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Vor dem Parteitag: AfD-Schaulaufen in Magdeburg

Vor dem Parteitag: AfD-Schaulaufen in Magdeburg

Vor dem Parteitag: AfD-Schaulaufen in Magdeburg

13. Bundesparteitag der Alternative für Deutschland am 18.06.2022 in der SACHSENarena in Riesa Tino Chrupalla ( Bundessprecher AfD ) Foto: Revierfoto
13. Bundesparteitag der Alternative für Deutschland am 18.06.2022 in der SACHSENarena in Riesa Tino Chrupalla ( Bundessprecher AfD ) Foto: Revierfoto
AfD-Parteitag (Symbolbild): Viele Kandidaturen erwartet Foto: picture alliance/dpa/Revierfoto | Revierfoto
Vor dem Parteitag
 

AfD-Schaulaufen in Magdeburg

Am Wochenende beginnt die AfD mit der Wahl ihrer Kandidaten für das Europaparlament. Das aktuelle Umfragehoch weckt die Hoffnung auf künftig deutlich mehr Abgeordnete in Brüssel. Um aussichtsreiche Plätze dürfte hart gekämpft werden. Doch der härteste Gegner lauert ganz woanders.
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Moderate 26 Grad und etwas Regen lautet die Wetterprognose für die kommenden Tage in Magdeburg. Doch zumindest bei den Delegierten der AfD, die sich an diesem Wochenende in der Hauptstadt Sachsen-Anhalts zu Parteitag und Aufstellungsversammlung treffen, dürften trotzdem einige ins Schwitzen kommen. Denn es steht einiges auf dem Programm, man hat sich viel vorgenommen. Priorität Nummer eins: die Wahl der Kandidatenliste für die EU-Wahl 2024.

Sollte sich die Partei auf dem Niveau der aktuellen Umfragen halten, könnte die AfD bei der Wahl zum EU-Parlament im Juni nächsten Jahres über 20 Abgeordnete entsenden. 2019 zog die Partei mit elf Abgeordneten nach Brüssel beziehungsweise Straßburg. Derzeit besteht ihre Delegation nach zwei Abgängen – darunter im vergangenen Jahr der seinerzeitige Vorsitzende und Parteichef Jörg Meuthen – aus neun Mitgliedern.

Schon über 70 Bewerber

Weil man sich also personell mehr als verdoppeln könnte, muß eine entsprechend umfangreiche Liste gewählt werden. Und die Aussicht auf viele gut bezahlte Mandate läßt manchen Morgenluft wittern. Daher wird auch um die hinteren, gerade noch aussichtsreichen Listenplätze mutmaßlich ein munterer Konkurrenzkampf entbrennen. Zudem ist mit zahlreichen – auch vollkommen chancenlosen – Bewerbungen zu rechnen. Über 70 (Stand Donnerstag) Parteimitglieder haben sich bereits auf einer eigens dafür eingerichteten Internetseite als Bewerber eingetragen, wobei die prominentesten Kandidaten dort noch gar nicht auftauchten.

Maximilian Krah von der AfD
Maximilian Krah: Wird er AfD-Spitzenkandidat? Foto: AfD

Einer, der schon seit längerem als Kandidat für Platz 1 der Liste gehandelt wird, ist Maximilian Krah. Er gehört dem Parlament seit 2019 an und hatte schon damals als Kandidat seines sächsischen Landesverbands eine stattliche und geschlossene Hausmacht vorweisen können. Die vergangenen Monate nutzte Krah, der seit vergangenem Sommer auch Mitglied des AfD-Bundesvorstands ist, für Auftritte und Veranstaltungen bei Parteigliederungen im gesamten Bundesgebiet. Der promovierte Jurist gilt als eloquenter Redner und ist sicherlich das innerhalb der Partei bekannteste Gesicht.

Krahs Bürde ist der drohende Immunitätsverlust. Käme es dazu, wäre dies eine erhebliche Belastung für einen Spitzenkandidaten, dessen ist man sich auch an der Parteispitze bewußt. Die ID-Fraktion hatte den AfD-Politiker zwar nicht ausgeschlossen, aber seine Mitgliedschaft in der Fraktion suspendiert. Hintergrund ist der Vorwurf, Krah habe bei der Vergabe eines Auftrags für Öffentlichkeitsarbeiten an eine Kommunikationsagentur gegen die Ausschreibungsrichtlinien verstoßen. Ob auch die Europäische Staatsanwaltschaft deswegen ermittelt, ist unklar. Die Immunität Krahs wurde bisher noch nicht aufgehoben. Krah spricht von einer Schmutzkampagne, die gegen ihn laufe und hinter der er als Urheber einen anderen AfD-Europaabgeordneten vermutet.

