Der Deutsche Bundestag hat eine Corona-Impfpflicht abgelehnt. Für die Pflichtimpfung für alle über 60jährigen stimmten 296 Abgeordnete, 378 stimmten dagegen. Neun Parlamentarier enthielten sich. Zuvor hatte der Bundestag in einer emotionalen Debatte mehr als drei Stunden über die Pflicht-Impfung debattiert.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeigte sich enttäuscht über das Ergebnis. „Es ist eine sehr wichtige Entscheidung, denn jetzt wird die Bekämpfung von Corona im Herbst viel schwerer werden“, schrieb er auf Twitter.
Einziger Gesetzentwurf, der die allgemeine Impfpflicht gebracht hätte, ist gerade gescheitert. Es ist eine sehr wichtige Entscheidung, denn jetzt wird die Bekämpfung von Corona im Herbst viel schwerer werden. Es helfen keine politischen Schuldzuweisungen. Wir machen weiter
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) April 7, 2022
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel dagegen zeigte sich erfreut. „Die Ampel bringt nicht annähernd eine Mehrheit für die Impfpflicht zustande. Die Bundesregierung hat fertig.“ Sie forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, Lauterbach zu entlassen. Auch der Vize-Präsident des Bundestages, Wolfgang Kubicki (FDP), lobte die Entscheidung: „Die Argumente gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht haben sich am Ende dankenswerterweise durchgesetzt.“ Er hatte zusammen mit weiteren rund 50 Abgeordneten einen eigenen Antrag gegen die Impfpflicht eingebracht, der ebenfalls scheiterte.
Lange Gesichter bei den Grünen
Wenig Verständnis für die Entscheidung zeigte die Grünen-Abgeordnete Emilia Fester. Diese hatte während der ersten Orientierungsdebatte im März für Aufsehen gesorgt, nachdem sie Impf-Gegner dafür verantwortlich gemacht hatte, daß sie als junger Mensch seit zwei Jahren nicht mehr in Clubs oder den Urlaub habe fahren können. Später stellte sich heraus, daß sie 2020 doch Urlaub gemacht hatte. Nun schrieb sie auf Twitter, Deutschland stehe vor einem weiteren „Coronawinter“. Dies tue ihr schrecklich leid.
Ihr Fraktionskollege Janosch Dahmen, der intensiv für die Impfpflicht geworben hatte, warnte vor den Folgen der Entscheidung. Das Gesundheitsrisiko „für vulnerable und ältere Menschen“ sei weiterhin sehr hoch „und die Belastung des Gesundheitspersonal sehr stark“.
Das Scheitern #Impfpflicht schmerzt mich als Arzt besonders, weil damit das Gesundheitsrisiko für vulnerable & ältere Menschen weiterhin sehr hoch und die Belastung des Gesundheitspersonal sehr stark bleibt. Ich bleibe dabei: Krisenprävention ist die beste Krisenpolitik!
— Janosch Dahmen (@janoschdahmen) April 7, 2022
SPD-Abgeordneter: „Faschisten“ jubeln im Reichstag
Für zusätzlichen Streit sorgte der SPD-Bundestagsabgeordnete Joe Weingarten. Er warf der CDU vor, sie sei Schuld daran, daß erstmals seit 1945 die „Faschisten im Reichstag“ wieder jubelten. Er spielte damit offensichtlich auf den lauten Applaus der AfD-Fraktion nach bekanntwerden des Ergebnisses an.
Zum ersten Mal seit 1945 jubeln die Faschisten im Reichstag wieder. Dank der CDU. Ein Tiefpunkt des Parlaments. @seeheimer @spdbt
— Dr. Joe Weingarten MdB (@DrJoeWeingarten) April 7, 2022
Auch Unionsfraktion scheitert
Auch ein Antrag der Unionsfraktion wurde nicht angenommen. Dieser sah ein abgestuftes Verfahren vor, bei dem eine Pflicht-Impfung erst unter bestimmten Voraussetzungen eingeführt worden wäre.
Die Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren hatten in den vergangenen Wochen ihre Vorschläge angesichts unklarer Mehrheiten immer weiter abgeschwächt. Nachdem auch eine Impfpflicht ab 50 Jahren als Kompromiß keine sichere Mehrheit versprach, forderten sie kurzfristig die nun durchgefallene Pflicht ab 60 Jahren. (ho)