BRÜSSEL. Rund 60 Prozent der EU-Bürger haben bei einer Umfrage im Auftrag der Europäischen Union angegeben, sich von „Mainstream-Parteien“ nicht repräsentiert zu fühlen. Auch 52 Prozent der Deutschen sind der Ansicht, etablierte Parteien interessierten sich nicht für sie, ergab eine Studie der Agentur der EU für Grundrechte (FRA), die am Mittwoch veröffentlicht wurde.
Ein besonderes Gefälle wurde bei Einkommensunterschieden deutlich. 73 Prozent der Befragten mit einem geringeren Bildungsniveau, Arbeitslose und Geringverdiener fühlten sich von etablierten Parteien und Politikern vernachlässigt. EU-Bürger, die hingegen angaben, gut oder sehr gut zu verdienen, stimmten dem nur zu 45 Prozent zu. „Manchmal ist der Mangel an Vertrauen eklatant“, mahnte FRA-Chef Michael O’Flaherty.
EU-Bürger skeptisch gegenüber Freiheit der Justiz
Das betreffe auch die Justiz. Rund 29 Prozent der Teilnehmer vertraten die Ansicht, Richter könnten „nur hin und wieder“ ohne politischen Einfluß arbeiten. In Deutschland gaben 40 Prozent an, die Justiz könne meistens unabhängig entscheiden. 51 Prozent hingegen waren der Meinung, Richter seien nur manchmal oder sogar selten bis nie frei von politischer Beeinflussung.
Deutsche Studienteilnehmer nahmen zudem einen Spitzenposition bei der Frage ein, ob sie sich davor fürchteten, in Wahlkampfzeiten von Parteien oder Organisationen eingeschüchtert zu werden. 37 Prozent stimmten dem zu, sieben Prozent gaben an, sogar große Angst davor zu haben. Mögliche Gründe für die Befürchtungen wurden nicht untersucht.
Deutschland auf Spitzposition bei Kluft zwischen Jung und Alt
Die Teilnehmer wurden auch zur der Bedeutung von Menschenrechten befragt. So bezeichneten 88 Prozent der EU-Bürger solche als wichtigen Schritt hin zu einer faireren Gesellschaft. Diese Ansicht fand in Ungarn, Polen, Rumänien und Tschechien die geringste Zustimmung. Weniger als die Hälfte der ungarischen Befragten waren zudem der Meinung, Minderheitenschutz sei wichtig für die Demokratie.
Die größte Kluft zwischen den Überzeugungen von Jung und Alt herrscht laut den Ergebnissen in Deutschland, Luxemburg und Irland. Für ältere EU-Bürger sei die Freiheit der Opposition, die Regierung kritisieren zu dürfen, wichtiger, als für die jüngere Generation. In Deutschland bewerteten 76 Prozent der über 65jährigen die Freiheit zur Regierungskritik als sehr wichtig, bei den 16-29jährigen sahen das nur 52 Prozent so. (zit)