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Baden-Württemberg: Gutachten von Staatsministerium hält Impfpflicht für notwendig

Baden-Württemberg: Gutachten von Staatsministerium hält Impfpflicht für notwendig

Baden-Württemberg: Gutachten von Staatsministerium hält Impfpflicht für notwendig

Nicht-Geimpfte sind ausgeschlossen: Politologe warnt vor gesellschaftlicher Spaltung
Nicht-Geimpfte sind ausgeschlossen: Politologe warnt vor gesellschaftlicher Spaltung
Nicht-Geimpfte sind ausgeschlossen: Politologe warnt vor gesellschaftlicher Spaltung Foto: picture alliance / SVEN SIMON | Frank Hoermann / SVEN SIMON
Baden-Württemberg
 

Gutachten von Staatsministerium hält Impfpflicht für notwendig

Ein Gutachten im Auftrag des baden-württembergischen Staatsministeriums hält eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus nicht nur für zulässig, sondern sogar für notwendig. Andere Experten sehen das anders und warnen vor einer gesellschaftlichen Spaltung.
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STUTTGART. Eine allgemeine Corona-Impfpflicht ist einem Gutachten zufolge notwendig, um die Ausbreitung des Virus zu verringern. Impfpflichten lediglich für bestimmte Berufs- oder Bevölkerungsgruppen „sind gegenüber einer allgemeinen Impfpflicht nicht vorrangig heranzuziehen“, heißt es in einem Gutachten der Stuttgarter Wirtschaftskanzlei Oppenländer im Auftrag des baden-württembergischen Staatsministeriums, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet.

Spezielle Impfpflichten könnten nicht in gleicher Weise dazu beitragen, „die Viruszirkulation in der Bevölkerung insgesamt zu verringern“. Zudem würden sie schwierige Abgrenzungsfragen aufwerfen. Außerdem spreche der Gleichbehandlungsgrundsatz dagegen. Eine allgemeine Impfpflicht sei nicht nur zulässig, sondern in der aktuellen Situation sogar geboten.

Es sei richtig, daß eine solche Regelung Eingriffe in Freiheitsgrundrechte bedeute, vor allem hinsichtlich des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie auf Religionsfreiheit und des Elternrechts. „Diese Eingriffe lassen sich jedoch verfassungsrechtlich rechtfertigen“, heißt es demnach in dem Gutachten.

Polititologe warnt vor weiteren Einschränkungen für Nicht-Geimpfte

Der Osnabrücker Politik- und Verwaltungswissenschaftler Roland Czada warnte unterdessen davor, Menschen ohne Corona-Impfung weiter in die Enge zu treiben. „Eine Minderheit dieser Minderheit traut dem Staat nicht“, sagte Czada am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst. „Wird sie weiter bedrängt und stigmatisiert, könnte daraus eine Radikalisierung entstehen, die wir nicht mehr loswerden.“

Eine gesellschaftliche Spaltung müsse vermieden werden. Die Politik müsse sich davor in Acht nehmen, Nicht-Geimpfte weiter auszugrenzen, indem sie ihnen „etwa mit der 2G-Regel Weihnachtseinkäufe verwehrt und damit auch dem Einzelhandel massiv schadet“. Viele Menschen fragten sich, warum ein negativer Corona-Test für die Arbeit ausreiche, Einkaufen für Ungeimpfte aber oft nicht mehr erlaubt sei. Derlei Maßnahmen seien unverhältnismäßig und nicht ausreichend durchdacht. Denn jede Zwangsmaßnahme erfordere Überwachung und müsse bei Verstößen sanktioniert werden, unterstrich der Innenpolitikexperte.

„Regeln, die nicht durchsetzbar sind, schaden dem Vertrauen in den Staat am meisten“, betonte Czada. Mit Drohgebärden signalisiere der Staat, daß er den Bürgern kein Vertrauen schenke. Dies beschädige das Vertrauen in den Staat. „Vertrauen ist in einem Gemeinwesen das höchste Gut. Eine Regierung darf nicht der populistischen Versuchung erliegen, den starken Staat zu markieren und Maßnahmen zu verfügen, die sie letztlich nicht umsetzen kann.“

Mediziner kritisieren Impfpflicht

Ende vergangener Woche hatten Dutzende Mediziner und Wissenschaftler die geplante Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Coronavirus kritisiert. Die von Befürwortern vertretene Auffassung, „daß die kollektive Impfung in der gegenwärtigen Situation alternativlos sei, ist nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand unhaltbar“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Dem Staat fehlt jegliche wissenschaftliche, rechtliche und ethische Legitimation, sich über den Willen von Bürgerinnen und Bürgern hinwegzusetzen.“

„Es gibt keine den üblichen Standards folgenden wissenschaftlichen Daten, die belegen, daß die Impfung für jede Bürgerin, jeden Bürger unabhängig von Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen oder anderen Faktoren mehr Nutzen als Schaden stiftet“, schreiben die Mediziner und Forscher rund um den Essener Epidemiologen Karl-Heinz Jöckel, den Münsteraner Kardiologen Ulrich Keil, die Aachener Epidemiologin Angela Spelsberg und den Tübinger Chemiker Andreas Schnepf. Hierzu lägen keine der üblicherweise in Zulassungsverfahren geforderten Daten mit hinreichender Qualität vor.

„Für große Gruppen der Bevölkerung gibt es überhaupt keine Evidenz für einen Nutzen, z.B. für gesunde Kinder und junge Erwachsene oder für Schwangere im ersten Drittel der Schwangerschaft. Dagegen ist ein Schaden nicht auszuschließen, sondern ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sogar anzunehmen“, heißt es in dem Papier weiter. „Solche Gruppen zur Impfung zu nötigen, heißt von ihnen zu fordern, daß sie eine Körperverletzung hinnehmen.“

Strafrechtlerin: Impfpflicht ist nicht angemessen

Auch einige Juristen halten eine allgemeine Corona-Impfpflicht nicht für gerechtfertigt. Die Kölner Strafrechtlerin Frauke Rostalski schrieb in der Welt: „In einer freiheitlichen Gesellschaft müssen sämtliche Interessen Berücksichtigung finden, gegeneinander abgewogen und miteinander in Einklang gebracht werden.“ Die Angemessenheit setze voraus, daß der Nutzen der Maßnahme außer Verhältnis zu den dadurch herbeigeführten Beeinträchtigungen stehen darf. „Sowohl die Erforderlichkeit als auch die Angemessenheit einer allgemeinen Impfpflicht als staatliche Maßnahme zur Pandemiebekämpfung sind allerdings anzuzweifeln.“

So müsse etwa die Frage, ob der Staat bislang genug getan habe, um seine Bürger zur freiwilligen Impfung zu bewegen, verneint werden. Außerdem verwies die Juristin, die auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, auf das unterschiedlich hohe Risiko eines schweren Verlaufs einer Corona-Infektion je nach Alter. Spezifische Maßnahmen gegenüber denjenigen Gruppen, deren Erkrankung das Gesundheitssystem in besonderer Weise belaste, seien deutlich milder als undifferenzierte Maßnahmen gegenüber allen. Selbst die Angemessenheit einer Impfpflicht nur für Ältere dürfe nicht vorschnell angenommen werden. „Sie muß letztes Mittel bleiben, um der hohen Bedeutung des Rechts auf körperliche Integrität Rechnung zu tragen.“ (ls)

Nicht-Geimpfte sind ausgeschlossen: Politologe warnt vor gesellschaftlicher Spaltung Foto: picture alliance / SVEN SIMON | Frank Hoermann / SVEN SIMON
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