FRANKFURT/MAIN. Vertreter aus Politik und Gesellschaft haben Pläne der Grünen zurückgewiesen, die Miquelallee in Frankfurt am Main umzubenennen. „Eine Umbenennung der Miquelallee lehne ich ab. Wenn Namensgeber in Nazi-Verbrechen verstrickt waren, dann müssen wir natürlich aktiv werden, Plätze oder Straßen umbenennen. Historische Persönlichkeiten aber nach den heutigen Maßstäben der Linken zu beurteilen, finde ich falsch“, warnte etwa der CDU-Ortsvorsteher im Stadtteil Westend, Axel Kaufmann.
Der Frankfurter FDP-Bundestagsabgeordnete Thorsten Lieb stimmte ihm zu. „Miquel hat als Oberbürgermeister viel Gutes für Frankfurt geleistet, z.B. in Stadtentwicklung und sozialem Bereich, daß man seine Person nicht auf einen Punkt reduzieren darf – der auch noch zur fraglichen Zeit gesellschaftlich anders gewertet wurde“, mahnte er.
Zuletzt hatte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Römer, Emre Telyakar, aufgrund von angeblichem Rassismus eine Umbenennung der nach dem einstigen Frankfurter Bürgermeister Johann von Miquel benannten Straße ins Spiel gebracht.
Die beiden Grünen-Fraktionsvorsitzenden im Frankfurter Stadtparlament Tina Zapf-Rodriguez und Dimitrios Bakakis distanzierten sich inzwischen allerdings von dem Ansinnen. „Es gibt keine konkreten Umbenennungsforderung. Sie ist weder in unserer Fraktion noch in der Koalition diskutiert worden“, unterstrichen sie.
FAZ-Herausgeber warnt vor Umbenennung
Auch der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Carsten Knop, monierte am Montag in seinem Blatt: „Käme es dazu, wäre das eine wirkliche Schande: Kolonisiert würde dann etwas anderes – die Erinnerung an die Vergangenheit nach den heutigen Maßstäben der jeweils gültigen politischen Kultur. Identität würde ausgelöscht.“
Der Chef der Frankfurter Taxi-Vereinigung, Hans-Peter Kratz, kritisierte die Idee der Grünen ebenfalls. „Die Miquelallee ist ein wesentlicher Orientierungspunkt. An so einer Aktion hängen ja hohe Kosten für Adreßänderungen der Anwohner, Navi-Software, U-Bahn-Beschilderung, Straßenschilder etc. Taxifahrer haben echte Sorgen, nicht die künstlichen Probleme von Hobby-Philosophen“, empörte er sich in der Bild-Zeitung. Politiker aus der Mainmetropole echauffierten sich ebenfalls über den Vorschlag.
Der 1828 geborene Politiker Johannes von Miquel war Gründer der nationalliberalen Partei, der später auch Gustav Stresemann angehörte. Während seiner Amtszeit als Bürgermeister von Frankfurt am Main hat sich die Stadt zu einer europäischen Metropole entwickelt.
Miquel war Kolonialismus-Befürworter
Als Grund für seine Umbenennungsidee führte Telyakar an, Miquel sei Gründungsmitglied des Deutschen Kolonialvereins gewesen. „Es gibt antischwarzen Rassismus gegen heute lebende Menschen. Und es gibt den Rassismus aus der Kolonialzeit, den wir stärker aufarbeiten müssen. Deshalb wollen wir etwa Straßennamen ändern, in denen Kolonialisten gewürdigt werden. Wir haben dazu eine Liste, da steht etwa auch die Miquelallee drauf“, erläuterte er vergangene Woche im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau.
Als neuen Namenspaten für die Allee nannte er den früheren Grünen-Politiker Jean Claudio Diallo. „Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß wir an dieser Stelle Jean Claude Diallo würdigen, den früheren Integrationsdezernenten, der auch Minister in Guinea war. Er war 1997 der erste schwarze ehrenamtliche Stadtrat und hat für Frankfurt großartige Arbeit geleistet“, betonte er.
In der Vergangenheit waren in Deutschland immer wieder über die Umbenennung vermeintlich rassistischer Straßennamen diskutiert. Jüngst hatte beispielsweise der Antisemitismus-Beauftragte des Landes BerlinSamuel Salzborn eine Liste mit über 200 verschiedenen historischen Persönlichkeiten vorgelegt, die sich nicht mehr oder nur noch eingeschränkt als Namenspaten eigneten. Unter den Genannten waren auch Martin Luther, Thomas Mann und Konrad Adenauer. (fw)