SCHWERIN. Die Schweriner Polizei ist bei dem Versuch, zwei afghanische Männer abzuschieben, gescheitert. Am Mittwochmorgen sollten die Männer im Alter von 18 und 22 an Spanien rücküberstellt werden. Infolgedessen kam es jedoch zu einer Gefährdungslage. Wie die Polizei mitteilte, drohte die 47jährige Mutter mit Gewalt gegen sich und ihre Kinder.
Daher rückten mehrere Streifenwagenbesatzungen, Spezialkräfte und Krankenwagen an. Die Polizei versuchte mit einem Rammbock und einer Kettensäge in die Unterkunft vorzudringen, wie der NDR berichtet. Die sechsköpfige Familie war im Kirchenasyl der evangelischen Petrusgemeinde in Schwerin untergekommen.
Abschiebung ausgesetzt
Nach stundenlangen Verhandlungen drang die Polizei in die Wohnung ein, da „Gläserklirren wahrgenommen“ wurden. Dabei nutzten die Spezialkräfte lediglich „einfache körperliche Gewalt“, wie es von der Polizei heißt. Anschließend konnten versteckte Messer bei der Mutter, ihrem 22jährigen Sohn und 13jährigen Tochter festgestellt werden. Noch vor dem Eingriff in die Wohnung habe sich der ältere Sohn selbst verletzt, teilte die Polizei mit. Die Abschiebung wurde laut Angaben des Flüchtlingsrats ausgesetzt.
Die Familie soll über Spanien in die EU eingereist sein, berichtete Ulrike Seemann-Katz vom Flüchtlingsrat in Mecklenburg-Vorpommern. Nach ihrer Ankunft in Deutschland erhielten sie in Schwerin Kirchenasyl. Auf Grundlage des Dublin-III-Abkommens sollte die Familie nach Spanien abgeschoben werden. Asylbewerber müssen ihren Antrag dem EU-Mitgliedsstaat stellen, über den sie einreisen.
Kirchenasyl verhinderte tausende Abschiebungen
Seemann-Katz kritisierte das Vorgehen der Polizei als „brutal“. Im Gespräch mit dem NDR monierte sie, die Polizei habe eine „rote Linie überschritten“. Es sei das erste Mal, daß das Kirchenasyl in Mecklenburg-Vorpommern von der Polizei gebrochen wurde. Dadurch sendeten die Behörden ein „erschreckendes Signal an alle Schutzsuchenden“ und „Kirchengemeinden, die Zuflucht bieten“. Weiter beschwerte sie sich, daß Asylbewerber sich an Weihnachten nicht sicher fühlen könnten. 99,9 Prozent der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Das Weihnachtsfest wird von Muslimen nicht gefeiert.
In den vergangenen Jahren kam es zu einem rasanten Anstieg der Anzahl von Kirchenasylfällen. Waren es 2020 noch rund 500 Personen, wuchs die Zahl mittlerweile auf knapp über 2.000 an. So konnten seit 2017 insgesamt 6.000 Personen nicht abgeschoben werden. (sv)