„Wir brauchen den Konsens“

Eine länger andauernde Fehde mit seinem Brüsseler Mandatskollegen Nikolaus Fest führte zudem auf Druck der Mehrheit zu Jahresbeginn dazu, daß Fest sein Amt als Vorsitzender der AfD-Delegation niederlegte. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT kündigte er nun an, nicht noch einmal für eine Kandidatur zum EU-Parlament anzutreten. Er werde auch gar nicht beim Parteitag in Magdeburg erscheinen, so Fest. Ein Aufeinandertreffen der beiden Widersacher dürfte damit ausbleiben.

Daß Krah Ambitionen auf Platz 1 nachgesagt werden, ist kein Geheimnis. Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT sagte er, es komme ihm nicht so sehr auf die Platzierung an. Ein guter, sprich einer der vorderen Listenplätze dürfte ihm sicher sein. „Wir brauchen den Konsens“, betont der 46jährige. Die derzeitige Delegation in Brüssel stehe noch für „die alte AfD, die permanent einen internen Bürgerkrieg gegen sich selbst führte“. Man brauche jetzt Leute, „die auf Team gebürstet sind – und keinen Haufen Nicht-Kooperationsfähiger“, ist er überzeugt. Und meint abschließend: „Wir müssen als AfD in Brüssel selbstbewußt auftreten.“

Inwieweit Krahs derzeitige Kollegen in der Delegation eine Chance auf einen guten Listenplatz und somit eine wahrscheinliche Wiederwahl haben, ist ungewiß. Daß einer – oder eine – von ihnen mit einem dicken Amtsbonus ins Rennen geht, ist nicht erkennbar. Viel hängt davon ab, inwieweit sie auf die Unterstützung der Delegierten ihres jeweiligen Landesverbands zählen können – und natürlich davon, wie ihre Vorstellungsrede zündet.

Parteinachwuchs mit eigenem Spitzenkandidaten

René Aust: Bringt ich in Position Foto: AfD
René Aust: Bringt sich in Position Foto: AfD

Als sehr chancenreich für einen vorderen Platz – oder sogar den ersten – auf der Europa-Wahlliste gilt auch René Aust. Bis hinein in die Parteispitze hält man große Stücke auf den 36jährigen, der derzeit Landtagsabgeordneter in Thüringen ist. Parteiintern hatte er sich einen Namen gemacht, weil er maßgeblich an der Ausarbeitung eines Rentenkonzepts der AfD beteiligt war. „Ich kann mir vorstellen, daß meine Erfahrungen aus Thüringen auch für eine künftige AfD-Delegation in Europa von Nutzen sein können“, sagte Aust der JUNGEN FREIHEIT. Aktuell ist sein Landesverband nicht in Brüssel vertreten.

Wie Aust gilt auch der rheinland-pfälzische Kommunalpolitiker Alexander Jungbluth als jemand, der bei seiner Kandidatur für einen guten Listenplatz mit wohlwollender Unterstützung der AfD-Bundesspitze rechnen kann. Jungbluth war bereits im Mai zum Spitzenkandidaten seines Landesverbandes gewählt worden.

Ebenfalls mit einem gewissen Rückenwind in die Listenwahl geht Tomasz Froelich, den der Parteinachwuchses Junge Alternative (JA) zu seinem Spitzenkandidaten gekürt hat. Als langjähriger Mitarbeiter und derzeitiger Pressereferent in der ID-Fraktion kann er zudem auf seine Erfahrungen im Brüsseler Betrieb verweisen.

Aus dem Bundestag nach Brüssel

Außerdem wollen einige Bundestagsabgeordnete im kommenden Jahr nach Brüssel beziehungsweise Straßburg wechseln und daher in Magdeburg kandidieren, etwa Marc Jongen aus Baden-Württemberg, Harald Weyel aus Nordrhein-Westfalen und Petr Bystron aus Bayern. Er habe schon immer Europapolitik machen wollen, begründete letzterer im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT seine Absicht, den Wirkungsort von Berlin nach Brüssel zu verlegen.

Petr Bystron in der 217. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude. Berlin, 24.03.2021
Petr Bystron: Will von Berlin nach Brüssel Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres

Das komme auch seiner internationalen Vernetzung entgegen, so Bystron, und er verweist dabei unter anderem auf seine guten Drähte in sein Herkunftsland Tschechien. Für ihn sei besonders wichtig ist, „daß die Mitglieder unserer Delegation stabil sind, zusammenhalten und nicht von der Fahne gehen“. Er hoffe daher, daß die Delegierten in Magdeburg dies bei ihrer Auswahl der Kandidaten berücksichtigten. „Wir brauchen in Brüssel keine Leute, die sich von der eigenen Partei distanzieren. Wir sind bald die stärkste Partei in Deutschland. Darauf können wir stolz sein und sollten das auch entsprechend ausstrahlen“, ist Bystron überzeugt.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Norbert Kleinwächter, will sich indes eine mögliche Kandidatur für die Europa-Liste bis zum Schluß noch offenhalten. Gerüchten zufolge könnte er bei der Besetzung eines Listenplatzes gegen Maximilian Krah antreten. Offenbar werden im Hintergrund noch die Erfolgsaussichten dafür sondiert. Allerdings verfügt Kleinwächter in seinem Landesverband Brandenburg über keine eigene Hausmacht – anders als Krah, der seine sächsischen Parteikollegen hinter sich weiß.

