutsche Justiz die Ermittlungen wieder auf. (fw)