Die Nachricht hatte Ende August für große Aufregung im politischen Berlin gesorgt. Gibt es ein russisches Spionagenetzwerk im Bundeswirtschaftsministerium? Versucht dieses Netzwerk sogar, die Energiepolitik von Minister Robert Habeck (Grüne) und damit der Bundesrepublik zu beeinflussen?
Wenn es Rußland wirklich gelungen wäre, zentrale deutsche Regierungsstellen mit Sympathisanten zu unterwandern, stünde Deutschland wohl vor einem politischen Erdbeben, das es so seit der Guillaume-Affäre und dem Rücktritt von Willy Brand als Bundeskanzler nicht mehr gab.
Doch der Reihe nach: Im August wurde bekannt, daß enge Vertraute von Habeck den Verfassungsschutz damit beauftragten, zwei leitende Beamte des Wirtschaftsministeriums zu überprüfen. Deren Ausarbeitungen und Positionen zur Energiepolitik hätten angeblich vor „Verständnis für die russische Sicht getrieft“, wie die Zeit berichtete. Sie sollen auch den offiziellen Positionen der Bundesregierung widersprochen haben. Bis auf einen Studienaufenthalt eines der Beamten in Moskau und einer behaupteten „emotionalen Nähe zu Rußland“ gab es im Vorfeld wenig Belastendes.
Keine personellen Konsequenzen
Nun, drei Monate später, scheint klar zu sein: An den Vorwürfen ist nichts dran. Es gibt kein Spionagenetzwerk im Wirtschaftsministerium. Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hess gab es im Zusammenhang mit den Vorwürfen „keine arbeits- oder beamtenrechtlichen Maßnahmen, insbesondere keine Versetzungen oder Umsetzungen“.
Die Leitung des Ministeriums habe die Berichte „zum Anlaß genommen, allen Beschäftigten das vollste Vertrauen auszusprechen“, schreibt die Parlamentarische Staatssekretärin im für den Verfassungsschutz zuständigen Bundesinnenministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, in ihrer Antwort.
Wollte Habeck unbequeme Beamte schikanieren?
Alles gut also im Wirtschaftsministerium? Nein, meint der AfD-Abgeordnete Hess und vermutet einen ganz anderen Skandal hinter dem Fall. „Habeck hat offensichtlich den Verfassungsschutz instrumentalisiert, um zwei verdiente Beamte des Wirtschaftsministeriums zu schikanieren und zu drangsalieren, nur weil sie eine Meinung äußerten, die nicht regierungskonform war“, sagt Hess der JUNGEN FREIHEIT.
Daß enge Vertraute eines Ministers proaktiv den Inlandsgeheimdienst einschalten, wenn führende Beamte eine andere Meinung haben als die Bundesregierung, ist durchaus bemerkenswert. Es ist ja gerade die Aufgabe der Beamten in den Ministerien, unabhängig von politischen Ideologien, eine fachliche und kritische Expertise beizusteuern.
Einen Hinweis, ob Habecks Leute tatsächlich gezielt unliebsame Beamte einschüchtern, könnte sich daraus ergeben, wie oft Ministerien von sich heraus den Verfassungsschutz einschalten, um Mitarbeiter außer der Reihe überprüfen zu lassen. Doch genau das wollen weder Bundesregierung noch Verfassungsschutz sagen.
Behörden hüllen sich in Schweigen
Vom Wirtschaftsministerium hieß es dazu im Oktober, es würden „wie in anderen Bundesministerien und Bundesbehörden auch – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach den Regelungen des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes des Bundes sicherheitsüberprüft“. Grundsätzlich gelte, daß die Arbeit des Wirtschaftsministeriums „aufgrund der Verantwortung für die Energiesicherheit und der hohen Abhängigkeit von russischen Energieimporten in einem besonderen Fokus steht“. Aus diesem Grund würde der Verfassungsschutz frühzeitig einbezogen. Die Zahl der insgesamt durchgeführten Sicherheitsprüfungen ist dem Ministerium selbst nicht bekannt.
Und genau das ist der Punkt. Daß neue Mitarbeiter der Bundesbehörden standardmäßig überprüft werden, ist in der Tat eine normale Prozedur. Allein 2021 wurden „über 75.000 Sicherheitsüberprüfungen im Geheim- und Sabotageschutz“ durchgeführt, antwortet der Verfassungsschutz auf eine Anfrage der JF. Wie viele davon auf Mitarbeiter der Ministerien entfallen, will die Behörde nicht sagen. Es würden grundsätzlich „keine Details oder Zahlen bekanntgegeben“.
Bei den beiden Beamten handelt es sich allerdings nicht um Neumitarbeiter, sie arbeiteten bereits unter Habecks Vorgänger, Peter Altmaier (CDU), im Haus.
„Eines Ministers unwürdig“
Wie ungewöhnlich das Vorgehen von Habecks Leuten ist, zeigt, daß es nur wenige Tage nach den ersten Berichten über die angebliche Unterwanderung des Ministeriums, eine Krisensitzung der Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium gab. Laut dem Handelsblatt soll dabei die Stimmung am Kochen gewesen sein. „Wenn ich meine Fachmeinung kundtue, dann besteht die Möglichkeit, daß ich in den Verdacht gerate, ‘Russenversteher‘ zu werden“, empörte sich ein Mitarbeiter.
Für den AfD-Innenexperten Hess jedenfalls ist die Sache klar. „Wer als Minister so agiert, der fördert Zensur und Sprechverbote im eigenen Haus und verhindert so eine vernünftige und sachgerechte Wirtschaftspolitik für Deutschland. Ein solches Gebaren ist inakzeptabel und eines Ministers unwürdig.“