BERLIN. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans Hugo Klein hat das EZB-Urteil des Verfassungsgerichts verteidigt. Die Entscheidung der Karlsruher Richter „liegt voll auf den Linien des Maastricht-Urteils“, sagte Klein am Donnerstag der Rheinischen Post. Der Jurist war 1993 als Richter am sogenannten Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts beteiligt, das als Grundlage für die aktuelle Entscheidung über das Anleihekaufprogramm der EZB diente. Damals hieß es, Karlsruhe werde EU-Rechtsakte nur dann beanstanden, wenn diese ihre Kompetenzen überschreiten.
Das Bundesverfassungsgericht hatte vergangene Woche die Anleihekäufe bemängelt und sich damit erstmals gegen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gestellt. Anders als der EuGH entschieden die Karlsruher Richter, die Beschlüsse der Notenbank seien kompetenzwidrig ergangen. Das EuGH-Urteil nannten sie „objektiv willkürlich“ und „methodisch nicht mehr vertretbar“. Der EuGH beharrte jedoch darauf, allein zuständig zu sein.
Das Urteil hatte kontroverse Reaktionen ausgelöst. Während Anhänger einer konservativen Finanzpolitik die Entscheidung lobten, kritisierten andere das Urteil als Gefahr für die Europäische Union. Der EU-Parlamentsabgeordnete Sven Giegold (Grüne) forderte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) auf, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten.
„Die EU ist kein Staat“
Klein zeigte für solche Positionen kein Verständnis. „Nicht nur der Europäische Gerichtshof, auch eine Reihe deutscher Politiker gibt sich der Illusion hin, daß die EU ist, was sie früher werden sollte: ein Staat“, verdeutlichte der Jurist. „Die EU ist aber kein Staat.“ Die Herren der Verträge seien weiterhin die Mitgliedstaaten. Die Kritik an dem Urteil läge an der „Lebenslüge der EU“. Der Staatenverbund glaube, über den Verträgen zu stehen.
Zuvor hatte auch der scheidende Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, sich hinter das Urteil gestellt. Er widersprach der Auffassung, der EuGH müsse in Fragen des Europarechts immer das letzte Wort haben. Das Verfassungsgericht sei berechtigt und verpflichtet „in seltenen Ausnahmefällen bei besonders gravierenden Kompetenzverletzungen der europäischen Institutionen einzuschreiten“, erklärte Voßkuhle der Zeit.
Auch Polens Vizejustizminister Sebastian Kaleta lobte die Entscheidung Karlsruhes. Die Richter hätten Polens Auffassung, „daß nationale Verfassungsgerichte im Bereich der Beurteilung des Handelns von EU-Organen das letzte Wort haben“ bestätigt, sagte Kaleta am Mittwoch der Welt. (ls)