Länder statt Parteiflügel

In diesem Zusammenhang ist ein Phänomen zu beobachten, das so in der AfD relativ neu ist: der Verweis auf einen Länderproporz. In der Vergangenheit hatten solche föderalen oder regionalen Aspekte fast oder gar keine Rolle gespielt. Sympathien und Stimmen wurden auf Bundesparteitagen nach der Zugehörigkeit zum jeweiligen innerparteilichen Lager vergeben. Man wählte, vereinfacht gesagt, entweder „Flügel“-Leute oder „Liberal-Konservative“, egal woher sie stammten.

Das hat sich geändert, auch als Folge der Erosion dieser bisherigen Strömungen. Nun ist die Rede davon, die Landesverbände müßten entsprechend ihrer Stärke berücksichtigt werden. Auf den bereits im Vorfeld kursierenden – tatsächlich oder angeblich – abgestimmten Listenempfehlungen spielt die regionale Ausgewogenheit anders als früher eine wichtigere Rolle.

Die Partei werde erwachsen, heißt es übereinstimmend von vielen Funktionären dazu. Und diese Normalisierung wird im Allgemeinen positiv bewertet, auch wenn sich die AfD in dieser Hinsicht den anderen, etablierten Parteien annähert. Den Fehler, daß wie bislang unter den nach Brüssel entsandten AfDlern nur ein „Ossi“ und sogar kein einziges Mitglied aus einem norddeutschen Bundesland vertreten ist, will man offenbar nicht wiederholen.

Strikte Vorgaben des Wahlleiters

Insofern dürfte es bei der Wahlversammlung diesmal entscheidend darauf ankommen, inwieweit die Bewerber auf die Unterstützung der Delegierten eines Landesverbands zählen können. Nicht in jedem ist vorab schon unstrittig, wer als eigener Kandidat favorisiert wird; genannt werden unter anderem Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, aber auch Brandenburg.

Immer noch typisch für die AfD ist also, daß nicht nur im Vorfeld des Parteitags, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch noch in Magdeburg am Rande der Verhandlungen Parteifunktionäre die Köpfe zusammenstecken und munter hin und her über Mehrheiten für einzelne Listenplatzbewerber verhandeln. Nicht ausgeschlossen, daß es dann noch zu der einen oder anderen überraschenden Kandidatur kommt.

Am meisten fürchten müssen potentielle Europa-Kandidaten in der AfD aber wohl nicht die innerparteiliche Konkurrenz, sondern einen ungleich mächtigeren und unnachsichtigen Gegner: die Uhr. Denn da sind die strikten Vorgaben des Bundeswahlleiters: Es darf nicht mit elektronischen Stimmgeräten gewählt werden, alles muß schriftlich auf Wahlzetteln stattfinden, deren Auszählung natürlich wesentlich zeitaufwendiger ist. Bewerben sich mehrere Personen um einen Listenplatz, ist es nicht unwahrscheinlich, daß niemand von ihnen im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit bekommt; es wird also eine Stichwahl notwendig – was wiederum Zeit kostet. Bei früheren Parteitagen kam es sogar vor, daß aus der Stichwahl wegen zahlreicher „Nein“-Stimmen kein Kandidat als Sieger hervorging. Dann mußte der Wahlgang ganz neu eröffnet werden.

Alternative für den Austritt?

Albtraum: Eine zu kurze Liste

Zudem, so die Vorgabe, soll den Kandidaten ausreichend Zeit für ihre Vorstellung zur Verfügung stehen, die Rede ist von jeweils sieben Minuten. Addiert werden muß dann noch die Zeit für mehrere Fragen aus dem Plenum – und für die Antworten darauf.

Für die Wahl der Liste bleiben nur der Samstag und der Sonntag dieses Wochenendes sowie in der darauffolgenden Woche der Zeitraum von Freitag bis Sonntag. Es kann nicht einfach ein weiteres Wochenende für eine Fortsetzung der Wahlversammlung veranschlagt werden; denn im Falle eines neuen Termins müßte die Listenwahl wieder ganz von vorn beginnen.

Die größte Sorge mancher in der AfD mit Blick auf den Parteitag: Daß man aus Zeitgründen nur eine Liste hinbekommt, die sich im Falle eines guten Wahlergebnisses im kommenden Juni als „zu kurz“ erweisen würde. Bereits im Vorfeld kursierten daher Appelle, sich angesichts der knappen Zeit doch bitte zu disziplinieren. Dennoch dürfte in Magdeburg für so einige schweißtreibende Momente noch gesorgt sein.

AfD-Parteitag (Symbolbild): Viele Kandidaturen erwartet Foto: picture alliance/dpa/Revierfoto | Revierfoto
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